Jane Fairfax

von Joan Aiken


Klappentext Mellas Meinung

Jane Fairfax - Buchcover

Zitat aus dem Klappentext:

Mit dem stilistisch ausgefeilten Roman "Jane Fairfax", einem Komplementärroman und Tribut an Austens "Emma", erreicht Aiken die Höhe ihrer Kunst. Der Roman ist eine aussergewöhnlich gute Nachahmung von Austens geistreichem und evokativem Sprachgebrauch und ihrer kraftvollen Art, die Sitten und Gebräuche wiederzugeben, die die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts formten...

erstmals erschienen: August 1990 (englisch)
erstmals erschienen: 1993 (deutsch)
Taschenbuch, Diogenes Verlag, ISBN: 3257227787


Mellas Meinung

Ein Buch, was bezüglich meiner Meinung einen Zwiespalt hervorrief und ich mir nicht sicher darüber bin, ob empfehlenswert oder lieber doch nicht.

Ich empfand Jane Austens Emma Woodhouse stets als eine interessante und klug inszenierte Heldin und auch mit der Gewissheit, dass Kinder unbewusst verletzend in ihrem Verhalten sein können, empfinde ich ihre Darstellung als Kind misslungen und zu streng, als auch falsch beurteilt. In diesem Buch verkommt sie zu dem Schatten all ihrer Fehler - ihres Charakters.

Jane Austen beschreibt ihre Heldin als "Schön, aufgeweckt und reich, bei einem sorgenfreien Zuhause und einem glücklichen Naturell...", weiterhin stellt sie unverblümt fest: "... zwar schätzte sie Miss Taylors Urteil sehr, aber sie folgte im wesentlichen ihrem eigenen. Das eigentliche Problem bestand deshalb darin, dass Emma zu leicht ihren Willen bekam und dazu neigte, eher zu viel von sich zu halten. Hier lauerten Gefahren...". Schon auf der ersten Seite des Romans bereitet Austen ihre Leser auf eine vielschichtige und keineswegs unkomplizierte Protagonistin vor. Austen's Emma ist für mich eine andere als jene von Aiken dargestellt. Das Einzige was beide gemein haben: sie sind verwöhnt und leben in ihrem eigenen kleinen Königreich. Doch bewusste Böswilligkeit, Arroganz und von Neid zerfressen zu sein, sind zu übertrieben gezeichnete Auswüchse ihrer Fehler. Jane begegnet ihr mit Argwohn, zeitweise zynisch herablassend und die Autorin ernennt Emma zu Jane's Sündenbock für derer schmerzvollen Erfahrungen und traurigen Erkenntnisse über falsche Freundschaft. Ebenso wirken Gedanken und Unterhaltungen anderer Bewohner, wie Frank Churchill oder Mrs Elton, so feindselig und spöttisch, dass mir Emma regelrecht leid tat. Ständig verfolgte mich dieses Bild der ach so armen Jane, welche zudem auch noch zu tief verletzt wird, durch Emma's unbewusstes, doch scheinbar gewohntes Verhalten. Die kleine Miss Woodhouse ist eben eine zickige, verwöhnte, untalentierte und gedankenlose Göre, welche weder Klavier spielen, noch reiten kann. Sie ist rundlich und strahlt lediglich durch ihre Kleidchen. Auf diesen schwarzen Fleck, strahlt die engelsgleiche Jane Fairfax.

Dieser Unterschied, der zwar zweifellos besteht und von Austen selbst mehrmals in Szene gesetzt wird, ist hier einfach zu aufgetragen und für mich als Emma-Liebhaberin, nahezu unerträglich. Schade, dass jene Selbstverständlichkeit, mit der Jane's Charakter aufgenommen und erklärt wird, nicht für ihre "Freundin" herauszulesen ist. Und die vermeintliche Versöhnung der beiden Damen am Ende ist nicht überzeugend.

Die Darstellung von Jane's Schicksal insgesamt empfinde ich als plausibel beschrieben und die gemeinsame Kindheit mit Emma in Highbury ist dennoch einfallsreich. Jane's Reaktionen sind durchaus nachzuempfinden, doch entsprechen sie nicht immer einer Miss Fairfax. Besonders deutlich ist Jane's Enttäuschung in Emma als Freundin, die weltlich neuen Erfahrungen bei den Campbells und ihr Unbehagen und ihr Leiden unter der Notwendigkeit ihre wahre Beziehung zu Frank zu verheimlichen. Insgesamt empfand ich, dass Aiken's Darstellung von Jane's Charakter, eher anderen lebhafteren Heldinnen aus Jane Austen's Romanen nachempfunden ist.

Die ersten zwei Kapitel, bis Jane nach London reist, waren für mich ein schwerer Anfang. Ich empfand eine ständige Unzufriedenheit mit der Darstellung von Ereignissen aus dem Austen-Roman selbst. Die Campbells sind auf der einen Seite, eine charakterlich stark gezeichnete Familie, doch wiederum gibt deren einzige Tochter Rachel und fortan Janes Gefährtin, Grund um Bedauern zu empfinden. Sie erscheint liebenswert, doch dient sie im Endeffekt auch nur dazu die kleine Fairfax noch heller erstrahlen zu lassen. Natürlich kann nicht alles in Friede und Freude vonstatten gehen, doch inmitten dieser ganzen Unstimmigkeiten wirkt Jane in ihren jungen Jahren nahezu altklug. Ich denke da an das überaus schlechte Verhältnis zwischen Tochter und Vater (Campbells), welches Jane zu verbessern versucht.

Von dem Übergang von Kindheit zu plötzlichen 20 wurde ich quasi überrannt. Das Bild als Kind wird viel stärker verankert als das einer jungen Dame später. Hätte ich durch "Emma" nicht den Ausgang gekannt, muss ich zugestehen, dass es nicht offensichtlich ist wer wem zugedacht ist - die inszenierten, erstmals fehlgeleiteten Entwicklungen, die das ganze interessanter erscheinen lassen und der völlig in den Hintergrund gedrängte Frank Churchill, sowie die Offenbarungen anderer Gentlemen, sind überraschend gut. Wünschenswerte Verbindungen werden verkündet und Gemeinsamkeiten von Personen stiften zu Vermutungen an. Dazu zählbar, die immer wieder auftauchende Schwärmereien und sogar "Wünsche der Errettung" Mr Knightley's von Jane, tragen dazu bei - doch durch Kenntnis des Ausgangs, wirkt dies natürlich absurd.

Ich möchte gern einen kurzen Einblick in die Geschehnisse geben:
Im Ganzen ist die Handlung abwechslungsreich gestaltet, doch erst ab Weymouth und den damit verbundene Ausflügen, liefern Schauplätze zum Näherkommen zwischen den Herren und Damen, kann von interessant und wirklich unterhaltsam gesprochen werden. Besonders das Erscheinen von weiteren Bekannten in Weymouth lässt die so zeittypische Jagd auf Heiratsanträge entfachen.

Kaum verwunderlich ist dann auch der unerwartete Antrag eines ungeliebten Verehrers, welcher natürlich abgelehnt werden muss. Die Folge von weiteren verzweifelten Liebesgeständnissen ist somit vorprogrammiert. Und was fehlt? Ein Gerücht über mögliches Erbe, Mitgift und Wetten über eventuelle Annahmen von Anträgen lassen ein bedrückendes, bemitleidendes, amüsantes Gewirr von Gesprächen und Gedanken aufkommen. So kursieren nicht nur Gerüchte um ein erheblich höheres Erbe Rachels, durch ihre Großmutter - nein, auch die Gewissheit, dass Oberst Campbell seinem aufgenommenen Schützling eine ähnliche Mitgift wie seiner eigenen Tochter bereitstellt wird fest verankert.

Nach Janes Ablehnung und auch späterer Erkenntnis über den wahren Hintergrund des Antrages, bleibt dies nicht die einzige Demütigung. Ihre beste Freundin - beinahe Schwester - verliebt sich in den gleichen Mann - Matt Dixon -, der sich ihr ebenso offenbart. Auch hier sind weniger ehrenhafte, wenn doch dieses Mal mit womöglich echten Gefühlen, der Grund zur Heirat und Jane lehnt ein zweites Mal - nicht zuletzt um Rachels Willen - ab. Doch kein Ende des Schauspiels ist in Sicht. Der totkranke Bruder Sam gesteht währenddessen Rachel seine eigene und die Liebe seines Bruders zu ihr und bittet diese Matt zu ehelichen. Kurz darauf berichtet sie das Jane, welche ihr bedenkenswerte und untypische Ermutigungen entgegenbringt. Die erste Verlobung findet statt - Rachel Campbell und Matt Dixon werden heiraten. Ein Grund mich zu fragen wie glücklich diese Ehe sein kann kam mir oft in den Sinn, denn Dixon's verbleibende Liebe für Jane wird stark deutlich - worauf sie sich fragt, ob ihr Verhelfen zu dieser Verbindung wahrlich so freundschaftlich war. Hat das Rachel verdient? Nein. - Vorrausblickend ist zu sagen, dass diese Zweifel über die Ehe der jungen Dixons bis zum Schluss bleiben, auch nachdem Rachel die Mutter eines Sohnes wird, da Matt Dixon's Gedanken bezüglich Jane keine überzeugende Wendung.

Die Ereignisse überschlagen sich nun. Am Hochzeitstag tragen Oberst Campbell und seine Frau Verletzungen bei einem Kutschenunfall davon, welcher sogar Mrs Fitzroy, Rachels Großmutter, das Leben kostet. Positiver Nebeneffekt: die Verbesserung des Verhältnisses von Rachel und ihrem Vater. Der zu erwartende Tod Sam Dixon's lässt nicht lange auf sich warten und seine Beerdigung bringt Frank Churchill wieder in Jane's Umgebung.

Durch die Heirat stehen die Campbells nun vor der Trennung von Jane. Frank Churchill entdeckt Letztere völlig aufgelöst und tröstet diese nach der Abschiedsszene, worauf sein eigenes Liebesgeständnis folgt. Die kurios zustande kommende heimliche Verlobung eines liebebeteuernden Mannes und einer lediglich Freundschaft empfindenden Frau beschließt das Ende des ersten Buches.

Rasant und auch nachvollziehbar, aber doch nur knapp an der Grenze zur Ermüdung und Ablehnung gewisser Handlungsstränge.

Als ich Churchills Antrag las und seine Gewissheit über Jane's nicht vorhandene Liebe deutlich wird, wurde mir schnell klar, wie Aiken wohl später sein Verhalten in Highbury zu rechtfertigen und zu erklären sich vorbehielt. Seine Flirts mit Emma dienen der Verschleierung und Fehlleitung beobachtender Augen Highbury's. Doch viel wichtiger, bringen jene Situationen Jane's Eifersucht ans Tageslicht. Aiken widmet sich auch Szenen die nicht in "Emma" selbst zu finden sind, was sehr unterhaltsam wirkt und das Verhältnis zwischen Jane und Frank heraushebt. Auch bei einer Gesellschaft, an der Miss Woodhouse nicht teilnimmt, wird verdeutlicht wie Mr Knightley dem heimlich verlobten Paar langsam auf die Schliche kommt und sich seine Meinung darüber bildet.

Die Vorkommnisse in Highbury sind teilweise etwas merkwürdig dargestellt, doch wird gut deutlich, dass es tatsächlich aus Jane's Sicht geschildert wird und wie viel eigentlich nebenbei vor sich geht, was sie nur erahnen kann, der Leser aber aus "Emma" weiß.

Die vielen Bezüge zur damaligen Zeit, ob Mode, Krieg, Monarchie oder Badeorte, sind gelungen und schaffen die richtige Stimmung. Die passende Umgebung ist zweifellos bedeutend und hier vorhanden.

Leider gibt es in diesem Buch zu viele Unstimmigkeiten für mich, um es als uneingeschränkt gut gelungenen Folgeroman zu "Emma" annehmen kann. Doch blicke ich auf den Roman an sich, ist er lesenswert und zu empfehlen. Interessant wird der Lebensweg eines kleinen Mädchens über Hindernisse ihrer Lebensumstände, hin zu einer jungen Frau, welche bis zum Ende unangenehmste Situationen bewältigen muss. Besonders die schöne und situationsbedingte, passend einfühlsame Sprache ist bemerkenswert. Allerdings als "Sequel": Kein Werk, welches von Beginn an fesselt, geschweige denn begeistert. Wie schon erwähnt, ist tatsächlich lediglich der Aufenthalt in Weymouth wirklich gut und später die Heimlichtuerei in Highbury zwischen Jane und Frank. Ein Ärgernis für "Emma-Fans". (von Mella 07/04)



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