von Karen Joy Fowler
Mellas Meinung |
erstmals erschienen: Mai 2004 (englisch)
Mellas Meinung Individuell einzigartige Hauptfiguren mit echter Persönlichkeit, für sich sprechende Handlungen, farbige Beschreibungen, ausdrucksstarke Dialoge und ein bemerkenswerter Stil, voller Überraschungen, wie aus dem Nichts auftauchende, tiefgründige, nachdenkenswerte Bemerkungen. Was will ich mehr? Dass im Titel das Wort 'Austen' vorkommt, ließ mich doch tatsächlich vermuten, dass dieser Roman etwas mit ihr zu tun haben könnte. Okay, Jane Austen wird erwähnt, ihre Romane werden erwähnt und, dass in der jüngsten 'Mansfield Park' Verfilmung Fanny Price eine Verschmelzung von Austen und ihrer Heldin ist und dies seltsam anmaßend wirkt, ist nicht die einzige Meinung der Charaktere zu Austen. Um am Anfang zu beginnen, mein erster Gedanke: die Charaktere auf der Umschlagseite vorzustellen ist eine nette Idee, gefolgt von: dass diese nicht mich als Zielgruppe im Sinn haben. Dieses Gefühl bleibt auch bis zum Ende bestehen. Ebenso noch ganz unberührt von Fowlers eigenen Worten, bezeugt doch das Buch an sich, durch den Anhang mit all seinen gesammelten Zitaten über Jane Austen, über ihre Werke, sogar jene von ihr selbst gesammelt über Mansfield Park, die offensichtliche Vernarrtheit der Autorin in Jane Austen. "Each of us has a private Austen." Während das von Fowler im Prolog für jeden Charakter im Buch ausgetüftelt wird, wundere ich mich bereits über die Verwendung der Erzählperspektive, die möglichen Bezüge zu Austen und bereits darüber, wie merkwürdig unglaubwürdig, gar übertrieben jene Personen scheinen, welche sich da zusammen finden sollen, um Austen-Bücher zu bereden. Ersteres stellt sich als clever gewählt heraus. Fowler macht jeden gleich wichtig. Jeder ist einzigartig und jeder kommt zu Wort, so persönlich wie nur möglich. Ich muss gestehen, dass, falls vorhanden, tiefsinnigere Bedeutung der Nebenhandlungen, der zweideutigen Beschreibungen und Ablenkungen von außen, sich mir vorenthalten haben. Zugegeben: Schlimmer noch. Für mich schlug sie damit die Straße zur Langenweile ein. Sogleich muss ich aber Fowler zugestehen, dass sie es immer wieder rechtzeitig schafft abzufahren. Aber mal ehrlich, warum sollte jemand, der über Austen spricht, nicht einfach als 'Jane' auf sie hinweisen? Muss gleich der erstmögliche Bezug zu Sex geschaffen werden, um Interesse aufrechtzuerhalten? Hat die Ausführlichkeit mit der die Bewegungen des Hundes beschrieben werden, eine tiefere Bedeutung? Was will Fowler mit den erschreckenden Erlebnissen Jocelyn's bezwecken? Welchen Sinn haben die Nebenhandlungen in Bezug auf Austen? Ein Denken um viele Ecken ist nötig, um eine Verbindung - Ähnlichkeit, oder überhaupt Themenverwandtschaft, zu finden. Leider sind die Hintergrundinformationen oft überwältigend und ein vermutlicher Drang zum charakterisieren ist spürbar. Diese Szenen stocken und treiben die Handlung nicht voran. Langatmigkeit wird ebenso von all diesen Ortswechseln in die Vergangenheit unterstützt. Ein definiertes Problem ist schwer zu ergreifen. Die Zahl der Geschehnisse halten sich gerade im Maß des Zulässlichen, bevor mir all dies zu viel wurde. All dem entgegengesetzt ist jedoch das Gefühl die Figuren besser kennen und verstehen zu lernen, dass sie all diese Erlebnisse nicht zu Stereotypen verkommen lässt, was diese negativen Eindrücke mysteriös abschwächt. Was mich dieses Buch nicht in eine dunkle Ecke verbannen ließ? Nun, Fowler's Schreibstil hat Witz, Tragik, Bodenständigkeit und diesen Ton, der mitfühlen lässt. Gelungenes Aufeinanderprallen von Gegensätzen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten oder das unverhoffte Überrumpeltwerden von Situationen, die keiner heraufbeschwört und die doch unaufhaltsam auf dich zusteuern, sind von nachfühlbar ernsthaft bis herrlich ironisch und zum schmunzeln komisch. Die Figuren sind erstaunlich hin und her gerissen zwischen Zufriedenheit und Unwohlsein. Jeder auf die unterschiedlichste Weise. Gegenseitiges Unterstützen, ohne sich darüber bewusst zu sein, wie es besonders bei Prudie und Bernadette auffällt, Frauen welche nicht unterschiedlicher sein können, ist bemerkenswert einfallsreich behandelt. Ich wurde ein Freund ihres trüben, manchmal hoffnungslosen Tons, welcher unvergleichbar fesselnd, etwas anziehend Tröstendes, in sich bereit hält. Kein Selbstmitleid, kein bemitleiden. Einfach lebendig. Das Tempo ist einfach mitreißend. Jedes Kapitel behandelt ein Buch, eine Person, speziell. Was so zu Beginn scheint, ändert sich und dieses einfache Konzept bleibt nicht bestehen. Keine Eintönigkeit hier zu befürchten! Der Buchclub ist dazu verdammt zur Nebenhandlung zu verkommen? Nein. Der Buchclub nur Mittel zum Zweck? Das ist überraschenderweise auch nicht der Fall. Es ist zwar die Lösung zum Problem, wie man diese Leute zusammen kommen lässt, doch ebenso konnte ich nachvollziehen, wie sich jene davon inspirieren lassen. Besonders gelungen, ist wohl hier Sylvia's Ehemann, welcher beeindruckend gut zu nutzen weiß, dass 'Persuasion' hauptsächlich ein Buch über zweite Chancen ist - laut Nachwort der Ausgabe seiner Tochter. Dennoch fühlte ich mich von Fowler in der Luft hängen gelassen. Nach mehr Meinungen, Verbindungen hadernd, fragte ich mich zu oft: "Warum Austen?" Ohne all dieses "Austen-Geplänkel", wäre ich mit ganz anderen Erwartungen an diesen Roman heran gegangen und hätte nicht so lange Zeit gebraucht, Fowlers Humor und gleichstarke Ernsthaftigkeit zu entdecken. Sind Interpretationsversuche Austen's Romanen dann auf die Personen ausgerichtet, schlägt diese Absicht oft fehl. Was ich später an Zusammenhängen und Anspielungen entdeckte, ließ mich wundern, was ich in vorhergegangenen Abschnitten überlesen habe. Denn wenn sich jemand plötzlich als Reinkarnation von Wickham entpuppt, ist das schon mehr als ein Zaunpfahl. Freundschaft, Liebe und Heirat stellen zumindest oberflächlich einen Bezug dar. Und wo ich noch im ersten Kapitel verzweifelt nach den Zusammenhängen zwischen "Emma" und Fowler's Jocelyn suchte, verbesserte ich mich nach und nach. In diesem Punkt ist wohl das Mansfield Park - Lesen am besten gelungen. Zumal da, wo Wertvorstellungen zur Sprache kommen, findet Austen ihre stärkste Verwendung. Gefühle und Ansichten werden besonders durch Vergangenheit aufgearbeitet, doch fragt man sich, was eigentlich der Sinn des Ganzen ist - Austen hat die Antwort. Um es aus Sichtweise eines Janeites zu betrachten: Wie viel Austen bekommt der Leser denn? Meine Meinung änderte sich und von anfänglichen unpassenden, weithergeholten Vergleichen und Interpretationsversuchen, entdeckte ich die amüsant naiven Meinungen, wie sie wohl jeder von sich geben würde, um einen Beginn in einem laienhaften Buchclub zu finden. Auch wenn Knightley ganz bestimmt nicht als einfühlsam zu jedem und Emma, als reueloser Snob abzustempeln sind, sind die Einwürfe doch herrlich persönlich. Das Ende hat etwas typisch "austenisch" an sich. Eine Heirat. Doch auch hier dämmerte stets Unzufriedenheit. Präziser gesagt, dass Fowler es sich scheinbar recht einfach am Schluss gemacht hat. Alles zweideutig, ungewiss und wieder diese "möchte-gern" Tiefgründigkeit. Dem entgegen stehen die "Questions for Discussion" jedes einzelnen Charakters im Anhang. Dies, einerseits wie ein Aufruf zum Nachdenken, ist andererseits witzig und Fowler zeigt hier in meinen Augen ihren Spaß am eigenem Buch. Zweifellos ein Buch, was mich hin und her gerissen fühlen lässt, zwischen dem, dass Jane Austen missbraucht wurde und dem, dass Fowler einen verdammt bemerkenswertes Talent besitzt. Als Janeite muss man diesem Buch keinen Platz im Regal frei halten, als Freund von zeitgenössischer Literatur mit den unterschiedlichsten Tönungen, welche Humor, Sarkasmus oder Mitgefühl bereitstellen, schon. Dieses Buch provoziert Nachdenken. Und wenn es dann noch nur darüber ist, warum Austen darin vorkommt. (Mella, 05/05) |
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