Virtue and Vanity

von Ted und Marilyn Bader


Mellas Meinung

Virtue    and Vanity - Buchcover

erstmals erschienen: November 2000

Taschenbuch, Revive Publishing, ISBN: 0965429946



Mellas Meinung

Während es bei den meisten Fortsetzungen eher an Handlungsinhalten mangelt, überschütten die Baders ihre Leser, nun noch üppiger als sie es bereits im Vorgängerroman taten, mit zahlreichen Ideen. Es scheint, die Autoren folgten willig dem Drang, einstige Konflikte eines jungen Jahrhunderts dem Leser so aufgefächert und vielfältig wie irgend möglich aufzubereiten.

War ich in der Mitte des Buches nach hundert Seiten angelangt, fragte ich mich erstaunt, was jetzt wohl noch alles passieren kann. Neben zu erwartenden Themen wie Heirat, Standesschranken, oder Literatur und Religion, wird vor allem Politik nicht einfach angeschnitten. Ganz im Gegenteil. Jegliche Sparten, von Besitzrechtproblemen, über Revolution, bis Industrialisierung, oder auch Zensur werden zum Motor von ganzen Szenerien und liefern Gründe für Geheimmissionen und mitternächtlichen Rettungsaktionen. Während Mr Darcy plötzlich gelyncht werden könnte, einer seiner Söhne ins ferne Amerika auswandert, scheint eine Mordanklage und Inhaftierung im ganzen Geschehen kaum überraschend. Das Einstreuen einer kleinen "Gothic-Mystery" wird da gleichgültig hingenommen, was zudem gleich erlaubt, den Namen "Jane Austen" einfließen zu lassen.

Während scheinbar spielerisch die geschichtlichen Ereignisse in den 1830ern ganz selbstverständlich mit den Darcys & Co verschmelzen, wünschte ich mir mehr als einmal, dass Baders auf Vielfalt verzichtet, ihre Lust auf Abenteuer im Zaum gehalten und mehr Wert auf Ausführlichkeit und Tiefe gelegt hätten. "Virtue and Vanity" hätte vermutlich zusammenhängender, spannender und weniger ausschweifend gewirkt.

Geht es nach Baders, kann das einsiedlergleiche Landleben im feinen Salon eines Herrenhauses, welches durch banale Dinge wie Fächersprache nicht belebt wird, erst von Straßenräubern und Aufrührern aufgemöbelt werden. Somit führt jene immense Vielfalt an Nebenhandlungen dazu, dass ein abgelehnter Antrag, mit zahlreichen Missverständnissen à la Austen folglich untergeht und beim Thema Vorurteile aus den Weg schaffen, gähnt das überstrapazierte Leserherz beim Gedanken an plötzliches Mitfühlen. Das Ende insgesamt ist somit, im Gegensatz zum Vorgeschehen, dann fade und selbstverständlich wirkend, da auch lange vorauszusehen.

Nun, kaum wundert es da, dass neben all der Handlung die Charaktere leiden. Ein Makel sind aufgedrückte Beschreibungen, welche dem Leser entgegen springen. Die Worte "your lively mother", von ihrem Mann geliefert, beweist Elizabeth Darcy leider so gar nicht selbst. Schnell wird klar, dass Baders gut damit fahren bei den eigens kreierten Personen zu bleiben. Es fiel mir erneut schwer Charme und Humor in den Darcys wiederzufinden, wirken ihre ohnehin kurzen Auftritte forciert. Ähnlich bei Laura. Sie, eine Hälfte des Bingleysprosses, und ganz "Aunt Caroline", wird schnell unverhofften Wandlungen zu einem besseren Menschen unterworfen. Ihre Rolle als Gegenspielerin ihrer Schwester, wird zu zaghaft umgesetzt und nicht ausgeschöpft. Gefahr geht von ihr nur in den Gedanken ihrer Schwester Sarah aus, was es für mich nicht spannender machte.

Doch insgesamt werden durch Kindheitserinnerungen, sogar geschickt geführte Gespräche und individuelle Interessen, persönliche und typische Besonderheiten geschaffen, die wiederum amüsante, wie die französische Kupplerin, und recht überzeugende Personen entstehen lassen. Hantieren Baders nicht mit vorgegebenen Charakteren, beweist das zweite Buch, dass sie glaubhaftere Persönlichkeiten mit Fehlern wie Eitelkeit oder Sorgenlosigkeit und Vorlieben wie Schreiben oder Botanik, fabrizieren können. Eine echte Erweiterung zu "Duty and Desire"! Dennoch sei gesagt, es ist nicht von Austen-Nähe zu reden.

Weiterhin ist der Hang zur Romantik gedämpft und angemessener. Während Szenen der Zuneigung zwar bei den Darcys persönlich lieber hätten ausgespart werden sollen, sind sie besonders bei den jungen Herrschaften passend eingefädelt und sogar einfallsreich inszeniert.

Leider stören heftige Umbrüche. So werden beispielsweise die Bingleys kurzer Hand "beiseite geschafft", um deren Töchter in die Häuser der Darcy -Verwandtschaft zu manövrieren, eine Darcy-Tochter zieht aus, um Dienstmagd zu sein und Gretna Green darf natürlich auch nicht fehlen.

Wie eine wahre Geschichte, gemäß den "Pemberley archives", wirkt alles leider nicht, sondern häufiger zu abenteuerlich, überladen und herbeigezogen. Jedoch, mit "Virtue and Vanity" halten sich Ted und Marilyn Bader im Mittelfeld und setzen sich, durch ihre Fähigkeit zeitgetreu zu schreiben, vom Feld der verwerflichen Folgeromane ab. Ihre Fähigkeit, eine solch umfangreiche Atmosphäre einer Epoche zu schaffen, die Elektrizität für sich entdeckte und mit Hungersnöten genauso zu kämpfen hatte, wie mit weiblichen Schriftstellerinnen, sollte keineswegs verachtet werden.

"Virtue and Vanity" kann durchaus für sich selbst stehen, doch bedauerlicherweise ist die Geschichte samt ihrer Akteure umfangreicher, liest man zuvor "Desire and Duty", auch wenn dies eine echte Herausforderung an Durchhaltevermögen bedeutet! Besonders der Ausgang und Epilog sind Fundgrube für das Verständnis für die Folgegeschichte, geht es besonders um den Familienzuwachs und die angedeuteten Erinnerungen.

Wer mit Charakteraussetzern leben kann und eine turbulente neue Generation, denen "nur" Gesellschaftskonflikte innerhalb der Ballsäle und Standesschranken zu eintönig sind, nicht als abschreckend klingend empfindet, kann zugreifen. Außerdem, handelt es sich um ein schmales, schnell zu lesendes Buch.

Während "Desire and Duty" nicht einmal als lesenswert erachtet werden kann, traue ich mich das von "Virtue and Vanity" zu behaupten. Das ist der Beweis dafür, dass es sich durchaus lohnen kann, eine zweite Chance zu geben. (von Mella 03/06)



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