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Die Austenschen Schurken
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Sonja
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Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @ 11:34:43  

Hallo,

wie üblich ein Thema aus einem anderen Thread. Aber die Diskussion hat sich da vom Ursprungsthema entfernt. Daher hier der neue Thread.

Bitte postet hier noch mal eure eigenen Beiträge dazu rein. danke.

Viele Grüße

Sonja

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beate
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Geschrieben Donnerstag, Mai 12, 2005 @ 13:44:13  

Geschrieben Montag, Mai 2, 2005 @ 19:42:45 von Bruki
Zur Frage des gefährlichsten(?) Charakters: Ich halte Mr. Elliot nicht für gefährlicher als Wickham oder Willoughby... Normalerweise wissen oder vermuten die schlauen Frauen Jane Austens ja schon recht bald, was sie von diesen Windbeuteln zu halten haben, auch wenn die endgültigen Beweise noch fehlen... Und bei Anne sieht Mr. Elliot keinen Stich, das ist ganz klar... - So gesehen sind diese Bösewichte nicht besonders gefährlich. - Ich würde als gefährlichsten Protagonisten eines Jane-Austen-Romans General Tilney ansehen... Der hat echt Rocherstersches Format: den Verdacht seine Frau irgendwo eingesperrt zu halten, kann man ja noch als Jungmädchenfantasie abtun, aber wie er seinen jungen naiven Gast bei Nacht und Nebel vor die Tür setzt, das ist der Gipfel. Und wenn man die damals lebensbedrohlichen Folgen solcher Rauswürfe bedenkt (wie z.B. in "Jane Eyre" oder "Agnes Grey" recht drastisch ausgeführt), würde ich sagen: der gefährlichste Mann in Jane Austens Werken ist wahrscheinlich General Tilney!

Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 08:09:14 von Darcymania
Wer ist der größte Austen'sche Schurke?
Ich finde, man kann da Willoughby absolut nicht mit in den Schurken-Topf werfen! Schließlich hat er Marianne tatsächlich geliebt, auch wenn er grundsätzlich erst einmal ein Hallodri ist. Aber er ist nicht kaltblütig und geht auch nicht zum eigenen Vorteil über Leichen. Dass er sich letztendlich für Geld und gegen die Liebe entscheidet ist ja in dieser Zeit relativ normal und zu leiden hat er wohl am allermeisten darunter! Also Willoughby ist im Herzen schon ein "Guter", nur eben zu schwach um auf die Annehmlichkeiten des Lebens zu verzichten.

Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 12:36:27 von Kerstin
Zur Schurkenrolle:
Aus heutiger Sicht mag es ja irgendwie harmlos sein, wenn man Mädchen ent- und verführt. Zu Zeiten Jane Austens war das aber anders. Die Mädchen waren verloren, ihre Ehre war weg, die Familie verstieß sie oft, sie verarmten, landeten auf der Straße als Prostituierte. Die Familien hatten einen "schlechten Ruf" weg, hatten sie noch weitere Töchter, konnten sie das mit dem Verheiraten vergessen. Gesellschaftlich war es das Aus.
Das liest man doch deutlich in allen JA Romanen. Brandons Jugendliebe läßt sich mit dem falschen Mann ein, stirbt in Armut und Schande. Mariannes Ruf ist allein durch das Flirten mit Willoughby gefährdet. Die Bennets sind völlig panisch und Elizabeth sicher nicht vollkommen grundlos total geschockt, als Lydia durchbrennt. Man bedenke, wie jung Lydia und auch Georgiana Darcy waren... beide kaum 15 Jahre. Das wäre sogar heute noch ziemlich heikel, wenn man bedenkt, dass Wickham ja nun schon ein erwachsener Mann ist.
Grüße,
Kerstin

Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 14:28:05 von Bruki
Schurkenthema:

Ich sah (sehe) das so, dass es keinen absoluten Schurken gibt (außer in den Comics). Der Schurke ist immer nur gefährlich im Vergleich zu seinem Opfer... Je naiver, unbedarfter das Opfer, desto gefährlicher der Schurke...

Ihre Helden und Schurken sind nie ganz und gar edel oder völlig verroht... Und das ist es ja, was sie von den zeitgenössischen Autoren und auch von vielen ihrer Vorgänger unterschied... Und so kamen dann schurkische Helden auf die Welt, die locker am Ende auch die Heldin heiraten könnten (wie in Mansfield Park)...

Bruki

PS: Zur Frage der Entführung: Ich weiß nicht, ob das so ist, aber ich hab vor kurzem einen Film gesehen, worin es darum ging, dass damals in England junge Männer (gebildete Gentlemen ohne Vermögen) Clubs gründeten, mit dem Ziel eine junge Erbin zu entführen und zu heiraten... Der Film war eine Komödie, so wie es es verstanden habe... - Aber vor kurzem habe ich in der Biografie eines der damaligen Schriftsteller gelesen (also eher Restaurationszeit oder etwas später), dass er in seiner Jugend einem solchen Club angehörte und sich seine Frau genau auf diese Art und Weise "besorgt" hatte... (Ich hab leider vergessen, um wen es sich gehandelt hat. Smollett? Donne?)

Eventuell war ja die "Entführung" damals in England verbreitet? Was nicht heißt, dass Jane Austen in ihren Romanen dazu nicht einen ganz und gar unzweifelhaften Standpunkt bezieht...

Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 15:45:55 von Kratzbürste
Hm, das mit den Entführungen könnte ich mir schon vorstellen. Schließlich hätten sie ja die Einwilligung der Eltern gebraucht. Und wenn es lauter Gentlemen ohne Vermögen waren, waren ihre Chancen auf eine Zustimmung der Eltern wahrscheinlich gleich null.

beate
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Geschrieben Donnerstag, Mai 12, 2005 @ 13:46:24  

Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 16:15:07 von Kerstin

Bei Entführungen gings dann ab nach Gretna Green!
Nur, deshalb brach bei den Bennets ja die Panik aus, die beiden waren NICHT auf dem Weg nach Gretna Green, sondern in London. Unverheiratet! Ihre Tochter alleine mit einem Mann, ohne Heirat hätte die sich auch umbringen können. Gesellschaftlich gesehen war sie eh schon tot.
Ich habe mal einen sehr interessante Krimi aus der Zeit gelesen. "Der zerrissene Vorhang" von Kate Ross. Dort war auch ein Mädchen aus begütertem Haus durchgebrannt mit der "Liebe ihres Lebens". Der interessierte sich dann aber nicht mehr dafür und sie landete erst auf der Straße und dann in einem Heim für "gefallene Mädchen". Oder auch Besserungsanstalt, wo sie dann Buße tun und hart arbeiten mußte. Tolles Schicksal!
Und die Herren Willoughby und Wickham hatten ja mitnichten vor, die verführten Damen zu heiraten. Denen ging es nur um das Eine.
Ich finde sie, nur weil ihre Opfer jeweils naive Mädchen waren, nicht minder "schurkig", denn sie haben ja die Naivität ihrer Opfer schamlos ausgenutzt. Sieht man dann dazu Henry Crawford, der ja auch ein "Schurke" ist, liegt die Sache anders. Maria Bertram war ja kein naives Kind mehr, sondern eine erwachsene Ehefrau, die sich der Konsequenzen durchaus bewußt war.
Grüße,
Kerstin

Geschrieben Dienstag, Mai 10, 2005 @ 11:09:56 von Lizzy

Hallo,
also zum "Schurkenthema" muss ich auch noch mal was schreiben.
Ich teile Darcymanias Meinung, dass Willoughby nicht in den Schurken-Topf gehört, überhaupt nicht; muss sogar aufs Strengste protestieren.
Er ist meiner Meinung nach der Schlimmste von allen Schurken, die Jane Austen jemals in die Welt gesetzt hat. Ich habe im Nachwort von "Verstand und Gefühl" eine Passage gefunden, die das unterstreicht:
"Frank Churchill in 'Emma' ist gedankenlos, aber nicht böse; Wickham in 'Pride and Prejudice' ein Blender, der ein Mädchen verführt, sie aber wenigstens heiratet; John Thorpe in 'Northanger Abbey' ist dummdreist, aber nicht verworfen. Willoughby in 'Sense and Sensibility' aber ist ein veritabler Schuft. Er hat ein Mädchen verführt und sie mit einem Kind sitzen gelassen, er heiratet nur des Geldes willen, trinkt, um seine Reue über die fehlgeschlagene Ehe zu betäuben, und spricht von seiner Frau mit einer Verachtung, die Elinor bestürzt."
Da hat Christian Grawe mal wieder völlig recht!
Und dass Willoughby gerade das Herz der romantischen Marianne erobert, ist vor diesem Hintergrund geradezu bitter. Aber vielleicht hat Marianne in den Augen von Jane Austen diesen Schurken "verdient", um von ihren romantischen Ideen geheilt zu werden. Ein liebenswürdigerer oder harmloserer Schuft hätte das nicht geschafft; sie hätte Entschuldigungen oder Ausreden für ihn finden können. Für mich gibt es aber so etwas wie späte Rache an Willoughby: Er führt eine miserable und unglückliche Ehe und ist wohl selten zuhause. Und diese Zeit wird wohl länger dauern als die, die er bis dahin schon auf der Welt verbracht hat. Aber Marianne blieb das alles erspart; sie ist glücklich mit ihrer zweiten Liebe. "Lieber glücklich mit der zweiten, als unglücklich mit der ersten Liebe!", könnte man wohl zusammenfassen.

Wieder einmal erkennt man, dass Jane Austen keines Falls die liebe gute Romanschriftstellerin war, die nichts zu sagen hatte, sondern sich kritisch und satirisch mit dem damaligen Leben auseinandersetzte.

Liebe Grüße,
Lizzy

beate
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Geschrieben Donnerstag, Mai 12, 2005 @ 13:47:53  

Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @ 08:01:20 von Darcymania
Mit Willoughby hast du sicherlich recht, obwohl ich ihn ja zuerst eher als gedankenlosen Hallodri bezeichnet hatte, der nicht unbedingt kaltblütig plant, sondern eher von einem Problem ins nächste stolpert und nicht weiß, wie er damit umgehen soll (und dann lieber wegrennt).
"Wickham ist ein Blender, der ein Mädchen verführt, sie aber wenigstens heiratet" ... hm ... da bin ich nicht so ganz einverstanden. Denn ohne Mr. Darcy (und dessen Kohle) hätte Wickham doch mit Sicherheit keine Skrupel gehabt, Lydia sitzenzulassen, oder?

Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @ 08:20:53 von julemaus09

Ja, das denke ich auch. Es ist meiner Meinung nach nur Mr.Darcy zu verdanken, dass Wickham Lydia doch heiratet.
Außerdem war er ja bei Georgiana auch nur auf deren Geld aus, also passt er auf jeden Fall in die "Schurken-Schublade"!
UND, dass er Lizzy irgendwelche Lügen über Darcy auftischt ist ja auch absolut daneben, deshalb finde ich, beschreibt man Wickham mit "Blender" noch zu harmlos.
LG Julia

Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @ 08:34:41 von Bruki

Das mit der Heirat sehe ich auch so (obwohl ich im Fall von Lydia nicht so sicher bin, wer von den beiden die treibende Kraft bei der "Flucht" war... - Lydia hat es ja auch faustdick hinter den Ohren - "Look what a handsome husband ..." )

Bei Wickham kommt mir auch noch in den Sinn, dass er ein notorischer Wiederholungstäter ist (denkt mal an die arme Georgiana)...

Wickham kommt mir teilweise auch wie ein bequemer (in jeder Beziehung fauler) Mensch vor, der lieber dünne Bretter bohrt und sich dadurch immer wieder selber in Schwierigkeiten reinreitet - und dann den Problemen lieber mit einer Flucht begegnet als sie auszuräumen (Verzicht auf die mit Arbeit verbundene Pfarrstelle, rasantes Verschleudern des als Abfindung erhaltenen Geldes, versuchte heimliche Heirat mit Georgiana, enthusiastischer Neubeginn bei der Miliz, bei Lizzy nicht vorangekommen also auf Ms King losgegangen, als er bei der auch nicht zum Zuge kommt mit Lydia durchgebrannt... ) Am Ende war er wohl tief im Innersten "froh", dass Darcy ihm eine Stellung verschafft hat... Obwohl er mit der auch nicht sooo zufrieden war und obwohl er, wie Jane Austen berichtet, etwas über seinen finanziellen Verhältnissen lebte, hat er es doch durchgehalten und ein gewissen Maß an "Beständigkeit" an den Tag gelegt (scheint mir)...

Bruki

Lizzy
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Geschrieben Mittwoch, Mai 25, 2005 @ 13:15:56  

Nach langem Überlegen und lesen der entscheidenden Passagen in den entsprechenden Büchern, nochmal meine Anmerkungen zu diesem Thema.
Also, es ist sicherlich etwas schwierig bzw. gefährlich die einzelnen Schurken (also in diesem Falle Willoughby und Wickham) direkt zu vergleichen. Ich fange einfach mal mit meinen Überlegungen zu Wickham an: Ich stimme Euch im Großen und Ganzen zu. Mir ist aber noch etwas aufgefallen. Ich stelle hiermit die These in den Raum, ob Wickham mit der Flucht mit Lydia nicht Elizabeth, ganz abgesehen von ihrer Familie, schaden wollte. Er hat nämlich geahnt, dass sich da etwas zwischen Darcy und Elizabeth entwickelt. Was deutet darauf hin? Elizabeth deutet in ihrem letzten gemeinsamen Gespräch mit Wickham so einige Dinge an, aus denen er erkennen muss, dass sie über ihn Bescheid weiß und sie nun ein anderes Bild von Darcy hat. Jetzt wird es Einwände geben, die besagen, dass Wickham ja nicht wissen kann, ob Darcy etwas für Elizabeth empfindet. Aber wer hätte es Lizzy denn erzählen sollen? Bleibt eigentlich nur Mr. Darcy und der würde es nicht gerade Jedem auf die Nase binden, was damals so alles passiert ist. Es bleibt sicherlich noch Colonel Fitzwilliam, aber der hätte so etwas sicherlich nicht Lizzy erzählt.
Wickham läuft also auch mit Lydia davon, um sich an Darcy zu "rächen", indem er seine möglichen Heiratspläne zerstört. Denn eine Frau aus so einer "gefallenen" Familie würde Darcy aufgrund seines Standesdünkels nie heiraten (denkt sich zumindest Wickham und da hat er sicher gar nicht mal so Unrecht). Dass Darcy ihm eine Heirat mit Lydia ermöglicht und er dafür noch für seine Verhältnisse viel Geld bekommt, hätte er sich nicht mal im Traum gedacht.
Diese These würde Wickham sicherlich zu einem noch größeren Schuft machen, als er so schon ist. Was haltet Ihr davon?

Jetzt nochmal kurz zu Willoughby. Ich halte ihn immer noch für den größten Schuft, denn er hätte die angenommene "Tochter" (Beth oder Elizabeth?) Colonel Brandons heiraten können. Seine Tante machte den Vorschlag und hätte er ihn angenommen, so hätte er sein Erbe ja gehabt und hätte nicht "arm" sein müssen. Er selbst sagt aber zu Elinor, dass er nicht "konnte". Er wollte jetzt wohl lieber Marianne heiraten, aber das wäre so und so nicht mehr möglich gewesen. Nein, er hat seine Pflicht (kann man es so nennen?) verletzt und eine Frau sowie sein Kind ins Unglück gestürzt. Gut, vielleicht lag es ja nicht nur an ihm, es bedarf ja für so etwas immer zwei. Aber ich erinnere nur mal an "Faust": Faust hätte wissen müssen, was passiert, wenn er mit Gretchen das Bett teilt, denn sie war noch jung und naiv. Gut, Faust ist älter als Willoughby, aber die wußten damals schon Bescheid. Die sind schon damals nicht auf der Wassersuppe hergeschwommen.
Also, kurz und gut, Willoughby bleibt für mich der Schlimmste von allen, weil er andere (nenne ich es mal unschuldig, wenn ich an das Kind denke) ins Verderben stürzt, nur damit er glücklich wird. So funktioniert das Leben aber meistens nicht.

So, ich hoffe ihr habt alle verstanden worauf ich mit meinen Ausführungen hinauswollte. Wenn ich doch bei einem Gedankengang zu schnell gewesen bin, dann entschuldigt bitte. Ich musste eben alles schnell "auf Papier bringen" .

Viele Grüße,
Lizzy

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MierschB
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 11:44:02  

Hallo Lizzy,

das mit Wickham ist sehr scharfsinnig von Dir... Ich finde das bemerkenswert, wie Du so um die Ecke denken kannst - ganz ehrlich... Ich bewundere das - wir sind wohl Seelenverwandte? ... - Obwohl ich ja nicht glaube, dass er mit seinen fiesen Ideen irgendwie durchkommen kann, denn ich halte Darcy für einen viel zu ehrenhaften und verliebten Menschen, als dass er sich von solchen Nebensächlichkeiten wie Wickham oder Lydias Flucht davon abhalten ließe, sein Ziel weiter anzusteuern.

Deine Namensvetterin hat sich übrigens auch schon Gedanken darüber gemacht, warum Wickham wohl ausgerechnet mit Lydia durchgebrannt ist...

Im Kapitel 51, das ich heute früh las, stellt Elizabeth bezüglich Wickham und Lydia fest:

Mit Wickhams Zuneigung zu Lydia stand es genauso, wie es Elisabeth erwartet hatte; sie war in ihn viel mehr verschossen als er in sie. Nach allem, was aus den Tatsachen hervorging, hätte Elisabeth diese Beobachtung gar nicht nötig gehabt, um zu wissen, daß Lydia der treibende Teil in jener Liebes- und Fluchtgeschichte gewesen war; sie hätte sich eher gewundert, weshalb er überhaupt mit ihr durchgebrannt war, da er sie ja gar nicht wirklich liebte, wenn ihr nicht klar gewesen wäre, daß er wegen seiner Schulden sowieso fliehen mußte, und in solch einem Fall ließ ein Mann wie Wickham sich die Gelegenheit nicht entgehen, dabei eine Gefährtin zu haben.

Das kommt dem nahe, was ich etwas früher im Thread auch schon vermutet habe...

Und weiter beobachtet Elizabeth:

Lydia war ihm außerordentlich zugetan. Es war ihr lieber Wickham vorn und ihr lieber Wickham hinten; niemand ließ sich mit ihm vergleichen. Er war der allertüchtigste Mensch in der Welt, und sie war fest davon überzeugt, daß er am ersten September mehr Vögel erlegen würde als jeder andere im Land.

Das wird auch ein Grund gewesen sein, warum Wickham ohne Lydia nicht den Schwanz einkneifen und vor seinen Schulden stiften gehen wollte... Im Übrigen ist das eine Feststellung Elizabeth' (und Jane Austens) über eine Besonderheit der meisten Männer, die zeigt dass beide eine Menge von den Bedürfnissen (und Schwächen) der Männer verstanden.

Bruki

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Kerstin
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 12:54:29     ICQ

Einwand... Lizzy war vorher schon nicht standesgemäß. Mit einer unverheirateten Schwester, die in "Sünde" lebt, hätte er sie NIEMALS heiraten können. Darum war Lizzy ja auch so verzweifelt, weil sie wußte, dass ihre GANZE Familie jetzt in Schande leben muß.
Jeder Mann hätte sich schnellstens verdrückt.....
Grüße,
Kerstin

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Sonja
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 14:38:06  

Also ich finde Lizzy These auch interessant, kann ihr aber am Ende nicht folgen. Und die Antwort gibt Jane Austen selbst: Bruki hat das schon sehr schön zitiert. Er musste auf Grund seiner Schulden sowieso zusehen, wie er Land gewinnt. Und er hatte nichts dagegen, Lydia dabei zu haben, die dumm genug schien, alles mitzumachen, ohne sich der Konsequenzen bewußt zu sein. Und auch laut Jane Austen (sinngemäß): aus dem Verhalten der Mutter und dem gleichgültigen Verhalten des Vater Bennets konnte er schließen, dass niemand ihm energisch genug folgen würde.

Ich denke nicht, dass er eine Heirat verhindern wollte, weil er sicher nicht damit rechnen konnte, dass die Zuneigung Darcys soweit geht und das Lizzy ihre Abneigung so gründlich ins Gegenteil verkehren könnte. Es hat sich für ihn einfach so ergeben, da Lydia sich ihm so an den Hals warf.

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Lizzy
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 15:40:20  

Mmmhhh....
Also zunächst meine ich, dass man vorsichtig sein muss, was Elizabeth über Wickham und Lydia denkt. Jane Austen hat das schlau gemacht: sie gibt uns keine objektive Sicht, sondern wir sehen das Geschehen mit den Augen, Wissen und Gefühlen von Elizabeth, also eher subjektiv. Lizzy kann und wird niemals wissen, was Wickham damit bezweckt hat, mit Lydia davonzulaufen.
Beim letzten Gespräch Wickhams und Lizzys sagt letztere über Darcy: "In essentials, I believe, he is very much what he ever was.'' Zu beachten ist hier das "he" und Lizzy wird das sehr betont haben. Im Umkehrschluss lässt sich daraus folgen, dass sie ihre Meinung nicht über Darcy geändert hat, sondern die über Wickham selbst. Und dann geht Lizzy ja noch weiter: "When I said that he improved on acquaintance, I did not mean that either his mind or manners were in a state of improvement, but that from knowing him better, his disposition was better understood.'' Aha, sie kennt jetzt also Dracy besser und versteht auch seine Wesensart. Ein weiteres Zeichen, denke ich. Also, ich muss auch hier wieder sagen, dass damalige Leser sicherlich mehr aus Lizzys Worten herausgelesen haben könnten.
Dass Lydia sich Wickham an den Hals warf, bestreite ich nicht. Aber warum hat er sie denn mitgenommen? Ich hätte es nicht getan (gut, ich bin auch kein Mann ), aber erstens ist sie nervig, hat nicht viel im Kopf und Geld hat sie auch nicht. Und letzteres ist Wickham ja nicht gerade unwichtig, siehe seine mißglückte Flucht mit Georgiana. Er hätte einfach in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Brighton verlassen können, ohne Lydia. Das er mit Lydia "seinen Spass" gehabt hat, ist natürlich ein triftiger Einwand, aber für so "flach" halte ich ihn einfach nicht.

@ Bruki: Dass Darcy verliebt war, steht wohl ausser Frage. Das haben die meisten auch nie bezweifelt. Übrigens habe icherst vor kurzen in Richard Jenkyns Buch die These gelesen, dass Darcy von allen "Helden" derjenige war, "indem das sexuelle Begehren am offenkundigsten und überwältigsten ist. Denn was macht er anderes, wenn er seinen ersten Antrag an Elizabeth macht, als ihr zu sagen, dass er so verzweifelt ist, sie ins Bett zu bekommen; dass er sie heiraten wird selbst wenn es einen Absteig für ihn bedeuten sollte." (freie Übersetzung meinerseits) Zugegeben, ganz schön drastisch ausgedrückt, aber dieser Mann hat nicht ganz unrecht.

Sich freuend über eine wunderbare Diskussion,
Lizzy

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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 15:55:33  

Quote:
Erstellt von Lizzy
Dass Lydia sich Wickham an den Hals warf, bestreite ich nicht. Aber warum hat er sie denn mitgenommen? Ich hätte es nicht getan (gut, ich bin auch kein Mann ), aber erstens ist sie nervig, hat nicht viel im Kopf und Geld hat sie auch nicht. Und letzteres ist Wickham ja nicht gerade unwichtig, siehe seine mißglückte Flucht mit Georgiana. Er hätte einfach in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Brighton verlassen können, ohne Lydia. Das er mit Lydia "seinen Spass" gehabt hat, ist natürlich ein triftiger Einwand, aber für so "flach" halte ich ihn einfach nicht.

Eben Lizzy, Du bist kein Mann. Und ich glaube schon, dass sich die meisten Männer eine solche Gelegenheit wohl kaum entgehen lassen würden. Und für genauso flach halte ich ihn. Er ist Daniel Cleaver. Er fürchte für sich keine Konsequenz als ein Betthäschen für die Nacht. Und Wickham hat schon öfter bewiesen (sein Lebenswandel in Cambridge), dass er nicht der Mann ist, sich solch eine Gelegenheit entgehen zulassen, die sich ihm dann auch noch so an den Hals wirft, fehlender Geist hin, Geldmangel her.

Und wie Du sagst, sagt Lizzy in diesem letzten Gespräch mit Wickham, dass sich ihre Meinung über Wickham geändert hat, nicht unbedingt ihre über Darcy. Woher sollte Wickham also ahnen? Zumal Lizzy aus meiner Sicht selbst noch nicht dieser Meinung war. Wir erinnern uns, es war unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus Hunsford, unmittelbar nach dem 1. Antrag und unmittelbar nachdem sie erfahren hatte, wer Jane so übel mitgespielt hat. Sie hatte von Wickham nun eine schlechte Meinung, aber ihre Meinung über Darcy begann gerade erst sich zu wandeln. Da war von Liebe noch keine Spur. Sie begann erst damit, ihm Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, was dann letztendlich nach Pemberley in der Erkenntniss gipfelte, dass ihr Darcys Meinung über sie sehr wichtig ist und dass sie ihn sich sehr wohl als Mann vorstellen kann.

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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 16:14:41  

Die Einwände sind gut. Ich will immer noch nicht ganz glauben, dass viele Männer doch so sind . Aber wir könnten doch annehmen, dass es Wickham so verstanden hat, dass da Gefühle im Spiel sind. Ihm war klar, dass Darcy die Geschichte mit Georgiana nur einem "vertrauten" Menschen erzählen würde. Dass es "nur" ein Rechtfertigungsbrief an eine relativ Fremde war, hätte man von Darcy doch nicht gedacht. Ob es Lizzy so gemeint hat, wie Wickham es verstanden hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 16:34:10  

Quote:
Erstellt von Lizzy
Die Einwände sind gut. Ich will immer noch nicht ganz glauben, dass viele Männer doch so sind .

Da grinse ich jetzt einfach mal ganz breit *ggggggggggggg*. Und ob viele so sind sei dahingestellt, aber wenn Wickham so nicht ist, wer dann?

Und Wickham weiss doch nicht, dass Lizzy es von Darcy hat. Es kann vom Colonel sein. Es kann auch von den Bingleys kommen (die ja zumindest wissen, dass da was war). Ich weiß nicht, ob Wickham wusste, wer die Details der Geschichte wusste. Und eigentlich weiß er ja auch nicht, auf welche Geschichte Lizzy anspielt. Sie kann genausogut seine Lüge von der vorenthaltenen Pfarrei meinen, die er sich von Darcy hat auszahlen lassen. Schon wegen dieser faustdicken Lüge hätte Lizzy allen Grund Wickham zu verachten. Ihre Worte passen auch darauf. Und Darcy hätte keinen Grund diese Geschichte auf Nachfrage nicht zu erzählen, denn er hat sich ja absolut korrekt verhalten. Und Wickham war auch schlau genug nicht nachzufragen.

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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 20:07:56  

Och... - 'ne Diskussion ohne mich - ist ja geradezu pervers sowas... jetzt fühle ich mich beinahe wie Lady Catherine...

@Kerstin: Ich denke, dass es evtl. nicht ganz so schlimm um Lydia stand wie Du vermutest... Ashton Dennis hat z.B. diverse Fälle von solchen "Seitensprüngen" aufgezählt, die damals bis in die höchsten Kreise der Gesellschaft scheinbar "üblich" waren. Und die Scheinmoral á la Mr. Collins hat wohl erst in der späteren Viktorianischen Periode Raum gegriffen. Irgendwo hab ich mal gelesen (kann es aber nicht mehr belegen wo), dass zu Austens Zeiten 100.000 Hochzeiten mit schwangeren Frauen geschlossen wurden. - Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber wenn, dann war vorehelicher Sex sicher keine Ausnahme, sondern geradezu üblich... Ansonsten müsste man sich wundern, warum zu Dickens Zeiten diese berühmt-berüchtigten "Häuser für gefallene Mädchen" so ins Kraut schossen...

Also nochmal: Ich glaube nicht, dass sich Darcy von solchen "Nebensächlichkeiten" wie die "öffentliche Meinung" von Elizabeth fernhalten ließe. Es wird ihm nicht so einfach gewesen sein, aber am Ende hat er sich ja auch von seiner stärksten Widersacherin - seiner Tante de Bourgh - nicht beeindrucken lassen (und die soll ja sehr "offenherzig" in ihren Ausdrücken gewesen sein - was auch Jane Austen selber anmerkt, als sie auf die Verstimmung wegen der für Elizabeth "beleidigenden Ausdrücke" in Lady Catherines Reaktion auf die Hachzeitsanzeige hinweist).

Ich möchte auf eine Besonderheit seiner (und Jane Austens) Vorstellung vom vollkommenen Gentleman (und -woman) hinweisen: Er sah das sicher nicht als eine Folge der Vererbung wie ihm unterstellt wurde (z.B. von Elizabeth), sondern als eine Frage von Bildung (im engl. "Education" ) und Charakter (bei den Austens hieß das "Nature" ). Hier ein Zitat aus seinem Brief an Elizabeth:

Die Familienverhältnisse Ihrer Mutter bedeuteten, wenn sie auch Grund zu Bedenken gaben, nichts im Vergleich mit dem völligen Mangel an Lebensart, den sie selber so häufig, ja beinahe dauernd verrät und den sich auch Ihre drei jüngeren Schwestern und gelegentlich sogar Ihr Vater zuschulden kommen lassen. ... Aber bei allem Unwillen über die Mängel Ihrer nächsten Verwandten und bei allem Mißvergnügen, diese Mängel hier aufgeführt zu sehen, sollte Ihnen die Tatsache ein Trost sein, daß Ihr Verhalten nie auch nur den geringsten Anlaß gegeben hat, Sie in diesen Tadel einzubeziehen, was Ihnen und Ihrer ältesten Schwester nicht nur allgemeine Hochachtung eingetragen hat, sondern auch Ihrem Verstand und Ihrem Charakter zur höchsten Ehre gereicht.

Ich erinnere auch an das Gespräch zwischen Elizabeth und Lady Catherine im Park von Longbourn:

"In marrying your nephew, I should not consider myself as quitting that sphere. He is a gentleman; I am a gentleman's daughter; so far we are equal."

Hier stoßen zwei Ansichten von Aristokratie aufeinander: Die Dünkelhafte, die sich lediglich auf Abstammung und Besitz gründet, und die, bei der die menschlichen Qualitäten (Nature and Education) im Mittelpunkt stehen (ohne die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft ganz aus den Augen zu verlieren).

So gesehen war die englische Gentry (als mittelständische Elite) sicher viel "demokratischer" und "durchlässiger" als die anderer europäischer Staaten (mal Frankreich außen vorgelassen), und damit auch attraktiver für "Aufsteiger", die den Anspruch der Elite auf Führung immer wieder zu erneuern und damit erhalten konnten. (In Pesuasion wird das - wie ich meine - sehr schön dargestellt, wenn die Selfmade-Men der Flotte die alteingesessenen Grundbesitzer wie die "Eliots" einfach rechts und links liegen lassen und deren führende Rolle in der Gesellschaft - samt ihres Grundbesitzes - kurzerhand übernehmen... )

Ich hoffe, ich habe mich hier nicht allzu verworren ausgedrückt - und halbwegs erklären können, was ich meine...

Bruki

PS: He Leute, heute ist ein Rekordtag: der Spitzenreiter der Anzahl der täglichen Seitenzugriffe ist nach Monaten mal wieder überboten worden... Und ich hab heute in der Sonne gelegen und die letzten Kapitel von P&P gelesen... Na, wenigstens hab ich meine Zeit nicht vergeudet während hier Rekorde geschmiedet wurden.

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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 23:00:46     ICQ

Bruki, warum sollte Mr. Bennet schlagartig nach London aufbrechen, seine Frau noch hysterischer werden, als sie ohnehin schon ist und Lizzy vollkommen aufgelöst sein, wenn es nicht ein Skandal wäre, der die Familie ruiniert?
Für einen Mann mag das ja alles "nicht so schlimm" gewesen sein, bei jungen Männern drückte man gerne mal ein Auge zu, aber bei Frauen? Gesellschaftlich war das so ziemlich das Ende.
Schau dir doch mal die Austenromane an... Maria Bertram nach ihrem Fehltritt mit ihrer Tante in die Verbannung geschickt, die Jugendliebe von Colonel Brandon stirbt in Armut, Marianne wird schräg angesehen, weil sie ALLEINE mit Willoghby unterwegs war. Der Ruf einer Frau war sehr schnell zerstört und wenn sie Pech hatte, der Ruf der Familie direkt mit.
Das gab es nicht erst in der viktorianischen Zeit.
Wenn die Mädchen Glück hatten, dann wurden sie verheiratet ( wie Lydia), bevor irgendwas herauskam. Oder der Fehler wurde vertuscht, wie bei Emmas Freundin, die von ihrer Mutter ja dezent versteckt wurde, damit man den Fehltritt nicht bemerkt.
Dummerweise ist Wickham aber ziemlich offensichtlich mit Lydia durchgebrannt, also gabs da nichts mehr zu vertuschen, da konnte nur noch eine Heirat sie retten.
Ich habe einen sehr interessanten Kriminalroman aus der Zeit gelesen, der sich auch damit beschäftigt:
Kate Ross, der zerrissene Vorhang. Da brennt auch eine junge Dame mit ihrer "großen Liebe" durch, doch leider hält das nicht lang. Sie endet in einem Besserungsheim für gefallene Mädchen....
Grüße,
Kerstin

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Kerstin
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 23:10:29     ICQ

Und es wäre ja langweilig, wenn sich bei Google nicht was finden würde zu diesem Thema!

They can be lighthearted romps or full of angst, but the rules of Society and polite behavior govern the characters' actions. If the hero and heroine break the rules, they will suffer the consequences, and they must deal with those consequences within the constraints of Society. For example, if an unmarried man and woman are discovered alone (i.e, without a chaperone), the woman is compromised in the eyes of Society. An honorable man would feel compelled to propose. The woman would have to accept or else be ruined. It doesn't matter if they can't stand the sight of one another; the wedding satisfies the conventions. Society and societal expectations play a very strong role in traditional Regencies -- almost as if Society were a character. Zu finden hier
Und einen weiteren, kleinen Einblick in die Etikette gibt es hier

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MierschB
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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 10:22:30  

Ich möchte den vielen scharfsinnigen Erwägungen zu Wickhams Charakter hier keine weiteren hinzufügen, sondern frage mich und euch: Wie ist er wohl so geworden, wie er von Jane Austen geschildert wird? Er ist zusammen mit Darcy aufgewachsen, hat möglicherweise die selben Lehrer wie er gehabt, sie studierten zusammen... Was hat ihn veranlasst, sich so völlig anders zu entwickeln als sein Jugendfreund Darcy?

Ein paar Anhaltspunkte liefert Jane Austen uns ja im Roman: Sein Vater ist ein ehrenwerter Mann, aber als Rechtsanwalt möglicherweise nicht der Erstgeborene. Andererseits scheinen weitere Verwandschaft nicht vorhanden zu sein, so dass er auch aus ärmeren Verhältnissen stammen könnte und sich hochgearbeitet hat. Die Darcys werden sicher keinen Blender oder Leichtfuß mit der Verwaltung ihrer Ländereien und ihres Vermögens betraut haben... War er ein Workaholic, der sich nicht um seine Familie kümmerte?

Wickhams Mutter ist wohl eine leichtfertige Dame gewesen, die der Verschwendung zugeneigt zu sein schien, die sich gegen ihren Mann durchsetzen konnte und das Familieneinkommen der Wickhams dauerhaft überzog und vergeudete... War ihr Charakter ausschlaggebend für Wickhams Fehlentwicklung? Kommt von ihr seine Fähigkeit sich überall beliebt zu machen?

Hatte Wickham Träume von Ruhm und Reichtum, und verachtete die Mühe sie zu erwerben? Hatte das Beispiel seines Freundes Darcy ihn verdorben? war er auf dessen Situation neidisch? Darcy, der ja " mit einem goldenen Löffel" im Hintern geboren wurde war sicher sein Vorbild in seiner Jugend. Wollte er auch so sein wie er, und es fehlten ihm die Mittel dazu - sowohl die finanziellen als auch die charakterlichen?

Er macht ja immer wieder neue Versuche sich zu etablieren: In der Kirche (seine Studium), als Dandy (was ihm die Abfindung für die Patronatsstelle eine Zeitlang finanziert), als Ehemann einer reichen Frau (Georgiana), als Offizier in der Miliz und als Armeeangehöriger... Er scheint jedesmal eine veritable Bruchlandung hinzulegen und dann von seinen Schwierigkeiten und Problemen, in die er sich selber hineinmanövriert hat, zu fliehen... Das scheint ein feststehendes Muster seiner "Krisenbewältigungestrategie" zu sein... Und am Ende als ihm England zu klein wird, weil er keinen Ort mehr kennt, wo man ihn noch aufnehmen würde, plant er seine Bemühungen ins Ausland zu verlegen (wo er eine reiche Erbin zu finden hofft)... Wohl eher eine infantile Hoffnung...

Wie ist er nur so geworden? Frag ich mich und euch...

Bruki

PS: Bei der Gelegenheit könnte man auch mal fragen, wie Jane Austen sich eigentlich Kindererziehung und Charakterbildung bei Kindern vorstellte. Die fünf Bennet-Töchter sind ja da ganz hervorragendes Anschauungsmaterial (aber das passte eher in den P&P-Threat)...

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MierschB
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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 10:29:11  

Oje Kerstin,

Du googelst mich jedesmal an die Wand...

Ich dachte nur daran, dass die Merytonschen Klatschbasen sich nach der Heirat Lydias darüber enttäuscht äußerten, dass nicht "schlimmeres" (sie drückten es wohl so aus: "Sensationelleres" ) geschehen war... Was sich die "öffentliche Meinung" unter "Schlimmerem" vorstellte, war folgendes: Lydia wird in ein abgelegenes Bauernhaus verfrachtet und man hört nie wieder etwas von ihr...

Und nachdem Jane und Bingley verlobt sind, ist man im Meryton und Umgebung allgemein der Ansicht, dass die Familie (nachdem sie eben noch die unglücklichste der Welt war) nun zu den Glückspilzen Englands und somit der ganzen Welt gehören müsse... - So schnell kann sich das tiefste Unglück in sein Gegenteil wandeln... wenn man die öffentliche Meinung höher bewertet als den Zusammenhalt der eigenen Familie... Was ich damit sagen will, ist, dass es neben dem höheren Druck der Gesellschaft (society) aber auch den viel stärkeren Zusammenhalt der Familien gab (s. z.B. den der Austens, die ja auch keine der Damen des Familien-Clans hängen liessen - wie z.B. Eliza de Feuilidae - ich hoffe ich hab das jetzt richtig geschrieben... )

Bruki

PS: Lord Nelson, der Prinz der Wale, seine Frau, Mary Wollstonecraft - alles Skandalnudeln der damaligen besseren Gesellschaft...

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Benjamin
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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 11:52:26  

Dumm, war gestern zum High Noon der Diskussion nicht im Internet...

Ich habe den Eindruck, dass Jane Austen in P&P bewusst den Kontrast zwischen der Wickham/Lydiaschen Ehe und den Ehen von Jane und Lizzy herausstellt. In beiden Fällen geht es gewissermaßen gegen die "Society" (ich schreibe die in Reaktion auf Kerstins "Google-Text" mal groß) und ihre Erwartungen, doch mit unterschiedlichen Bedeutungen. Lydias Verhalten ist leichtsinnig und naiv und führt deshalb an den Abgrund zum Ruin. Das der älteren Schwestern jedoch wohlüberlegt und Folge eines Reifeprozesses - deshalb endet es "gut". Kurz gesagt: Jane, Elizabeth, Darcy und Bingley machen eine Entwicklung durch, Wickham und Lydia nicht, deshalb muss ihr Lebensweg langsam aber sicher zum Abgrund steuern (das wäre gewissermaßen das "schurkische" Element Wickhams). Nun stellt sich für mich die Frage: Wollte Jane Austen uns damit etwas moralisches auf den Weg geben? Wollte sie uns (bzw natürlich die Leser der damaligen Zeit) Tipps geben bezüglich unseres Lebenswandels?

Interessanterweise endet der Verstoß gegen die society rules nicht immer negativ: Wollte JA damit ausdrücken, dass man durchaus auch gegen die Konvention handeln darf - sogar muss, wenn die eigenen, wohlbedachten Gefühle es gebieten? Ich glaube, solche Überlegungen sind legitim.

Aber: Es kommt immer darauf an, denn Lydia denkt nicht nach, handelt nicht verantwortungsbewusst und wird deswegen von der Gesellschaft gestraft. Und ich glaube, Jane Austen billigte solche Sanktionen der Society.

War das provokant? Freue mich auf Diskussion...

beate
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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 14:13:44  

Hallo, Benjamin,

Quote:
Erstellt von Benjamin
Nun stellt sich für mich die Frage: Wollte Jane Austen uns damit etwas moralisches auf den Weg geben? Wollte sie uns (bzw natürlich die Leser der damaligen Zeit) Tipps geben bezüglich unseres Lebenswandels?

Das wollte sie sicherlich. Ganz deutlich wird das bei S&S, in dem Gespräch ziwschen Marianne und Elinor. Elinor: "Vergleichst du dein Verhalten mit seinem (Willoughbys)?" "Marianne: "Nein. Ich vergleiche es mit dem, was es hätte sein sollen; ich vergleiche es mit deinem." Und auch Marianne kann erst glücklich werden, nachdem sie ihr Verhalten reflektiert hat und daran gereift ist.

Quote:
Interessanterweise endet der Verstoß gegen die society rules nicht immer negativ: Wollte JA damit ausdrücken, dass man durchaus auch gegen die Konvention handeln darf - sogar muss, wenn die eigenen, wohlbedachten Gefühle es gebieten? Ich glaube, solche Überlegungen sind legitim.

Jane Austen sah nicht die "society rules" als Maß aller Dinge, manches daran gab sie ja auch der Lächerlichkeit preis. Aber sie legt hohe moralische Maßstäbe an das Verhalten ihrer Protagonisten.

Quote:
Aber: Es kommt immer darauf an, denn Lydia denkt nicht nach, handelt nicht verantwortungsbewusst und wird deswegen von der Gesellschaft gestraft. Und ich glaube, Jane Austen billigte solche Sanktionen der Society.

Ich denke auch, das tat sie. Allerdings denke ich war sie weniger streng, wer sich besserte, verdiente bei ihr schon eine Chance.

Quote:
War das provokant? Freue mich auf Diskussion...

Nein

Grüße,
Beate

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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 19:27:34     ICQ

Ehm, nein Bruki, die wäre u.U. nicht auf "dem Land" verschwunden, sondern in London. Und als Mädchen hatte man jetzt nicht grade eine große Berufsauswahl... Dienstmädchen konnte sie ohne Zeugnisse nicht werden, alle anderen Stellen, wo man Referenzen braucht, entfielen auch. Was blieb da wohl übrig?
Vermutlich wäre Lydia irgendwann auf dem Strich gelandet.
Jane Austen umschreibt es zwar vornehm, aber genau das ist der Jugendliebe von Colonel Brandon passiert. Sie wurde von "Mann zu Mann" weitergereicht....
Grüße,
Kerstin

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Geschrieben Samstag, Mai 28, 2005 @ 09:05:13  

Hallo,

ich hab gestern zufällig im Nachwort der "Vernunft und Gefühl" - Ausgabe des Manesse-Verlages geblättert und dabei feststellen müssen, dass die Schweizer Willoughby gar nicht als Schurken einsortiert haben:

Ach, Willoughby, der Herzensbrecher! Vorfahr der Helden aus "Vom Winde verweht". Willoughby als unbekümmerter Draufgänger, Inbegriff der Jugend (dem sogar Elinor verzeiht), die Barutsche kutschierend, von Hunden umbellt, im Reitanzug vorzustellen... Willoughby, ein Mädchentraum, dessen Abtrünnigkeit und Verruchtheit schwer glaubhaft zu machen ist, so hinreißend tritt er auf... er bleibt ein Weltkind mit der einen tieferen Erfahrung.

Kann man mal sehen...

Bruki

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Geschrieben Sonntag, Juni 5, 2005 @ 16:03:11  

Ich hab eben meine Lesung von „Gefühl und Verstand“ beendet – und muss jetzt einen Schurken in diesem Thread einführen, dessen Namen zu nennen bisher versäumt wurde: Miss Lucy Steele...

Was sind die Verführungskünste Willoughbys, die Verruchtheiten Wickhams, die Gemeinheiten Tilneys gegen die brutale Hinterlist dieser Lucy?! ... Eine Person, die Jane Austen noch ganz harmlos einführt: „Lucy hatte Mutterwitz, ihre Bemerkungen waren oft treffend und lustig, und als Gesellschafterin für eine halbe Stunde fand Elinor sie häufig angenehm. ...“ – Aber das ist nur die Fassade, dahinter verbirgt sich eine sadistische Lust andere zu quälen, eine Eigensucht, ein Egoismus, die seinesgleichen sucht, und eine intrigante Durchschlagskraft von wahrhaft machiavellistischer Qualität...

Während Elinor sie anfangs als etwas beschränkte, aber harmlose Zeitgenossin, die man mal eben so ertragen kann, unterschätzt, etabliert Lucy Steele sich im weiteren Verlauf des Romans im Leben der Dashwood-Schwestern und ihrer Verwandten... und verdrängt am Ende sogar Elinor und Edward aus der Gunst der Grande Dame des Familienclans... Auf dem Weg dahin bricht sie Herzen und Versprechungen – bohrt geradezu ihre spitzen Krallen in Elinor hinein und zerreißt mit der kalten Sachlichkeit eines Insektenforschers das arme Herz ihrer Nebenbuhlerin... Mit einer Skrupellosigkeit ohne gleichen benutzt sie den naiven Edward zur Durchsetzung ihrer egoistischen Interessen – und lässt ihn genauso skrupellos wieder fallen, als sie in seinem Bruder Robert Ferrars bessere Beute wittert. Ja, sie plündert dabei sogar ihre eigene Schwester Anne bis aufs Hemd aus und lässt sie mittellos in London zurück...

Lucy Steele ist eine begnadete Lügnerin, Schmeichlerin, Intrigantin, die stets die Macht wittert, sich unterordnen kann, aber auch keine Angst hat, sich mit der Leitwölfin des Ferrars-Clans – Mrs. John Dashwood – anzulegen, wenn der Ausbau und die Verteidigung ihrer Machtbasis es erfordern... – Dagegen ist doch Willoughby nur ein harmloser Stubentiger... und der am Ende nicht nur sich selber leid tut – sondern auch noch die Verzeihung und das Mitgefühl Elinors und Mariannes erlangt... So etwas weinerliches hat Miss Lucy Steele in keinen Phase ihres verruchten Lebens nötig: Sie ist immer und überall mit sich im Reinen – sie plagt kein Gewissen und ihre Opfer sind ihr völlig gleichgültig...

Am Ende kann man sich nur Jane Austen anschließen, die feststellt: „Lucys ganzen Benehmen ... und der Erfolg, von dem es gekrönt wurde, können ... als ein sehr ermutigendes Beispiel dafür angeführt werden, dass eine ernsthaft betriebene, beharrliche Verfolgung eigener Interessen, sosehr der Fortschritt dabei scheinbar auch gehindert werden mag, sich jeden Glücksvorteil sichern kann, ohne dass etwas anderes geopfert werden müsste als Zeit und Gewissen.“

Bruki

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Geschrieben Montag, Juni 6, 2005 @ 08:30:33  

Wir haben uns ja bisher nur um die Schurken gekümmert .... Schurkinnen - das ist ja nochmal ein weites Feld
Ist Lucy Steele der weibliche Mr. Elliot? Was Intrigen und kalt geplante Machtspielchen anbetrifft ist der ja immer noch mein "Liebling" ...

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Denk an die Vergangenheit nur insoweit, als sie dir freudige Erinnerung bietet.

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Geschrieben Montag, Juni 13, 2005 @ 20:28:39  

Hm, Kerstin,

ich hab heute auch mal etwas gegoogelt (bei mir heißt es gecopernicuckt )... Und dabei auch mal Deine Quellen für das Verhalten und die Sitten der Regency aufgesucht.

Ein von einer amerikanischen Hausfrauenschriftstellerin geschriebener Kriminalroman mit einem „schneidigen Dandy“ als Hauptperson kann wohl nicht ernsthaft als Beleg für das Verhalten der Menschen des Regency hergenommen werden, oder? Also, ich behaupte mal, dass Kate Ross Beschreibung des Lebens einer edlen Nutte und eines aus den besten Kreisen gefallenen Mädchens eher Phantasie als Realitäten darstellt... Und ich weiß nicht so recht, ob man die Ergüsse einer Groschenromanschriftstellerin (Susannah Carleton) so erst nehmen sollte... Deine Quelle Susannah Carleton beschreibt ja auf ihrer Website damals und heute geschriebenen Regency-Romancen...

Das wirkt auf mich jetzt so, als wolle man aus den Werken Hedwig Courths-Mahler Beweise extrahieren, wie Frauen und Männer im Wilheminischen Deutschland lebten... Oder als wolle man eine Abhandlung über politische Ökonomie mit den Sprüchen Onkel Dagoberts begründen?!

Ich hab leider keine deutschen Abhandlungen über das Leben im Regency gefunden... Aber in einer Festschrift der Universität Göttingen eine Menge über die englisch-deutschen Könige Georg I.-IV. und die Beziehungen zwischen Hannover und England in der damaligen Zeit. Zum Beispiel das hier über die deutsche Rezeption von Richardsons „Clarissa“:

Interessant ist auch die Diskussion über die für Haller so wichtige Glaubhaftigkeit und historische Richtigkeit der dargestellten gesellschaftlichen Konventionen. Obwohl Richardsons Roman für ihn „ein Meisterstück in der Abschilderung der Sitten“ war (GGA, 1749, S. 201), stellte er die Frage, ob denn in einer Nation, „die auf ihre Gesetze und auf ihre Freyheit so eifersüchtig“ sei, eine vornehme junge Dame monatelang in einem „liederlichen Haus“ gefangengehalten werden könne, ohne dass man Nachforschungen anstelle.
In seiner Antwort wies Richardson auf die besonderen, von Haller nicht vollständig beachteten Raumgegebenheiten des Hinterhauses hin, außerdem darauf, dass es Bösewichter wie Lovelace in jedem Lande, also auch im Lande der Freiheit, geben könne. Nun korrigierte auch Haller stillschweigend in einer etwas späteren Rezension (GGA, 1750, S. 610) seinen Standpunkt und bemerkte, dass die schändliche Behandlung der Clarissa „zwar eine Unzufriedenheit bey einem tugendhaften Leser, aber keinen Zweifel an der Wahrscheinlichkeit erwecken kann“. Hier wurde also der Kritiker durch den Autor zum Einlenken veranlasst.
(Theodor Wolpers, Literaturvermittlung zwischen Göttingen und England im 18. Jahrhundert)

Jane Austen hat übrigens später genau dasselbe in „Northanger Abbey“ kritisiert... Als Henry Tilney Catharine darüber belehrt, dass es in einem aufgeklärten Land wie England wohl nicht möglich wäre dass General Tilney seine Frau auf dem Dachboden eingesperrt hielte oder gar ermordet habe... Catherine schämt sich dafür, dass ihre Phantasie solche Unwahrscheinlichkeiten entsprungen waren:

»Liebe Miss Morland, bedenken Sie die schreckliche Art der Verdächtigungen, mit denen Sie sich getragen haben. Von welchem Standpunkt aus haben Sie geurteilt? Erinnern Sie sich daran, dass wir Engländer, dass wir Christen sind! Befragen Sie Ihren Verstand, Ihr Gefühl für das Wirkliche. Bereitet uns denn unsere Erziehung auf solche Greuel vor? Stehen unsere Gesetze mit dergleichen in Einverständnis? Können sie begangen werden, ohne dass sie in einem Lande wie diesem bekannt würden, wo geselliges und geistiges Leben auf so festen Füßen stehen? Liebste Miss Morland, welchen Gedanken haben Sie sich hingegeben?«
Sie hatten das Ende der Galerie erreicht, und mit Tränen der Scham in den Augen lief sie davon.

Bruki

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Geschrieben Montag, Juni 13, 2005 @ 23:34:12     ICQ

Schönen Dank, Bruki, so als arme Hausfrauenschriftstellerinleserin habe ich da gar keinen Durchblick.
Nebenbei bemerkt, Kate Ross war Rechtsanwältin. Und es soll unter Schriftstellern gelegentlich üblich sein, Recherchen anzustellen.
Vielleicht solltest du mal von deinem hohen Ross runtersteigen...
Aber wenn du es halt besser weißt und es den Frauen nie schlecht ging, dann hat sich Mary Wollstonecraft ja völlig umsonst um Gleichberechtigung bemüht.
Grüße,
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Geschrieben Montag, Juni 13, 2005 @ 23:36:32     ICQ

Hiermit beende ich jede Diskussion über Frauenrechte, das Frauenleben und die Stellung der Frau im Regency, ist ja alles gesagt.

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Geschrieben Dienstag, Juni 14, 2005 @ 15:40:36  

Hallo Kerstin,

ich habe gemeint, wir diskutieren über Klischees und Trivia in den verschiedenen Interpretationen von Jane Austens Romanen... Dass wir uns über Frauenrechte in der Regency-Era unterhalten, war mir nicht bewusst.

Ich gebe aber zu, dass der von mir verwendete Begriff „Hausfrauenroman“ anstelle von „seichter Unterhaltungsliteratur“ sexistisch und herabsetzend ist... Es tut mir sehr leid, den benutzt zu haben... Und ich bitte um Entschuldigung.

Falls Du über Mary Wollstonecraft und ihr Pamphlet über „die Verteidigung der Rechte der Frau“ reden möchtest, sollten wir uns in einem neuen Thread einrichten, hier passt das nicht so recht hin... Ich hab früher mal eine Diskussion über Erziehung in Jane Austens Romanen beginnen wollen - da hätte man auch die unterschiedlichen Ansichten damals und heute zur Erziehung von Jungen und Mädchen ansprechen können, die ja bei Mary Wollstonecraft ein wichtiger Schwerpunkt ihrer Abhandlung waren... Aber irgendwie ist keiner darauf eingegangen...

Ich denke seit einigen Tagen über Mary Bennet nach, die evtl. interessantes zum Thema beitragen könnte...

Nun, das passt jetzt hier nicht so recht hin, aber wir können ja, wenn Du magst, woanders hinwechseln...

Bruki

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