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Miss Mary Bennet
oder:
Was Mrs Bennet zum perfekten Glück noch fehlte

von Anne




Teil 1 Teil 2 Teil 3


4.Kapitel


Kapitel 3

Als Mary am nächsten Morgen das Frühstückszimmer betrat, war es noch sehr früh und so saß sie eine Weile allein, bevor Miss Dashwood sich zu ihr gesellte und sich auf den Platz gegenüber von Mary setzte. Der Butler brachte Tee, Toast, Butter und Marmelade.

"Ach," seufzte Miss Dashwood, nachdem sie einen Bissen des Toasts hinuntergeschluckt hatte, "wie sehr werde ich das hier alles vermissen."

"Das Frühstück?" fragte Mary nicht ohne einen Hauch von Ironie.

Margaret lachte. "Ja, vielleicht auch das Frühstück. Aber das wird es in Indien auch geben. Nein, ich werde die Darcys sehr vermissen, vor allem die Kinder, aber auch Ihre Schwester Elizabeth. Wissen Sie, Miss Bennet, ich habe zwar selbst schon zwei Schwestern, aber nach den Jahren, die ich hier verbracht habe, fühlt es sich an, als hätte ich auch noch eine dritte."

Mary erwiderte das nur mit einem Lächeln. Sie selbst konnte nur ahnen, wie man sich fühlte, wenn man eine Schwester hatte, eine, der man wirklich etwas anvertrauen konnte und die man nicht nur Schwester nannte, weil sie das von Geburt her war. Mary wollte das Thema wechseln und ihr fiel ein, dass sie Miss Dashwood noch gar nicht zum bisherigen Unterricht der Kinder befragt hatte.

"Miss Dashwood, es tut mir leid, dass ich Sie das erst jetzt frage, aber mir war es gestern nach all der Aufregung vollkommen entfallen: Was haben die Kinder bisher bei Ihnen gelernt?"

"Sie können alle lesen. William weiß bereits einiges über Geschichte und Geographie. Die Zwillinge beschäftigen sich am liebsten mit Tieren. John liest momentan vor allem in Kinderbüchern, lernt Reime und Lieder."

Sie sprachen noch eine Weile über die bisherige Ausbildung, bevor auch die anderen Bewohner Pemberleys am Frühstückstisch Platz nahmen.

Nur kurz nachdem sich alle neun eingefunden hatten, fuhr eine Kutsche vor und nur wenig später betrat ein junger Mann mit dunkelblondem Haar und braunen Augen, der ebenfalls eine rote Uniform wie der Colonel trug, den Raum. Abgesehen von Mary, die den Herren noch nie gesehen hatte, schienen auch alle anderen über dessen Besuch überrascht. Schon sprang Miss Dashwood von ihrem Platz auf, rief erstaunt "Robert!" und umarmte ihn stürmisch. Vermutlich war er ein Bruder von Miss Dashwood.

"Robert, wir hatten Sie heute am allerwenigsten erwartet. Welch wundervolle Überraschung! Nehmen Sie doch bitte Platz," begrüßte Ihn nun auch Elizabeth. Colonel Fitzwilliam und Mr. Darcy waren ebenso von ihren Plätzen aufgestanden und schüttelten die Hand des Besuchers.

"Und wer ist diese hübsche Dame, Darcy?" wandte er sich an ihren Schwager, als "Robert" an Marys Stuhl angelangt war.

"Robert, darf ich dir Elizabeths Schwester Mary Bennet vorstellen? Miss Bennet, das ist Leutnant Robert Townsend, Miss Dashwoods Verlobter."

"Hoch erfreut, Madame," begrüßte er sie und wandte sich dann wieder Margaret zu.

Also war Miss Dashwood gar nicht mit dem Colonel verlobt! Mary musste am Vortag etwas falsch verstanden haben. Wer würde auch Colonel Fitzwilliam freiwillig heiraten? Sie war immer noch leicht empört über sein Verhalten kurz nach der Rettung. Oh, wie es sie ärgerte, wie bloßgestellt er sie hatte!

"Mary? Miss Dashwood hat dich etwas gefragt," unterbrach Lizzy ihre Überlegungen. "Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken?" setzte sie lachend hinzu.

"Ich... oh, verzeihen Sie bitte, Miss Dashwood, ich war für einen Moment abgelenkt."

Sie sah, wie Colonel Fitzwilliam verstohlen grinste und die Kinder beinahe zu lachen begannen.

"Miss Bennet, eine meiner Brautjungfern ist leider erkrankt und wird nicht an meiner Hochzeit teilhaben können. Nun kam mir der Gedanke, dass Sie vielleicht ihren Platz einnehmen könnten. Miss Bennet, würden Sie mir die Ehre erweisen?"

"Ich...," Mary wusste nicht, was sie antworten sollte, so plötzlich war diese Bitte an sie herangetragen worden. Bei ihren Schwestern hatte sie dies wie selbstverständlich getan. Aber darum gebeten hatte sie noch niemand. "Ich, nun ja, ich würde sehr gern zu Ihrer Hochzeit kommen, das heißt, wenn ich darf." Hierbei blickte sie Elizabeth und Mr. Darcy an, um stumm um Erlaubnis zu bitten.

"Aber natürlich darfst Du," antwortete Lizzy, "wir werden sowieso alle dort sein."

Margaret jubelte vor Freude. "Oh, es wird wundervoll!"

*

Schneller als es den Darcys lieb war, kam der Abschied von Miss Dashwood und ihrem Verlobten. Nachdem auch die letzten Koffer in der Kutsche verstaut waren, versammelte sich die Gesellschaft am Haupteingang, an dem man am Tag zuvor noch Mary begrüßt hatte. Die Zwillinge Emma und Josephine weinten bitterlich und auch John kullerten Tränen übers ganze Gesicht. Nur William bemühte sich, nicht zu weinen, war er doch immerhin der große Bruder und große Brüder sollten nicht weinen, glaubte er. Margaret Dashwood umarmte alle vier Kinder und nahm ihnen das Versprechen ab, möglichst lieb zu ihrer Tante und neuen Lehrerin zu sein. Dann umarmte sie Lizzy und verabschiedete sich mit einem Knicks von Mr Darcy, der ihr einen Handkuss gab. Ihm gleich tat es der Colonel. Mary lächelte bei der Verabschiedung leicht scheu, wurde aber von Margaret ebenfalls in eine Umarmung gezogen. Als das zukünftige Ehepaar dann endlich in der Kutsche saß, wurden weiße Taschentücher aus Taschen gezogen und so lange gewinkt, bis von den beiden und ihrem Gefährt nichts mehr zu sehen war.

*

Am Nachmittag sollte die erste Unterrichtsstunde unter Marys Leitung stattfinden. Natürlich war sie etwas nervös. Die Kinder hatten den Unterricht von Margaret geliebt. Würden sie Marys überhaupt akzeptieren, so kurz nach Margarets Abreise? Sie hatte lange über die erste Unterrichtsstunde nachgedacht. Margaret hatte bisher englische Geschichte behandelt, die Zeit der Römer allerdings ausgelassen. Damit wollte Mary anfangen: mit dem großen Imperium und den verschiedenen Eroberungen der Kaiser. Sie sah es als guten Start, bevor sie in den kommenden Monaten mit dem Lateinunterricht für William beginnen würde, den er brauchte, bevor er auf ein Internat gehen könnte. Sie wollte mit dem für sie spannendsten Thema, den Punischen Kriegen, beginnen.

Mary zog sich ihr dunkelblaues Kleid an, ließ sich ihr Haar von Jenny hochstecken und ging eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn in die Bibliothek, um den großen Atlas zu holen, den sie dort entdeckt hatte. Als sie unten angekommen war, vernahm sie Stimmen aus dem Zimmer und klopfte an, bevor sie es betrat. Dort standen Mr. Darcy und Colonel Fitzwilliam und unterbrachen ihr Gespräch, um Mary fragend anzusehen.

"Mr. Darcy, dürfte ich mir ihren Atlas ausborgen? Ich brauche ihn für die kommende Unterrichtsstunde."

"Aber natürlich, Miss Bennet. Fitzwilliam, würdest du den Atlas bitte nach oben bringen. Er ist sicherlich zu schwer für Miss Bennet."

"Gern."

"Nein," unterbrach ihn Mary, "nein danke, ich kann ihn allein tragen. Wirklich."

Und schon trat Mary an das Regal heran, holte den Atlas heraus und war bemüht, den Colonel keines Blickes zu würdigen. Eilig verließ sie die Bibliothek und lief die Stufen hinauf zum Zimmer der Kinder, wohl schneller als es sich gehörte, denn das Buch war schwer, auch wenn sie es nicht zugeben wollte - jedenfalls nicht vor dem Colonel.

Sie hatte noch genug Zeit, alles vorzubereiten. Sie suchte die passende Seite aus dem Atlas heraus, sortierte die Zeichnungen, die sie zusammen mit Eleanor und Elizabeth Morton in Bath angefertigt hatte und rief sich noch einmal alle wichtigen Fakten ins Gedächtnis. Schon bald betraten William, Emma, Josephine und John das Zimmer, wenn auch mit betrübten Mienen. Die vier nahmen an einem runden Tisch Platz, an dem Mary bereits saß. Sie lächelte ihre Schüler aufmunternd an, holte tief Luft und begann mit dem Unterricht. Mary zeigte ihnen zunächst die Karte von Italien, versuchte ihnen anhand der Zeichnungen das Leben vor so langer Zeit anschaulich zu machen, fuhr dann mit dem Zeigefinger die Grenzen des römischen Reiches ab und zeigte ihnen Karthago und dessen Machtbereich. Als sie gerade beginnen wollte, vom zweiten Punischen Krieg zu erzählen, meldete sich Josephine zu Wort und bemerkte, dass das vielleicht wichtig sei, ihr aber zu langweilig, da sie nicht viel für Kriege übrig hätte.

"Zu langweilig?" Mary überlegte, wie sie die Stunde noch anders gestalten konnte.

"Miss Bennet, wenn ich ihnen vielleicht etwas vorschlagen könnte?"

Mary fuhr überrascht herum und sah, dass der Colonel in der Tür stand. Wie lange er dort bereits ihren Unterricht beobachtet hatte, wusste sie nicht. Sie runzelte die Stirn und versuchte ihre Stimme ruhig klingen zu lassen.

"Ja? Was haben Sie vorzuschlagen, Colonel Fitzwilliam?"

"Sie sollten das ganze vielleicht etwas anschaulicher gestalten."

"Anschaulicher?" Marys Stimme war trotz aller Bemühung etwas höher als gewöhnlich. Wie sollte sie die Geschichte noch anschaulicher gestalten? Sicher genügten doch die Zeichnungen und die Karte?

"Wenn sie erlauben, dann...." Der Colonel betrat das Zimmer und schien etwas in seiner Tasche zu suchen. "Ah, hier." Er holte mit einem Lächeln zwei kleine punische Schiffe aus Zinn hervor, sowie drei Zinn-Elefanten und stellte sie an die betreffenden Stellen auf der Karte.

".... und seht ihr, nachdem der erste Krieg noch mit Schiffen ausgefochten wurde, geschah etwas ungewöhnliches im zweiten...." So berichtete, nein erzählte der Colonel vielmehr die Geschichte von der Überquerung der Pyrenäen und Alpen mit Elefanten. An dieser Stelle konnte er auch die Mädchen wieder für die Geschichte gewinnen, mochten sie doch Tiere so sehr.

"Oh, Elefanten!" riefen sie beide aus und fragten ihren Onkel, ob er auch welche in Indien gesehen hätte, und wie sie eigentlich wirklich aussähen und vor allem wie groß sie wären. Schließlich wollten sie unbedingt auch selbst welche sehen. Mary, die seinen Erzählungen bisher wortlos und leicht schmollend gelauscht hatte, fiel etwas ein, wie sie die Kinder dazu bringen konnte, ihr wieder zuzuhören und nicht dem schrecklichen Colonel, der ihr so unverfroren die Aufmerksamkeit geraubt hatte.

"In London sind vor wenigen Wochen drei Elefanten aus Indien eingetroffen. Wenn es Eure Eltern erlauben, können wir uns die ansehen, wenn wir dort sind."

Sofort erstrahlten alle vier Kinder und baten Mary, dass sie doch möglichst bald um Erlaubnis der Eltern fragen möge. Dann wandte sie sich mit einem unterkühlten Lächeln an den Colonel: "Ich danke Ihnen für diese interessante Stunde, aber ich glaube, dass ich von hier an wieder selbst übernehmen kann."

"Stets zu Ihren Diensten, Miss Bennet."

Er verbeugte sich und verließ das Zimmer mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das Mary als selbstgefällig einstufte.

Nach nur noch wenigen Minuten, in denen sie vom letztendlichen Erfolg der Römer berichtete, was, nebenbei bemerkt, alle Kinder enttäuschte, schloss sie den Unterricht für dieses Mal und entließ die Kinder zum Spielen. Lachend liefen sie aus dem Zimmer und baten ihr Kindermädchen, doch schnell mit ihnen nach draußen zu gehen. Mary sammelte mit einem Seufzen alle Zeichnungen ein, band sie zusammen und verstaute sie in einer Tasche. Dann klappte sie den Atlas zu und brachte ihn wieder hinunter in die nun leere Bibliothek. Ihre erste Stunde war nicht so verlaufen, wie sie es sich gewünscht hatte. Sie war ganz und gar nicht glücklich über die Einmischung von Colonel Fitzwilliam. Wenn sie ähnliches in den nächsten Stunden vermeiden wollte, musste sie sich neue Methoden ausdenken. Mary war nun entschlossener denn je, ein würdiger Ersatz für Miss Margaret Dashwood zu werden.


Kapitel 4

Obwohl Elizabeth bereits hochschwanger war, und eine Reise für andere Damen im gleichen Zustand undenkbar gewesen wäre, war es ihr möglich zur Hochzeit von Margaret zu reisen. Dabei war es günstig, dass Matlock Manor* nur etwa eine halbe Stunde vom Stadthaus der Darcys in London gelegen war. Ende August machten sich Mr. und Mrs. Darcy, gemeinsam mit Kindern und natürlich Mary, auf nach London. Colonel Fitzwilliam war im Auftrag von Mr. Darcy bereits zwei Wochen zuvor abgereist, um in London alles für die Familie richten zu lassen. Hätte er das normalerweise selbst erledigt, so wollte er Elizabeth in ihrem derzeitigen Zustand nicht aus den Augen lassen.

Da waren sie gut 10 Jahre verheiratet und liebten sich jeden Tag mehr. Mary wurde beim Anblick von Lizzy und Mr. Darcy stark an ihre Onkel und Tante Gardiner erinnert, mit denen sie ein paar Jahre zuvor ebenfalls etwas Zeit hätte verbringen können. Manchmal fragte sich Mary, ob sie selbst nicht auch eine derartige Liebe erleben wollen würde. Manchmal wünschte sie sich das sehr. Dann wischte sie aber den Gedanken an derartiges aus ihrem Kopf und besann sich auf ihre tatsächliche Aufgabe. Wenn Gott ihr keinen Ehemann zugedacht hatte, so war es ihre Pflicht, die Rolle, die der himmlische Vater ihr gegeben hatte, auch mit allem, was sie geben konnte, auszufüllen.

In London angekommen, wurde ihr ein Zimmer zugewiesen, dass gleich neben dem Zimmer lag, was für die Studien der Kinder gedacht war. Genau wie das Studienzimmer in Pemberley war dieses hier sehr gut ausgestattet mit allem, was man für den Unterricht benötigte. Da gab es Schiefertafeln, Kreide, ein wenig Papier für besondere Anlässe, große Bilderbücher mit Abbildungen von Tieren und auch ein großer Atlas.

Jener sah noch sehr neu aus. Sein roter Einband erstrahlte im Mittagssonnenlicht. Vorsichtig strich Mary über ihn und öffnete die erste Seite und erschrak, als sie sah, dass dieser Atlas wohl von nun an ihr gehörte. Ihr Name stand fein säuberlich darin, aber Mary konnte die Handschrift nicht erkennen. Als sie sich noch darüber wunderte, klopfte auch schon Jenny an die Tür.

"Miss, ich habe Sie in ihrem Zimmer gesucht. Der Tee steht bereit. Darf ich Ihnen behilflich sein, sich frisch zu machen."

Mary kam sich fürchterlich vornehm vor und lächelte ihre treue Gehilfin an. "Vielen Dank, Jenny, das habe ich bereits erledigt, aber könntest Du bitte mein Haar erneut hochstecken?"

Zusammen gingen sie in Marys Zimmer, wo sie sich vor den Spiegel begaben.

"Mit Verlaub, Miss, wollen sie vielleicht ihr neues hellgelbes Kleid anziehen?"

"Denkst Du, dass das angemessener wäre?"

Mary war sich in solchen Dingen manchmal noch immer unsicher. Bisher hatte sie auf ein gepflegtes Äußeres geachtet, jedoch nie auf die Farbe oder den Schnitt ihres Kleides. Sie legte nicht viel wert auf Mode. Das hellgelbe Kleid war ein Geschenk Elizabeths gewesen und lag bei ihrer Ankunft bereits in ihrem Zimmer.

"Nun ja, wie ich höre, sollen noch andere Herrschaften zum Tee geladen sein. Und wer weiß, vielleicht sind ja auch einige hübsche Gentlemen darunter."

Kaum das sie es gesagt hatte, errötete Jenny auch schon.

"Oh, Miss Mary, das meinte ich nicht so. Ich finde nur, dass Ihre dunklen Augen in dem hellgelben Kleid besser zur Geltung kommen. Also..."

"Ist schon gut Jenny, Du hast ja recht. Es ist ein Geschenk Elizabeths und sie wird sich etwas dabei gedacht haben, als sie es mir kaufte."

Nachdem Mary das neue Kleid angezogen und Jenny Marys Haar neu hergerichtet hatte, ging die junge Lehrerin die lange Treppe hinunter in das Gesellschaftszimmer. Und tatsächlich vernahm sie fremde Stimmen aus dem Zimmer. Als sie das Zimmer betrat, war sie umso erstaunter, etwa 7 Damen mit Teetassen zu sehen.

"Mary, wie schön Dich endlich wieder zu sehen!"

Jane! Das war Jane, die sie da so freudig begrüßte und, ganz unddamenhaft auf sie zustürmte.

"Oh, Jane," sagte Mary, "ich bin so froh, dass Du schon hier bist."

Auch ihre Tante Gardiner war hier, zusammen mit ihrer ältesten Tochter, Alison, die bereits vor einem Jahr einen jungen Offizier geheiratet hatte. Dann erkannte Mary auch noch Miss Bingley. Mit einem höflichen Knicks begrüßte sie die Dame, die ihr nur einen abschätzenden Blick und gespitzte Lippen entgegenbrachte.

Auch Margaret Dashwood war dort und kam ihr mit gleicher Begeisterung entgegen wie Jane.

"Mary, ich muss Ihnen meine älteren Schwestern vorstellen! Das sind Mrs. Marianne Brandon und Mrs. Elinor Ferrars."

Mary begrüßte die freundlich lächelnden Damen ebenfalls mit einem Knicks. In ihren Gesichtern war die gleiche Grundehrliche Freundlichkeit wie in dem ihrer Schwester Margaret zu erkennen.

"Miss Bennet," sagte nun Marianne, "ich bin hoch erfreut, Sie endlich kennenzulernen. Margaret konnte gar nicht mehr aufhören, von Ihnen zu erzählen."

Mary lächelte und fragte sich, was Margaret berichtet hatte. Immerhin hatten sie sich kaum gesehen. Allerdings freute sie sich auf eine Teestunde mit den Damen, die, mit Ausnahme von Miss Bingley, allesamt von fröhlicher Grundstimmung zu sein schienen. Schnell fand sie heraus, dass Mrs. Brandon sich, ebenso wie Mary selbst, für Literatur interessierte. Vor allem die Romantiker hätten es ihr angetan. Mary und Mrs. Brandon zogen sich in eine Ecke zurück und diskutierten die neuesten Erscheinungen aus Deutschland.

"Miss Bennet, bitte nennen Sie mich Marianne. Ich fühle es, wir sind verwandte Seelen!"

"Gern, Marianne. Aber nur, wenn Sie mich Mary nennen."

Die Damen waren zu einer Abmachung bekommen und lachten über eine lustige Zeile aus einem Märchen der Gebrüder Grimm, als einige Herren das Zimmer betraten und die Damen zu einem Spaziergang im Hyde Park baten. Elizabeth bat darum, sich entschuldigen zu dürfen, da sie lieber etwas ruhen wollte, aber alle anderen nahmen die Einladung gern an. So machte sich die Gesellschaft auf, die Kutschen zu besteigen, da der Park doch immerhin zwei Straßen entfernt lag.

"Oh, Mary," bat Marianne, "sie müssen mit uns kommen. Ich möchte Ihnen meinen Gatten, Colonel Brandon vorstellen."

Mary willigte ein und ging mit zur Kutsche von Marianne. Dort stand allerdings ein anderer Colonel und half den Damen beim Einstieg: Fitzwilliam begrüßte Mary höflich mit einer Verbeugung und reichte ihr dann seine Hand zum Einstieg. Mary nahm sie dankend an, bemühte sich aber, ein kühles Gesicht zu bewahren.

Colonel Fitzwilliam nahm ebenfalls in der Kutsche Platz, gefolgt von einem etwas älteren Herren mit sandfarbenem Haar und einigen Linien auf seinem sonst so jugendlich wirkenden Gesicht.

"Mary, darf ich Ihnen meinen Gatten vorstellen? Das ist Colonel Brandon."

"Erfreut, Miss Bennet, ich habe schon so manches von Ihnen gehört," antwortete er schmunzelnd und wandte sich dann an Fitzwilliam, der neben Mary saß. "Das ist also die Dame, die Du aus einer misslichen Lage befreit hast, Fitzwilliam!"

Mary sah Fitzwilliam unverständlich an. Was hatte Colonel Brandon da eben gesagt? "Ich... Wie können Sie nur, Fitzwilliam? Ich dachte nicht, dass sie das Unglück all ihren Freunden erzählen würden," brach es aus Mary weniger damenhaft hervor. Sie war wütend und den Tränen nah.

Colonel Brandon kam ihm sofort zur Hilfe, Mary zu beschwichtigen. "Oh, Miss Bennet, vertrauen Sie mir, Fitzwilliam verriet mir keine Details. Aber immerhin war er mir eine Entschuldigung schuldig, nachdem er mich bei unserem geplanten Jagdausflug versetzt hatte.

Mary war nicht wirklich beschwichtigt, schwieg jedoch für die den Rest der Fahrt, die kaum länger als 5 Minuten dauerte. Im Park angekommen nahm sie widerwillig die Hand des Colonels Fitzwilliam, der ihr aus der Kutsche helfen wollte und stand dann etwas abseits von der Gruppe der Freunde, die nun zum Spaziergang ansetzte. Auch die Kinder waren mitgekommen, versammelten sich jedoch um Margaret, die sie schrecklich vermisst hatten. Mary seufzte und gesellte sich ebenfalls zu Margaret - für den Fall, dass sie hätte aushelfen müssen. Immerhin war sie die Gouvernante der Kinder. Es tat ihr ein wenig weh, zu erkennen, dass sie Margaret immer noch viel lieber hatten als sie. Aber das war wohl zu erwarten. Immerhin unterrichtete sie sie erst seit wenigen Wochen. Schweigend ging sie neben der fröhlichen Gruppe her und hatte kaum einen Blick für die schönen Bäume übrig. Zu sehr kam sie sich nur wie ein überflüssiges Anhängsel vor. Sie fragte sich, woher diese Gefühl kam, dass sie lange nicht mehr empfunden hatte. Zudem machte sich auch ein leichter Kopfschmerz immer mehr breit. Mary rieb ihre Schläfe unbewusst und blickte umher. Da sah sie, dass sich Miss Bingley an Colonel Fitzwilliams Arm festhielt und ihn mit klimpernden Wimpern anhimmelte. Offenbar hatte die Dame ihr Interesse auf den Cousin verlegt, nachdem Mr. Darcy Marys Schwester Elizabeth unablässig liebte. Mary konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Armer Colonel Fitzwilliam! Allerdings...vielleicht hatte er das Interesse der reichen Erbin mit Absicht auf sich gezogen. Als zweiter Sohn eines Lords hatte er kein eigenes Vermögen und musste zusehen, dass er eine reiche Dame heiratete. Plötzlich sah Colonel Fitzwilliam sie direkt an und verdrehte schmunzelnd seine Augen, als er Marys schadenfrohes Schmunzeln sah. Da erschrak sie und sah schnell wieder weg. Was fiel diesem Halunken nur ein so mit ihr zu kommunizieren? Wahrlich unschicklich!

© Anne 2003/04

*Matlock Manor - Sitz von Colonel Fitzwilliams Eltern, Lord und Lady Matlock. Hm. Steht so nicht in "Stolz und Vorurteil", aber da sich Miss Austen über die Eltern vom Colonel ausschweigt, gehe ich hier mit der allgemeinen Überzeugung der JA-Fanfiction-Schreiber und nenne die Familie Matlock.

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