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Sonja Burgfräulein
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Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @ 11:34:43
Hallo,
wie üblich ein Thema aus einem anderen Thread. Aber die
Diskussion hat sich da vom Ursprungsthema entfernt. Daher hier
der neue Thread.
Bitte postet hier noch mal eure eigenen Beiträge dazu rein.
danke.
Viele Grüße
Sonja
-------------------- "One half of the world
cannot understand the pleasures of the other."
Jane Austen in "Emma" |
beate Jane-Austen-Fan
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Geschrieben Donnerstag, Mai 12, 2005 @ 13:44:13
Geschrieben Montag, Mai 2, 2005 @
19:42:45 von Bruki Zur Frage des gefährlichsten(?)
Charakters: Ich halte Mr. Elliot nicht für gefährlicher als
Wickham oder Willoughby... Normalerweise wissen oder vermuten
die schlauen Frauen Jane Austens ja schon recht bald, was sie
von diesen Windbeuteln zu halten haben, auch wenn die
endgültigen Beweise noch fehlen... Und bei Anne sieht Mr.
Elliot keinen Stich, das ist ganz klar... - So gesehen sind
diese Bösewichte nicht besonders gefährlich. - Ich würde als
gefährlichsten Protagonisten eines Jane-Austen-Romans General
Tilney ansehen... Der hat echt Rocherstersches Format: den
Verdacht seine Frau irgendwo eingesperrt zu halten, kann man
ja noch als Jungmädchenfantasie abtun, aber wie er seinen
jungen naiven Gast bei Nacht und Nebel vor die Tür setzt, das
ist der Gipfel. Und wenn man die damals lebensbedrohlichen
Folgen solcher Rauswürfe bedenkt (wie z.B. in "Jane Eyre" oder
"Agnes Grey" recht drastisch ausgeführt), würde ich sagen: der
gefährlichste Mann in Jane Austens Werken ist wahrscheinlich
General Tilney!
Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 08:09:14 von Darcymania
Wer ist der größte Austen'sche Schurke? Ich finde, man
kann da Willoughby absolut nicht mit in den Schurken-Topf
werfen! Schließlich hat er Marianne tatsächlich geliebt, auch
wenn er grundsätzlich erst einmal ein Hallodri ist. Aber er
ist nicht kaltblütig und geht auch nicht zum eigenen Vorteil
über Leichen. Dass er sich letztendlich für Geld und gegen die
Liebe entscheidet ist ja in dieser Zeit relativ normal und zu
leiden hat er wohl am allermeisten darunter! Also Willoughby
ist im Herzen schon ein "Guter", nur eben zu schwach um auf
die Annehmlichkeiten des Lebens zu verzichten.
Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 12:36:27 von Kerstin
Zur Schurkenrolle: Aus heutiger Sicht mag es ja
irgendwie harmlos sein, wenn man Mädchen ent- und verführt. Zu
Zeiten Jane Austens war das aber anders. Die Mädchen waren
verloren, ihre Ehre war weg, die Familie verstieß sie oft, sie
verarmten, landeten auf der Straße als Prostituierte. Die
Familien hatten einen "schlechten Ruf" weg, hatten sie noch
weitere Töchter, konnten sie das mit dem Verheiraten
vergessen. Gesellschaftlich war es das Aus. Das liest man
doch deutlich in allen JA Romanen. Brandons Jugendliebe läßt
sich mit dem falschen Mann ein, stirbt in Armut und Schande.
Mariannes Ruf ist allein durch das Flirten mit Willoughby
gefährdet. Die Bennets sind völlig panisch und Elizabeth
sicher nicht vollkommen grundlos total geschockt, als Lydia
durchbrennt. Man bedenke, wie jung Lydia und auch Georgiana
Darcy waren... beide kaum 15 Jahre. Das wäre sogar heute noch
ziemlich heikel, wenn man bedenkt, dass Wickham ja nun schon
ein erwachsener Mann ist. Grüße, Kerstin
Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 14:28:05 von Bruki
Schurkenthema:
Ich sah (sehe) das so, dass es keinen absoluten Schurken
gibt (außer in den Comics). Der Schurke ist immer nur
gefährlich im Vergleich zu seinem Opfer... Je naiver,
unbedarfter das Opfer, desto gefährlicher der Schurke...
Ihre Helden und Schurken sind nie ganz und gar edel oder
völlig verroht... Und das ist es ja, was sie von den
zeitgenössischen Autoren und auch von vielen ihrer Vorgänger
unterschied... Und so kamen dann schurkische Helden auf die
Welt, die locker am Ende auch die Heldin heiraten könnten (wie
in Mansfield Park)...
Bruki
PS: Zur Frage der Entführung: Ich weiß nicht, ob das so
ist, aber ich hab vor kurzem einen Film gesehen, worin es
darum ging, dass damals in England junge Männer (gebildete
Gentlemen ohne Vermögen) Clubs gründeten, mit dem Ziel eine
junge Erbin zu entführen und zu heiraten... Der Film war eine
Komödie, so wie es es verstanden habe... - Aber vor kurzem
habe ich in der Biografie eines der damaligen Schriftsteller
gelesen (also eher Restaurationszeit oder etwas später), dass
er in seiner Jugend einem solchen Club angehörte und sich
seine Frau genau auf diese Art und Weise "besorgt" hatte...
(Ich hab leider vergessen, um wen es sich gehandelt hat.
Smollett? Donne?)
Eventuell war ja die "Entführung" damals in England
verbreitet? Was nicht heißt, dass Jane Austen in ihren Romanen
dazu nicht einen ganz und gar unzweifelhaften Standpunkt
bezieht...
Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @ 15:45:55 von
Kratzbürste Hm, das mit den Entführungen könnte ich mir
schon vorstellen. Schließlich hätten sie ja die Einwilligung
der Eltern gebraucht. Und wenn es lauter Gentlemen ohne
Vermögen waren, waren ihre Chancen auf eine Zustimmung der
Eltern wahrscheinlich gleich null. |
beate Jane-Austen-Fan
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Geschrieben Donnerstag, Mai 12, 2005 @ 13:46:24
Geschrieben Dienstag, Mai 3, 2005 @
16:15:07 von Kerstin
Bei Entführungen gings dann ab nach Gretna Green! Nur,
deshalb brach bei den Bennets ja die Panik aus, die beiden
waren NICHT auf dem Weg nach Gretna Green, sondern in London.
Unverheiratet! Ihre Tochter alleine mit einem Mann, ohne
Heirat hätte die sich auch umbringen können. Gesellschaftlich
gesehen war sie eh schon tot. Ich habe mal einen sehr
interessante Krimi aus der Zeit gelesen. "Der zerrissene
Vorhang" von Kate Ross. Dort war auch ein Mädchen aus
begütertem Haus durchgebrannt mit der "Liebe ihres Lebens".
Der interessierte sich dann aber nicht mehr dafür und sie
landete erst auf der Straße und dann in einem Heim für
"gefallene Mädchen". Oder auch Besserungsanstalt, wo sie dann
Buße tun und hart arbeiten mußte. Tolles Schicksal! Und
die Herren Willoughby und Wickham hatten ja mitnichten vor,
die verführten Damen zu heiraten. Denen ging es nur um das
Eine. Ich finde sie, nur weil ihre Opfer jeweils naive
Mädchen waren, nicht minder "schurkig", denn sie haben ja die
Naivität ihrer Opfer schamlos ausgenutzt. Sieht man dann dazu
Henry Crawford, der ja auch ein "Schurke" ist, liegt die Sache
anders. Maria Bertram war ja kein naives Kind mehr, sondern
eine erwachsene Ehefrau, die sich der Konsequenzen durchaus
bewußt war. Grüße, Kerstin
Geschrieben Dienstag, Mai 10, 2005 @ 11:09:56 von Lizzy
Hallo, also zum "Schurkenthema" muss ich auch noch mal
was schreiben. Ich teile Darcymanias Meinung, dass
Willoughby nicht in den Schurken-Topf gehört, überhaupt nicht;
muss sogar aufs Strengste protestieren. Er ist meiner
Meinung nach der Schlimmste von allen Schurken, die Jane
Austen jemals in die Welt gesetzt hat. Ich habe im Nachwort
von "Verstand und Gefühl" eine Passage gefunden, die das
unterstreicht: "Frank Churchill in 'Emma' ist gedankenlos,
aber nicht böse; Wickham in 'Pride and Prejudice' ein Blender,
der ein Mädchen verführt, sie aber wenigstens heiratet; John
Thorpe in 'Northanger Abbey' ist dummdreist, aber nicht
verworfen. Willoughby in 'Sense and Sensibility' aber ist ein
veritabler Schuft. Er hat ein Mädchen verführt und sie mit
einem Kind sitzen gelassen, er heiratet nur des Geldes willen,
trinkt, um seine Reue über die fehlgeschlagene Ehe zu
betäuben, und spricht von seiner Frau mit einer Verachtung,
die Elinor bestürzt." Da hat Christian Grawe mal wieder
völlig recht! Und dass Willoughby gerade das Herz der
romantischen Marianne erobert, ist vor diesem Hintergrund
geradezu bitter. Aber vielleicht hat Marianne in den Augen von
Jane Austen diesen Schurken "verdient", um von ihren
romantischen Ideen geheilt zu werden. Ein liebenswürdigerer
oder harmloserer Schuft hätte das nicht geschafft; sie hätte
Entschuldigungen oder Ausreden für ihn finden können. Für mich
gibt es aber so etwas wie späte Rache an Willoughby: Er führt
eine miserable und unglückliche Ehe und ist wohl selten
zuhause. Und diese Zeit wird wohl länger dauern als die, die
er bis dahin schon auf der Welt verbracht hat. Aber Marianne
blieb das alles erspart; sie ist glücklich mit ihrer zweiten
Liebe. "Lieber glücklich mit der zweiten, als unglücklich mit
der ersten Liebe!", könnte man wohl zusammenfassen.
Wieder einmal erkennt man, dass Jane Austen keines Falls
die liebe gute Romanschriftstellerin war, die nichts zu sagen
hatte, sondern sich kritisch und satirisch mit dem damaligen
Leben auseinandersetzte.
Liebe Grüße, Lizzy |
beate Jane-Austen-Fan
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Geschrieben Donnerstag, Mai 12, 2005 @ 13:47:53
Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @
08:01:20 von Darcymania Mit Willoughby hast du sicherlich
recht, obwohl ich ihn ja zuerst eher als gedankenlosen
Hallodri bezeichnet hatte, der nicht unbedingt kaltblütig
plant, sondern eher von einem Problem ins nächste stolpert und
nicht weiß, wie er damit umgehen soll (und dann lieber
wegrennt). "Wickham ist ein Blender, der ein Mädchen
verführt, sie aber wenigstens heiratet" ... hm ... da bin ich
nicht so ganz einverstanden. Denn ohne Mr. Darcy (und dessen
Kohle) hätte Wickham doch mit Sicherheit keine Skrupel gehabt,
Lydia sitzenzulassen, oder?
Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @ 08:20:53 von
julemaus09
Ja, das denke ich auch. Es ist meiner Meinung nach nur
Mr.Darcy zu verdanken, dass Wickham Lydia doch heiratet.
Außerdem war er ja bei Georgiana auch nur auf deren Geld
aus, also passt er auf jeden Fall in die "Schurken-Schublade"!
UND, dass er Lizzy irgendwelche Lügen über Darcy auftischt
ist ja auch absolut daneben, deshalb finde ich, beschreibt man
Wickham mit "Blender" noch zu harmlos. LG Julia
Geschrieben Mittwoch, Mai 11, 2005 @ 08:34:41 von Bruki
Das mit der Heirat sehe ich auch so (obwohl ich im Fall von
Lydia nicht so sicher bin, wer von den beiden die treibende
Kraft bei der "Flucht" war... - Lydia hat es ja auch faustdick
hinter den Ohren - "Look what a handsome husband ..." )
Bei Wickham kommt mir auch noch in den Sinn, dass er ein
notorischer Wiederholungstäter ist (denkt mal an die arme
Georgiana)...
Wickham kommt mir teilweise auch wie ein bequemer (in jeder
Beziehung fauler) Mensch vor, der lieber dünne Bretter bohrt
und sich dadurch immer wieder selber in Schwierigkeiten
reinreitet - und dann den Problemen lieber mit einer Flucht
begegnet als sie auszuräumen (Verzicht auf die mit Arbeit
verbundene Pfarrstelle, rasantes Verschleudern des als
Abfindung erhaltenen Geldes, versuchte heimliche Heirat mit
Georgiana, enthusiastischer Neubeginn bei der Miliz, bei Lizzy
nicht vorangekommen also auf Ms King losgegangen, als er bei
der auch nicht zum Zuge kommt mit Lydia durchgebrannt... ) Am
Ende war er wohl tief im Innersten "froh", dass Darcy ihm eine
Stellung verschafft hat... Obwohl er mit der auch nicht sooo
zufrieden war und obwohl er, wie Jane Austen berichtet, etwas
über seinen finanziellen Verhältnissen lebte, hat er es doch
durchgehalten und ein gewissen Maß an "Beständigkeit" an den
Tag gelegt (scheint mir)...
Bruki |
Lizzy
Jane-Austen-begeistert
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Geschrieben Mittwoch, Mai 25, 2005 @ 13:15:56
Nach langem Überlegen und lesen der
entscheidenden Passagen in den entsprechenden Büchern, nochmal
meine Anmerkungen zu diesem Thema. Also, es ist sicherlich
etwas schwierig bzw. gefährlich die einzelnen Schurken (also
in diesem Falle Willoughby und Wickham) direkt zu vergleichen.
Ich fange einfach mal mit meinen Überlegungen zu Wickham an:
Ich stimme Euch im Großen und Ganzen zu. Mir ist aber noch
etwas aufgefallen. Ich stelle hiermit die These in den Raum,
ob Wickham mit der Flucht mit Lydia nicht Elizabeth, ganz
abgesehen von ihrer Familie, schaden wollte. Er hat nämlich
geahnt, dass sich da etwas zwischen Darcy und Elizabeth
entwickelt. Was deutet darauf hin? Elizabeth deutet in ihrem
letzten gemeinsamen Gespräch mit Wickham so einige Dinge an,
aus denen er erkennen muss, dass sie über ihn Bescheid weiß
und sie nun ein anderes Bild von Darcy hat. Jetzt wird es
Einwände geben, die besagen, dass Wickham ja nicht wissen
kann, ob Darcy etwas für Elizabeth empfindet. Aber wer hätte
es Lizzy denn erzählen sollen? Bleibt eigentlich nur Mr. Darcy
und der würde es nicht gerade Jedem auf die Nase binden, was
damals so alles passiert ist. Es bleibt sicherlich noch
Colonel Fitzwilliam, aber der hätte so etwas sicherlich nicht
Lizzy erzählt. Wickham läuft also auch mit Lydia davon, um
sich an Darcy zu "rächen", indem er seine möglichen
Heiratspläne zerstört. Denn eine Frau aus so einer
"gefallenen" Familie würde Darcy aufgrund seines
Standesdünkels nie heiraten (denkt sich zumindest Wickham und
da hat er sicher gar nicht mal so Unrecht). Dass Darcy ihm
eine Heirat mit Lydia ermöglicht und er dafür noch für seine
Verhältnisse viel Geld bekommt, hätte er sich nicht mal im
Traum gedacht. Diese These würde Wickham sicherlich zu
einem noch größeren Schuft machen, als er so schon ist. Was
haltet Ihr davon?
Jetzt nochmal kurz zu Willoughby. Ich halte ihn immer noch
für den größten Schuft, denn er hätte die angenommene
"Tochter" (Beth oder Elizabeth?) Colonel Brandons heiraten
können. Seine Tante machte den Vorschlag und hätte er ihn
angenommen, so hätte er sein Erbe ja gehabt und hätte nicht
"arm" sein müssen. Er selbst sagt aber zu Elinor, dass er
nicht "konnte". Er wollte jetzt wohl lieber Marianne heiraten,
aber das wäre so und so nicht mehr möglich gewesen. Nein, er
hat seine Pflicht (kann man es so nennen?) verletzt und eine
Frau sowie sein Kind ins Unglück gestürzt. Gut, vielleicht lag
es ja nicht nur an ihm, es bedarf ja für so etwas immer zwei.
Aber ich erinnere nur mal an "Faust": Faust hätte wissen
müssen, was passiert, wenn er mit Gretchen das Bett teilt,
denn sie war noch jung und naiv. Gut, Faust ist älter als
Willoughby, aber die wußten damals schon Bescheid. Die sind
schon damals nicht auf der Wassersuppe hergeschwommen.
Also, kurz und gut, Willoughby bleibt für mich der
Schlimmste von allen, weil er andere (nenne ich es mal
unschuldig, wenn ich an das Kind denke) ins Verderben stürzt,
nur damit er glücklich wird. So funktioniert das Leben aber
meistens nicht.
So, ich hoffe ihr habt alle verstanden worauf ich mit
meinen Ausführungen hinauswollte. Wenn ich doch bei einem
Gedankengang zu schnell gewesen bin, dann entschuldigt bitte.
Ich musste eben alles schnell "auf Papier bringen" .
Viele Grüße, Lizzy
-------------------- The more I see of the world, the
more am I dissatisfied with it. Elizabeth Bennet
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MierschB
Jane-Austen-verrückt
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 11:44:02
Hallo Lizzy,
das mit Wickham ist sehr scharfsinnig von Dir... Ich finde
das bemerkenswert, wie Du so um die Ecke denken kannst - ganz
ehrlich... Ich bewundere das - wir sind wohl Seelenverwandte?
... - Obwohl ich ja nicht glaube, dass er mit seinen
fiesen Ideen irgendwie durchkommen kann, denn ich halte Darcy
für einen viel zu ehrenhaften und verliebten Menschen, als
dass er sich von solchen Nebensächlichkeiten wie Wickham oder
Lydias Flucht davon abhalten ließe, sein Ziel weiter
anzusteuern.
Deine Namensvetterin hat sich übrigens auch schon Gedanken
darüber gemacht, warum Wickham wohl ausgerechnet mit Lydia
durchgebrannt ist...
Im Kapitel 51, das ich heute früh las, stellt Elizabeth
bezüglich Wickham und Lydia fest:
Mit Wickhams Zuneigung zu Lydia stand
es genauso, wie es Elisabeth erwartet hatte; sie war in ihn
viel mehr verschossen als er in sie. Nach allem, was aus den
Tatsachen hervorging, hätte Elisabeth diese Beobachtung gar
nicht nötig gehabt, um zu wissen, daß Lydia der treibende Teil
in jener Liebes- und Fluchtgeschichte gewesen war; sie hätte
sich eher gewundert, weshalb er überhaupt mit ihr
durchgebrannt war, da er sie ja gar nicht wirklich liebte,
wenn ihr nicht klar gewesen wäre, daß er wegen seiner Schulden
sowieso fliehen mußte, und in solch einem Fall ließ ein Mann
wie Wickham sich die Gelegenheit nicht entgehen, dabei eine
Gefährtin zu haben.
Das kommt dem nahe, was ich etwas früher im Thread auch
schon vermutet habe...
Und weiter beobachtet Elizabeth:
Lydia war ihm außerordentlich zugetan.
Es war ihr lieber Wickham vorn und ihr lieber Wickham hinten;
niemand ließ sich mit ihm vergleichen. Er war der
allertüchtigste Mensch in der Welt, und sie war fest davon
überzeugt, daß er am ersten September mehr Vögel erlegen würde
als jeder andere im Land.
Das wird auch ein Grund gewesen sein, warum Wickham ohne
Lydia nicht den Schwanz einkneifen und vor seinen Schulden
stiften gehen wollte... Im Übrigen ist das eine Feststellung
Elizabeth' (und Jane Austens) über eine Besonderheit der
meisten Männer, die zeigt dass beide eine Menge von den
Bedürfnissen (und Schwächen) der Männer verstanden.
Bruki
-------------------- "There’s no one to touch Jane when you’re in a
tight place. Gawd bless ’er, whoever she was." (Rudyard
Kipling, The Janeites) |
Kerstin RitterIN
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 12:54:29
Einwand... Lizzy war
vorher schon nicht standesgemäß. Mit einer unverheirateten
Schwester, die in "Sünde" lebt, hätte er sie NIEMALS heiraten
können. Darum war Lizzy ja auch so verzweifelt, weil sie
wußte, dass ihre GANZE Familie jetzt in Schande leben muß.
Jeder Mann hätte sich schnellstens verdrückt.....
Grüße, Kerstin
-------------------- "Sei ohne Furcht im Angesicht
von Boardproblemen, sei tapfer und aufrecht auf das das Board
dich lieben möge, sprich stets die Wahrheit, auch wenn dies
eine Menge böser Mails bedeutet. Beschütze die Mitglieder, tue
keinem Unrecht. Dies ist dein Eid. Erhebe dich als Admin!"
|
Sonja Burgfräulein
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 14:38:06
Also ich finde Lizzy These auch
interessant, kann ihr aber am Ende nicht folgen. Und die
Antwort gibt Jane Austen selbst: Bruki hat das schon sehr
schön zitiert. Er musste auf Grund seiner Schulden sowieso
zusehen, wie er Land gewinnt. Und er hatte nichts dagegen,
Lydia dabei zu haben, die dumm genug schien, alles
mitzumachen, ohne sich der Konsequenzen bewußt zu sein. Und
auch laut Jane Austen (sinngemäß): aus dem Verhalten der
Mutter und dem gleichgültigen Verhalten des Vater Bennets
konnte er schließen, dass niemand ihm energisch genug folgen
würde.
Ich denke nicht, dass er eine Heirat verhindern wollte,
weil er sicher nicht damit rechnen konnte, dass die Zuneigung
Darcys soweit geht und das Lizzy ihre Abneigung so gründlich
ins Gegenteil verkehren könnte. Es hat sich für ihn einfach so
ergeben, da Lydia sich ihm so an den Hals warf.
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cannot understand the pleasures of the other."
Jane Austen in "Emma" |
Lizzy
Jane-Austen-begeistert
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 15:40:20
Mmmhhh.... Also zunächst meine ich,
dass man vorsichtig sein muss, was Elizabeth über Wickham und
Lydia denkt. Jane Austen hat das schlau gemacht: sie gibt uns
keine objektive Sicht, sondern wir sehen das Geschehen mit den
Augen, Wissen und Gefühlen von Elizabeth, also eher subjektiv.
Lizzy kann und wird niemals wissen, was Wickham damit bezweckt
hat, mit Lydia davonzulaufen. Beim letzten Gespräch
Wickhams und Lizzys sagt letztere über Darcy: "In essentials,
I believe, he is very much what he ever was.'' Zu beachten ist
hier das "he" und Lizzy wird das sehr betont haben. Im
Umkehrschluss lässt sich daraus folgen, dass sie ihre Meinung
nicht über Darcy geändert hat, sondern die über Wickham
selbst. Und dann geht Lizzy ja noch weiter: "When I said that
he improved on acquaintance, I did not mean that either his
mind or manners were in a state of improvement, but that from
knowing him better, his disposition was better understood.''
Aha, sie kennt jetzt also Dracy besser und versteht auch seine
Wesensart. Ein weiteres Zeichen, denke ich. Also, ich muss
auch hier wieder sagen, dass damalige Leser sicherlich mehr
aus Lizzys Worten herausgelesen haben könnten. Dass Lydia
sich Wickham an den Hals warf, bestreite ich nicht. Aber warum
hat er sie denn mitgenommen? Ich hätte es nicht getan (gut,
ich bin auch kein Mann ), aber erstens ist sie nervig, hat nicht viel im
Kopf und Geld hat sie auch nicht. Und letzteres ist Wickham ja
nicht gerade unwichtig, siehe seine mißglückte Flucht mit
Georgiana. Er hätte einfach in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
Brighton verlassen können, ohne Lydia. Das er mit Lydia
"seinen Spass" gehabt hat, ist natürlich ein triftiger
Einwand, aber für so "flach" halte ich ihn einfach nicht.
@ Bruki: Dass Darcy verliebt war, steht wohl ausser Frage.
Das haben die meisten auch nie bezweifelt. Übrigens habe
icherst vor kurzen in Richard Jenkyns Buch die These gelesen,
dass Darcy von allen "Helden" derjenige war, "indem das
sexuelle Begehren am offenkundigsten und überwältigsten ist.
Denn was macht er anderes, wenn er seinen ersten Antrag an
Elizabeth macht, als ihr zu sagen, dass er so verzweifelt ist,
sie ins Bett zu bekommen; dass er sie heiraten wird selbst
wenn es einen Absteig für ihn bedeuten sollte." (freie
Übersetzung meinerseits) Zugegeben, ganz schön drastisch
ausgedrückt, aber dieser Mann hat nicht ganz unrecht.
Sich freuend über eine wunderbare Diskussion, Lizzy
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Sonja Burgfräulein
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 15:55:33
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Erstellt
von Lizzy Dass Lydia sich Wickham an den
Hals warf, bestreite ich nicht. Aber warum hat er
sie denn mitgenommen? Ich hätte es nicht getan
(gut, ich bin auch kein Mann ), aber erstens ist sie nervig, hat nicht
viel im Kopf und Geld hat sie auch nicht. Und
letzteres ist Wickham ja nicht gerade unwichtig,
siehe seine mißglückte Flucht mit Georgiana. Er
hätte einfach in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
Brighton verlassen können, ohne Lydia. Das er mit
Lydia "seinen Spass" gehabt hat, ist natürlich ein
triftiger Einwand, aber für so "flach" halte ich
ihn einfach nicht. | | Eben
Lizzy, Du bist kein Mann. Und ich glaube schon, dass sich die
meisten Männer eine solche Gelegenheit wohl kaum entgehen
lassen würden. Und für genauso flach halte ich ihn. Er ist
Daniel Cleaver. Er fürchte für sich keine Konsequenz als ein
Betthäschen für die Nacht. Und Wickham hat schon öfter
bewiesen (sein Lebenswandel in Cambridge), dass er nicht der
Mann ist, sich solch eine Gelegenheit entgehen zulassen, die
sich ihm dann auch noch so an den Hals wirft, fehlender Geist
hin, Geldmangel her.
Und wie Du sagst, sagt Lizzy in diesem letzten Gespräch mit
Wickham, dass sich ihre Meinung über Wickham geändert hat,
nicht unbedingt ihre über Darcy. Woher sollte Wickham also
ahnen? Zumal Lizzy aus meiner Sicht selbst noch nicht dieser
Meinung war. Wir erinnern uns, es war unmittelbar nach ihrer
Rückkehr aus Hunsford, unmittelbar nach dem 1. Antrag und
unmittelbar nachdem sie erfahren hatte, wer Jane so übel
mitgespielt hat. Sie hatte von Wickham nun eine schlechte
Meinung, aber ihre Meinung über Darcy begann gerade erst sich
zu wandeln. Da war von Liebe noch keine Spur. Sie begann erst
damit, ihm Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, was dann
letztendlich nach Pemberley in der Erkenntniss gipfelte, dass
ihr Darcys Meinung über sie sehr wichtig ist und dass sie ihn
sich sehr wohl als Mann vorstellen kann.
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Lizzy
Jane-Austen-begeistert
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 16:14:41
Die Einwände sind gut. Ich will immer
noch nicht ganz glauben, dass viele Männer doch so sind . Aber wir könnten doch annehmen, dass es Wickham so
verstanden hat, dass da Gefühle im Spiel sind. Ihm war klar,
dass Darcy die Geschichte mit Georgiana nur einem "vertrauten"
Menschen erzählen würde. Dass es "nur" ein
Rechtfertigungsbrief an eine relativ Fremde war, hätte man von
Darcy doch nicht gedacht. Ob es Lizzy so gemeint hat, wie
Wickham es verstanden hat, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Lizzy
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Sonja Burgfräulein
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 16:34:10
Quote: |
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Erstellt
von Lizzy Die Einwände sind gut. Ich will
immer noch nicht ganz glauben, dass viele Männer
doch so sind . | | Da
grinse ich jetzt einfach mal ganz breit *ggggggggggggg*. Und
ob viele so sind sei dahingestellt, aber wenn Wickham so nicht
ist, wer dann?Und Wickham weiss doch nicht, dass Lizzy es von Darcy hat.
Es kann vom Colonel sein. Es kann auch von den Bingleys kommen
(die ja zumindest wissen, dass da was war). Ich weiß nicht,
ob Wickham wusste, wer die Details der Geschichte wusste. Und
eigentlich weiß er ja auch nicht, auf welche Geschichte Lizzy
anspielt. Sie kann genausogut seine Lüge von der
vorenthaltenen Pfarrei meinen, die er sich von Darcy hat
auszahlen lassen. Schon wegen dieser faustdicken Lüge hätte
Lizzy allen Grund Wickham zu verachten. Ihre Worte passen auch
darauf. Und Darcy hätte keinen Grund diese Geschichte auf
Nachfrage nicht zu erzählen, denn er hat sich ja absolut
korrekt verhalten. Und Wickham war auch schlau genug nicht
nachzufragen.
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MierschB
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 20:07:56
Och... - 'ne Diskussion ohne mich - ist
ja geradezu pervers sowas... jetzt fühle ich mich beinahe wie
Lady Catherine...
@Kerstin: Ich denke, dass es evtl. nicht ganz so schlimm um
Lydia stand wie Du vermutest... Ashton Dennis hat z.B. diverse
Fälle von solchen "Seitensprüngen" aufgezählt, die damals bis
in die höchsten Kreise der Gesellschaft scheinbar "üblich"
waren. Und die Scheinmoral á la Mr. Collins hat wohl erst in
der späteren Viktorianischen Periode Raum gegriffen. Irgendwo
hab ich mal gelesen (kann es aber nicht mehr belegen wo), dass
zu Austens Zeiten 100.000 Hochzeiten mit schwangeren Frauen
geschlossen wurden. - Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber
wenn, dann war vorehelicher Sex sicher keine Ausnahme, sondern
geradezu üblich... Ansonsten müsste man sich wundern, warum zu
Dickens Zeiten diese berühmt-berüchtigten "Häuser für
gefallene Mädchen" so ins Kraut schossen...
Also nochmal: Ich glaube nicht, dass sich Darcy von solchen
"Nebensächlichkeiten" wie die "öffentliche Meinung" von
Elizabeth fernhalten ließe. Es wird ihm nicht so einfach
gewesen sein, aber am Ende hat er sich ja auch von seiner
stärksten Widersacherin - seiner Tante de Bourgh - nicht
beeindrucken lassen (und die soll ja sehr "offenherzig" in
ihren Ausdrücken gewesen sein - was auch Jane Austen selber
anmerkt, als sie auf die Verstimmung wegen der für Elizabeth
"beleidigenden Ausdrücke" in Lady Catherines Reaktion auf die Hachzeitsanzeige
hinweist).
Ich möchte auf eine Besonderheit seiner (und Jane Austens)
Vorstellung vom vollkommenen Gentleman (und -woman) hinweisen:
Er sah das sicher nicht als eine Folge der Vererbung wie ihm
unterstellt wurde (z.B. von Elizabeth), sondern als eine Frage
von Bildung (im engl. "Education" ) und Charakter (bei den
Austens hieß das "Nature" ). Hier ein Zitat aus seinem Brief
an Elizabeth:
Die Familienverhältnisse Ihrer Mutter
bedeuteten, wenn sie auch Grund zu Bedenken gaben, nichts im
Vergleich mit dem völligen Mangel an Lebensart, den sie selber
so häufig, ja beinahe dauernd verrät und den sich auch Ihre
drei jüngeren Schwestern und gelegentlich sogar Ihr Vater
zuschulden kommen lassen. ... Aber bei allem Unwillen über die
Mängel Ihrer nächsten Verwandten und bei allem Mißvergnügen,
diese Mängel hier aufgeführt zu sehen, sollte Ihnen die
Tatsache ein Trost sein, daß Ihr Verhalten nie auch nur den
geringsten Anlaß gegeben hat, Sie in diesen Tadel
einzubeziehen, was Ihnen und Ihrer ältesten Schwester nicht
nur allgemeine Hochachtung eingetragen hat, sondern auch Ihrem
Verstand und Ihrem Charakter zur höchsten Ehre
gereicht.
Ich erinnere auch an das Gespräch zwischen Elizabeth und
Lady Catherine im Park von Longbourn:
"In marrying your nephew, I should not
consider myself as quitting that sphere. He is a gentleman; I
am a gentleman's daughter; so far we are equal."
Hier stoßen zwei Ansichten von Aristokratie aufeinander:
Die Dünkelhafte, die sich lediglich auf Abstammung und Besitz
gründet, und die, bei der die menschlichen Qualitäten (Nature
and Education) im Mittelpunkt stehen (ohne die ökonomischen
Grundlagen der Gesellschaft ganz aus den Augen zu verlieren).
So gesehen war die englische Gentry (als mittelständische
Elite) sicher viel "demokratischer" und "durchlässiger" als
die anderer europäischer Staaten (mal Frankreich außen
vorgelassen), und damit auch attraktiver für "Aufsteiger", die
den Anspruch der Elite auf Führung immer wieder zu erneuern
und damit erhalten konnten. (In Pesuasion wird das - wie ich
meine - sehr schön dargestellt, wenn die Selfmade-Men der
Flotte die alteingesessenen Grundbesitzer wie die "Eliots"
einfach rechts und links liegen lassen und deren führende
Rolle in der Gesellschaft - samt ihres Grundbesitzes -
kurzerhand übernehmen... )
Ich hoffe, ich habe mich hier nicht allzu verworren
ausgedrückt - und halbwegs erklären können, was ich meine...
Bruki
PS: He Leute, heute ist ein Rekordtag: der Spitzenreiter
der Anzahl der täglichen Seitenzugriffe ist nach Monaten mal
wieder überboten worden... Und ich hab heute in der Sonne gelegen und die
letzten Kapitel von P&P gelesen... Na, wenigstens hab ich meine Zeit nicht vergeudet
während hier Rekorde geschmiedet wurden.
-------------------- "There’s no one to touch Jane when you’re in a
tight place. Gawd bless ’er, whoever she was." (Rudyard
Kipling, The Janeites) |
Kerstin RitterIN
Geschlecht: weiblich Herkunft: NRW Registriert: Jun
2004 Status: Abwesend Beiträge: 716
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 23:00:46
Bruki, warum sollte
Mr. Bennet schlagartig nach London aufbrechen, seine Frau noch
hysterischer werden, als sie ohnehin schon ist und Lizzy
vollkommen aufgelöst sein, wenn es nicht ein Skandal wäre, der
die Familie ruiniert? Für einen Mann mag das ja alles
"nicht so schlimm" gewesen sein, bei jungen Männern drückte
man gerne mal ein Auge zu, aber bei Frauen? Gesellschaftlich
war das so ziemlich das Ende. Schau dir doch mal die
Austenromane an... Maria Bertram nach ihrem Fehltritt mit
ihrer Tante in die Verbannung geschickt, die Jugendliebe von
Colonel Brandon stirbt in Armut, Marianne wird schräg
angesehen, weil sie ALLEINE mit Willoghby unterwegs war. Der
Ruf einer Frau war sehr schnell zerstört und wenn sie Pech
hatte, der Ruf der Familie direkt mit. Das gab es nicht
erst in der viktorianischen Zeit. Wenn die Mädchen Glück
hatten, dann wurden sie verheiratet ( wie Lydia), bevor
irgendwas herauskam. Oder der Fehler wurde vertuscht, wie bei
Emmas Freundin, die von ihrer Mutter ja dezent versteckt
wurde, damit man den Fehltritt nicht bemerkt. Dummerweise
ist Wickham aber ziemlich offensichtlich mit Lydia
durchgebrannt, also gabs da nichts mehr zu vertuschen, da
konnte nur noch eine Heirat sie retten. Ich habe einen
sehr interessanten Kriminalroman aus der Zeit gelesen, der
sich auch damit beschäftigt: Kate Ross, der zerrissene
Vorhang. Da brennt auch eine junge Dame mit ihrer "großen
Liebe" durch, doch leider hält das nicht lang. Sie endet in
einem Besserungsheim für gefallene Mädchen.... Grüße,
Kerstin
-------------------- "Sei ohne Furcht im Angesicht
von Boardproblemen, sei tapfer und aufrecht auf das das Board
dich lieben möge, sprich stets die Wahrheit, auch wenn dies
eine Menge böser Mails bedeutet. Beschütze die Mitglieder, tue
keinem Unrecht. Dies ist dein Eid. Erhebe dich als Admin!"
|
Kerstin RitterIN
Geschlecht: weiblich Herkunft: NRW Registriert: Jun
2004 Status: Abwesend Beiträge: 716
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Geschrieben Donnerstag, Mai 26, 2005 @ 23:10:29
Und es wäre ja
langweilig, wenn sich bei Google nicht was finden würde zu
diesem Thema!
They can be lighthearted romps or full of
angst, but the rules of Society and polite behavior govern the
characters' actions. If the hero and heroine break the rules,
they will suffer the consequences, and they must deal with
those consequences within the constraints of Society. For
example, if an unmarried man and woman are discovered alone
(i.e, without a chaperone), the woman is compromised in the
eyes of Society. An honorable man would feel compelled to
propose. The woman would have to accept or else be ruined. It
doesn't matter if they can't stand the sight of one another;
the wedding satisfies the conventions. Society and societal
expectations play a very strong role in traditional Regencies
-- almost as if Society were a character. Zu finden hier Und einen weiteren, kleinen
Einblick in die Etikette gibt es hier
-------------------- "Sei ohne Furcht im Angesicht
von Boardproblemen, sei tapfer und aufrecht auf das das Board
dich lieben möge, sprich stets die Wahrheit, auch wenn dies
eine Menge böser Mails bedeutet. Beschütze die Mitglieder, tue
keinem Unrecht. Dies ist dein Eid. Erhebe dich als Admin!"
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MierschB
Jane-Austen-verrückt
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741
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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 10:22:30
Ich möchte den vielen scharfsinnigen Erwägungen
zu Wickhams Charakter hier keine weiteren hinzufügen, sondern
frage mich und euch: Wie ist er wohl so geworden, wie er von
Jane Austen geschildert wird? Er ist zusammen mit Darcy
aufgewachsen, hat möglicherweise die selben Lehrer wie er
gehabt, sie studierten zusammen... Was hat ihn veranlasst,
sich so völlig anders zu entwickeln als sein Jugendfreund
Darcy?
Ein paar Anhaltspunkte liefert Jane Austen uns ja im Roman:
Sein Vater ist ein ehrenwerter Mann, aber als Rechtsanwalt
möglicherweise nicht der Erstgeborene. Andererseits scheinen
weitere Verwandschaft nicht vorhanden zu sein, so dass er auch
aus ärmeren Verhältnissen stammen könnte und sich
hochgearbeitet hat. Die Darcys werden sicher keinen Blender
oder Leichtfuß mit der Verwaltung ihrer Ländereien und ihres
Vermögens betraut haben... War er ein Workaholic, der sich
nicht um seine Familie kümmerte?
Wickhams Mutter ist wohl eine leichtfertige Dame gewesen,
die der Verschwendung zugeneigt zu sein schien, die sich gegen
ihren Mann durchsetzen konnte und das Familieneinkommen der
Wickhams dauerhaft überzog und vergeudete... War ihr Charakter
ausschlaggebend für Wickhams Fehlentwicklung? Kommt von ihr
seine Fähigkeit sich überall beliebt zu machen?
Hatte Wickham Träume von Ruhm und Reichtum, und verachtete
die Mühe sie zu erwerben? Hatte das Beispiel seines Freundes
Darcy ihn verdorben? war er auf dessen Situation neidisch?
Darcy, der ja " mit einem goldenen Löffel" im Hintern geboren
wurde war sicher sein Vorbild in seiner Jugend. Wollte er auch
so sein wie er, und es fehlten ihm die Mittel dazu - sowohl
die finanziellen als auch die charakterlichen?
Er macht ja immer wieder neue Versuche sich zu etablieren:
In der Kirche (seine Studium), als Dandy (was ihm die
Abfindung für die Patronatsstelle eine Zeitlang finanziert),
als Ehemann einer reichen Frau (Georgiana), als Offizier in
der Miliz und als Armeeangehöriger... Er scheint jedesmal eine
veritable Bruchlandung hinzulegen und dann von seinen
Schwierigkeiten und Problemen, in die er sich selber
hineinmanövriert hat, zu fliehen... Das scheint ein
feststehendes Muster seiner "Krisenbewältigungestrategie" zu
sein... Und am Ende als ihm England zu klein wird, weil er
keinen Ort mehr kennt, wo man ihn noch aufnehmen würde, plant
er seine Bemühungen ins Ausland zu verlegen (wo er eine reiche
Erbin zu finden hofft)... Wohl eher eine infantile Hoffnung...
Wie ist er nur so geworden? Frag ich mich und euch...
Bruki
PS: Bei der Gelegenheit könnte man auch mal fragen, wie
Jane Austen sich eigentlich Kindererziehung und
Charakterbildung bei Kindern vorstellte. Die fünf
Bennet-Töchter sind ja da ganz hervorragendes
Anschauungsmaterial (aber das passte eher in den
P&P-Threat)...
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tight place. Gawd bless ’er, whoever she was." (Rudyard
Kipling, The Janeites) |
MierschB
Jane-Austen-verrückt
Geschlecht: männlich Herkunft: Brandenburg
Registriert: Jan 2005 Status: Abwesend Beiträge:
741
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Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 10:29:11
Oje Kerstin,
Du googelst mich jedesmal an die Wand...
Ich dachte nur daran, dass die Merytonschen Klatschbasen
sich nach der Heirat Lydias darüber enttäuscht äußerten, dass
nicht "schlimmeres" (sie drückten es wohl so aus:
"Sensationelleres" ) geschehen war... Was sich die
"öffentliche Meinung" unter "Schlimmerem" vorstellte, war
folgendes: Lydia wird in ein abgelegenes Bauernhaus
verfrachtet und man hört nie wieder etwas von ihr...
Und nachdem Jane und Bingley verlobt sind, ist man im
Meryton und Umgebung allgemein der Ansicht, dass die Familie
(nachdem sie eben noch die unglücklichste der Welt war) nun zu
den Glückspilzen Englands und somit der ganzen Welt gehören
müsse... - So schnell kann sich das tiefste Unglück in sein
Gegenteil wandeln... wenn man die öffentliche Meinung höher
bewertet als den Zusammenhalt der eigenen Familie... Was ich damit sagen will, ist, dass es neben dem
höheren Druck der Gesellschaft (society) aber auch den viel
stärkeren Zusammenhalt der Familien gab (s. z.B. den der
Austens, die ja auch keine der Damen des Familien-Clans hängen
liessen - wie z.B. Eliza de Feuilidae - ich hoffe ich hab das
jetzt richtig geschrieben... )
Bruki
PS: Lord Nelson, der Prinz der Wale, seine Frau, Mary
Wollstonecraft - alles Skandalnudeln der damaligen besseren
Gesellschaft...
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tight place. Gawd bless ’er, whoever she was." (Rudyard
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Benjamin
Jane-Austen-begeistert
Geschlecht: männlich Herkunft: Heidelberg
Registriert: Feb 2005 Status: Abwesend Beiträge:
135
Stimmung: |
Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 11:52:26
Dumm, war gestern zum High Noon der Diskussion
nicht im Internet...
Ich habe den Eindruck, dass Jane Austen in P&P bewusst
den Kontrast zwischen der Wickham/Lydiaschen Ehe und den Ehen
von Jane und Lizzy herausstellt. In beiden Fällen geht es
gewissermaßen gegen die "Society" (ich schreibe die in
Reaktion auf Kerstins "Google-Text" mal groß) und ihre
Erwartungen, doch mit unterschiedlichen Bedeutungen. Lydias
Verhalten ist leichtsinnig und naiv und führt deshalb an den
Abgrund zum Ruin. Das der älteren Schwestern jedoch
wohlüberlegt und Folge eines Reifeprozesses - deshalb endet es
"gut". Kurz gesagt: Jane, Elizabeth, Darcy und Bingley machen
eine Entwicklung durch, Wickham und Lydia nicht, deshalb muss
ihr Lebensweg langsam aber sicher zum Abgrund steuern (das
wäre gewissermaßen das "schurkische" Element Wickhams). Nun
stellt sich für mich die Frage: Wollte Jane Austen uns damit
etwas moralisches auf den Weg geben? Wollte sie uns (bzw
natürlich die Leser der damaligen Zeit) Tipps geben bezüglich
unseres Lebenswandels?
Interessanterweise endet der Verstoß gegen die society
rules nicht immer negativ: Wollte JA damit ausdrücken, dass
man durchaus auch gegen die Konvention handeln darf - sogar
muss, wenn die eigenen, wohlbedachten Gefühle es gebieten? Ich
glaube, solche Überlegungen sind legitim.
Aber: Es kommt immer darauf an, denn Lydia denkt nicht
nach, handelt nicht verantwortungsbewusst und wird deswegen
von der Gesellschaft gestraft. Und ich glaube, Jane Austen
billigte solche Sanktionen der Society.
War das provokant? Freue mich auf Diskussion... |
beate Jane-Austen-Fan
Geschlecht: weiblich Herkunft: Registriert: Jan
2005 Status: Abwesend Beiträge: 24
Stimmung: |
Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 14:13:44
Hallo, Benjamin,
Quote: |
|
Erstellt
von Benjamin Nun stellt sich für mich die
Frage: Wollte Jane Austen uns damit etwas
moralisches auf den Weg geben? Wollte sie uns (bzw
natürlich die Leser der damaligen Zeit) Tipps
geben bezüglich unseres Lebenswandels?
| | Das
wollte sie sicherlich. Ganz deutlich wird das bei S&S, in
dem Gespräch ziwschen Marianne und Elinor. Elinor:
"Vergleichst du dein Verhalten mit seinem (Willoughbys)?"
"Marianne: "Nein. Ich vergleiche es mit dem, was es hätte sein
sollen; ich vergleiche es mit deinem." Und auch Marianne kann
erst glücklich werden, nachdem sie ihr Verhalten reflektiert
hat und daran gereift ist.
Quote: |
|
Interessanterweise endet der Verstoß
gegen die society rules nicht immer negativ:
Wollte JA damit ausdrücken, dass man durchaus auch
gegen die Konvention handeln darf - sogar muss,
wenn die eigenen, wohlbedachten Gefühle es
gebieten? Ich glaube, solche Überlegungen sind
legitim. | | Jane
Austen sah nicht die "society rules" als Maß aller Dinge,
manches daran gab sie ja auch der Lächerlichkeit preis. Aber
sie legt hohe moralische Maßstäbe an das Verhalten ihrer
Protagonisten.
Quote: |
|
Aber: Es
kommt immer darauf an, denn Lydia denkt nicht
nach, handelt nicht verantwortungsbewusst und wird
deswegen von der Gesellschaft gestraft. Und ich
glaube, Jane Austen billigte solche Sanktionen der
Society.
| | Ich
denke auch, das tat sie. Allerdings denke ich war sie weniger
streng, wer sich besserte, verdiente bei ihr schon eine
Chance.
Quote: |
|
War das
provokant? Freue mich auf Diskussion...
| | Nein
Grüße, Beate
|
Kerstin RitterIN
Geschlecht: weiblich Herkunft: NRW Registriert: Jun
2004 Status: Abwesend Beiträge: 716
Stimmung: |
Geschrieben Freitag, Mai 27, 2005 @ 19:27:34
Ehm, nein Bruki, die
wäre u.U. nicht auf "dem Land" verschwunden, sondern in
London. Und als Mädchen hatte man jetzt nicht grade eine große
Berufsauswahl... Dienstmädchen konnte sie ohne Zeugnisse nicht
werden, alle anderen Stellen, wo man Referenzen braucht,
entfielen auch. Was blieb da wohl übrig? Vermutlich wäre
Lydia irgendwann auf dem Strich gelandet. Jane Austen
umschreibt es zwar vornehm, aber genau das ist der Jugendliebe
von Colonel Brandon passiert. Sie wurde von "Mann zu Mann"
weitergereicht.... Grüße, Kerstin
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|
MierschB
Jane-Austen-verrückt
Geschlecht: männlich Herkunft: Brandenburg
Registriert: Jan 2005 Status: Abwesend Beiträge:
741
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Geschrieben Samstag, Mai 28, 2005 @ 09:05:13
Hallo,
ich hab gestern zufällig im Nachwort der "Vernunft und
Gefühl" - Ausgabe des Manesse-Verlages geblättert und dabei
feststellen müssen, dass die Schweizer Willoughby gar nicht
als Schurken einsortiert haben:
Ach, Willoughby, der Herzensbrecher!
Vorfahr der Helden aus "Vom Winde verweht". Willoughby als
unbekümmerter Draufgänger, Inbegriff der Jugend (dem sogar
Elinor verzeiht), die Barutsche kutschierend, von Hunden
umbellt, im Reitanzug vorzustellen... Willoughby, ein
Mädchentraum, dessen Abtrünnigkeit und Verruchtheit schwer
glaubhaft zu machen ist, so hinreißend tritt er auf... er
bleibt ein Weltkind mit der einen tieferen Erfahrung.
Kann man mal sehen...
Bruki
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MierschB
Jane-Austen-verrückt
Geschlecht: männlich Herkunft: Brandenburg
Registriert: Jan 2005 Status: Abwesend Beiträge:
741
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Geschrieben Sonntag, Juni 5, 2005 @ 16:03:11
Ich hab eben meine Lesung von „Gefühl und
Verstand“ beendet – und muss jetzt einen Schurken in
diesem Thread einführen, dessen Namen zu nennen bisher
versäumt wurde: Miss Lucy Steele...
Was sind die Verführungskünste Willoughbys, die
Verruchtheiten Wickhams, die Gemeinheiten Tilneys gegen die
brutale Hinterlist dieser Lucy?! ... Eine Person, die Jane
Austen noch ganz harmlos einführt: „Lucy
hatte Mutterwitz, ihre Bemerkungen waren oft treffend und
lustig, und als Gesellschafterin für eine halbe Stunde fand
Elinor sie häufig angenehm. ...“ – Aber das ist nur die
Fassade, dahinter verbirgt sich eine sadistische Lust andere
zu quälen, eine Eigensucht, ein Egoismus, die seinesgleichen
sucht, und eine intrigante Durchschlagskraft von wahrhaft
machiavellistischer Qualität...
Während Elinor sie anfangs als etwas beschränkte, aber
harmlose Zeitgenossin, die man mal eben so ertragen kann,
unterschätzt, etabliert Lucy Steele sich im weiteren Verlauf
des Romans im Leben der Dashwood-Schwestern und ihrer
Verwandten... und verdrängt am Ende sogar Elinor und Edward
aus der Gunst der Grande Dame des Familienclans... Auf dem Weg
dahin bricht sie Herzen und Versprechungen – bohrt geradezu
ihre spitzen Krallen in Elinor hinein und zerreißt mit der
kalten Sachlichkeit eines Insektenforschers das arme Herz
ihrer Nebenbuhlerin... Mit einer Skrupellosigkeit ohne
gleichen benutzt sie den naiven Edward zur Durchsetzung ihrer
egoistischen Interessen – und lässt ihn genauso skrupellos
wieder fallen, als sie in seinem Bruder Robert Ferrars bessere
Beute wittert. Ja, sie plündert dabei sogar ihre eigene
Schwester Anne bis aufs Hemd aus und lässt sie mittellos in
London zurück...
Lucy Steele ist eine begnadete Lügnerin, Schmeichlerin,
Intrigantin, die stets die Macht wittert, sich unterordnen
kann, aber auch keine Angst hat, sich mit der Leitwölfin des
Ferrars-Clans – Mrs. John Dashwood – anzulegen, wenn der
Ausbau und die Verteidigung ihrer Machtbasis es erfordern... –
Dagegen ist doch Willoughby nur ein harmloser Stubentiger...
und der am Ende nicht nur sich selber leid tut – sondern auch
noch die Verzeihung und das Mitgefühl Elinors und Mariannes
erlangt... So etwas weinerliches hat Miss Lucy Steele in
keinen Phase ihres verruchten Lebens nötig: Sie ist immer und
überall mit sich im Reinen – sie plagt kein Gewissen und ihre
Opfer sind ihr völlig gleichgültig...
Am Ende kann man sich nur Jane Austen anschließen, die
feststellt: „Lucys ganzen Benehmen ... und
der Erfolg, von dem es gekrönt wurde, können ... als ein sehr
ermutigendes Beispiel dafür angeführt werden, dass eine
ernsthaft betriebene, beharrliche Verfolgung eigener
Interessen, sosehr der Fortschritt dabei scheinbar auch
gehindert werden mag, sich jeden Glücksvorteil sichern kann,
ohne dass etwas anderes geopfert werden müsste als Zeit und
Gewissen.“
Bruki
-------------------- "There’s no one to touch Jane when you’re in a
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Darcymania
Jane-Austen-Fan
Geschlecht: weiblich Herkunft: Registriert: Apr
2005 Status: Abwesend Beiträge: 37
Stimmung: |
Geschrieben Montag, Juni 6, 2005 @ 08:30:33
Wir haben uns ja bisher nur um die Schurken
gekümmert .... Schurkinnen - das ist ja nochmal ein weites
Feld Ist Lucy Steele der weibliche Mr. Elliot? Was
Intrigen und kalt geplante Machtspielchen anbetrifft ist der
ja immer noch mein "Liebling" ...
-------------------- Denk an die Vergangenheit nur
insoweit, als sie dir freudige Erinnerung bietet.
|
MierschB
Jane-Austen-verrückt
Geschlecht: männlich Herkunft: Brandenburg
Registriert: Jan 2005 Status: Abwesend Beiträge:
741
Stimmung: |
Geschrieben Montag, Juni 13, 2005 @ 20:28:39
Hm, Kerstin,
ich hab heute auch mal etwas gegoogelt (bei mir heißt es
gecopernicuckt )... Und dabei auch mal Deine Quellen für das
Verhalten und die Sitten der Regency aufgesucht.
Ein von einer amerikanischen Hausfrauenschriftstellerin
geschriebener Kriminalroman mit einem „schneidigen Dandy“ als
Hauptperson kann wohl nicht ernsthaft als Beleg für das
Verhalten der Menschen des Regency hergenommen werden, oder?
Also, ich behaupte mal, dass Kate Ross Beschreibung des Lebens
einer edlen Nutte und eines aus den besten Kreisen gefallenen
Mädchens eher Phantasie als Realitäten darstellt... Und ich
weiß nicht so recht, ob man die Ergüsse einer
Groschenromanschriftstellerin (Susannah Carleton) so erst
nehmen sollte... Deine Quelle Susannah Carleton beschreibt ja
auf ihrer Website damals und heute geschriebenen
Regency-Romancen...
Das wirkt auf mich jetzt so, als wolle man aus den Werken
Hedwig Courths-Mahler Beweise extrahieren, wie Frauen und
Männer im Wilheminischen Deutschland lebten... Oder als wolle
man eine Abhandlung über politische Ökonomie mit den Sprüchen
Onkel Dagoberts begründen?!
Ich hab leider keine deutschen Abhandlungen über das Leben
im Regency gefunden... Aber in einer Festschrift der Universität Göttingen
eine Menge über die englisch-deutschen Könige Georg I.-IV. und
die Beziehungen zwischen Hannover und England in der damaligen
Zeit. Zum Beispiel das hier über die deutsche Rezeption von
Richardsons „Clarissa“:
Interessant ist auch die Diskussion
über die für Haller so wichtige Glaubhaftigkeit und
historische Richtigkeit der dargestellten gesellschaftlichen
Konventionen. Obwohl Richardsons Roman für ihn „ein
Meisterstück in der Abschilderung der Sitten“ war (GGA, 1749,
S. 201), stellte er die Frage, ob denn in einer Nation, „die
auf ihre Gesetze und auf ihre Freyheit so eifersüchtig“ sei,
eine vornehme junge Dame monatelang in einem „liederlichen
Haus“ gefangengehalten werden könne, ohne dass man
Nachforschungen anstelle. In seiner Antwort wies
Richardson auf die besonderen, von Haller nicht vollständig
beachteten Raumgegebenheiten des Hinterhauses hin, außerdem
darauf, dass es Bösewichter wie Lovelace in jedem Lande, also
auch im Lande der Freiheit, geben könne. Nun korrigierte auch
Haller stillschweigend in einer etwas späteren Rezension (GGA,
1750, S. 610) seinen Standpunkt und bemerkte, dass die
schändliche Behandlung der Clarissa „zwar eine Unzufriedenheit
bey einem tugendhaften Leser, aber keinen Zweifel an der
Wahrscheinlichkeit erwecken kann“. Hier wurde also der
Kritiker durch den Autor zum Einlenken veranlasst.
(Theodor Wolpers, Literaturvermittlung zwischen Göttingen und
England im 18. Jahrhundert)
Jane Austen hat übrigens später genau dasselbe in
„Northanger Abbey“ kritisiert... Als Henry Tilney Catharine
darüber belehrt, dass es in einem aufgeklärten Land wie
England wohl nicht möglich wäre dass General Tilney seine Frau
auf dem Dachboden eingesperrt hielte oder gar ermordet habe...
Catherine schämt sich dafür, dass ihre Phantasie solche
Unwahrscheinlichkeiten entsprungen waren:
»Liebe Miss Morland, bedenken Sie die
schreckliche Art der Verdächtigungen, mit denen Sie sich
getragen haben. Von welchem Standpunkt aus haben Sie
geurteilt? Erinnern Sie sich daran, dass wir Engländer, dass
wir Christen sind! Befragen Sie Ihren Verstand, Ihr Gefühl für
das Wirkliche. Bereitet uns denn unsere Erziehung auf solche
Greuel vor? Stehen unsere Gesetze mit dergleichen in
Einverständnis? Können sie begangen werden, ohne dass sie in
einem Lande wie diesem bekannt würden, wo geselliges und
geistiges Leben auf so festen Füßen stehen? Liebste Miss
Morland, welchen Gedanken haben Sie sich hingegeben?« Sie
hatten das Ende der Galerie erreicht, und mit Tränen der Scham
in den Augen lief sie davon.
Bruki
-------------------- "There’s no one to touch Jane when you’re in a
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Kerstin RitterIN
Geschlecht: weiblich Herkunft: NRW Registriert: Jun
2004 Status: Abwesend Beiträge: 716
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Geschrieben Montag, Juni 13, 2005 @ 23:34:12
Schönen Dank, Bruki,
so als arme Hausfrauenschriftstellerinleserin habe ich da gar
keinen Durchblick. Nebenbei bemerkt, Kate Ross war
Rechtsanwältin. Und es soll unter Schriftstellern gelegentlich
üblich sein, Recherchen anzustellen. Vielleicht solltest
du mal von deinem hohen Ross runtersteigen... Aber wenn du
es halt besser weißt und es den Frauen nie schlecht ging, dann
hat sich Mary Wollstonecraft ja völlig umsonst um
Gleichberechtigung bemüht. Grüße, Kerstin
-------------------- "Sei ohne Furcht im Angesicht
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Kerstin RitterIN
Geschlecht: weiblich Herkunft: NRW Registriert: Jun
2004 Status: Abwesend Beiträge: 716
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Geschrieben Montag, Juni 13, 2005 @ 23:36:32
Hiermit beende ich
jede Diskussion über Frauenrechte, das Frauenleben und die
Stellung der Frau im Regency, ist ja alles gesagt.
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MierschB
Jane-Austen-verrückt
Geschlecht: männlich Herkunft: Brandenburg
Registriert: Jan 2005 Status: Abwesend Beiträge:
741
Stimmung: |
Geschrieben Dienstag, Juni 14, 2005 @ 15:40:36
Hallo Kerstin,
ich habe gemeint, wir diskutieren über Klischees und Trivia
in den verschiedenen Interpretationen von Jane Austens
Romanen... Dass wir uns über Frauenrechte in der Regency-Era
unterhalten, war mir nicht bewusst.
Ich gebe aber zu, dass der von mir verwendete Begriff
„Hausfrauenroman“ anstelle von „seichter
Unterhaltungsliteratur“ sexistisch und herabsetzend ist... Es
tut mir sehr leid, den benutzt zu haben... Und ich bitte um
Entschuldigung.
Falls Du über Mary Wollstonecraft und ihr Pamphlet über
„die Verteidigung der Rechte der Frau“ reden möchtest, sollten
wir uns in einem neuen Thread einrichten, hier passt das nicht
so recht hin... Ich hab früher mal eine Diskussion über
Erziehung in Jane Austens Romanen beginnen wollen - da hätte
man auch die unterschiedlichen Ansichten damals und heute zur
Erziehung von Jungen und Mädchen ansprechen können, die ja bei
Mary Wollstonecraft ein wichtiger Schwerpunkt ihrer Abhandlung
waren... Aber irgendwie ist keiner darauf eingegangen...
Ich denke seit einigen Tagen über Mary Bennet nach, die evtl. interessantes
zum Thema beitragen könnte...
Nun, das passt jetzt hier nicht so recht hin, aber wir
können ja, wenn Du magst, woanders hinwechseln...
Bruki
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