Neu Archiv Autoren Kontakt Fanfiction-Links


Was wäre wenn...

von Becci




Teil 1 Teil 2 Teil 3


Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4

Kapitel 1

Lizzie hatte eigentlich vorgehabt, vollkommen ruhig zu bleiben. Bei dem Aufruhr, den es in ihrer Familie gegeben hatte, war das auch notwendig. Nachdem ihr Vater an einem plötzlichen Schlaganfall gestorben war, ging auf Longbourne nämlich alles drunter und drüber. Ihre Mutter hatte sich in tiefer Trauer und Bestürzung in ihr Zimmer zurückgezogen und strapazierte mit ihren Nerven, die ein solches Unglück einfach nicht ertragen konnten, nicht nur sich selbst, sondern die ganze Familie. Auch Kittie gab dem großen Verlust, den sie empfand - denn es war für sie ein großer Verlust, obwohl sie an ihrem Vater zu seinen Lebzeiten nie besonders gehangen hatte -, Ausdruck. Sie war zu jung, einerseits um zu verstehen, dass ihre Weinkrämpfe niemanden, nicht einmal ihr selbst halfen, andererseits um die geistige Stärke zu besitzen, die benötigt wurde, um Gefühle, egal wie stark sie auch waren, unter Kontrolle zu halten. Nein, Kittie konnte man wirklich keinen Vorwurf machen, denn schließlich hatte sie nicht nur ihren Vater verloren, sondern war auch im Begriff ihr Zuhause zu verlieren. Denn schon etwa zwei Wochen nach dem Tod von Mr. Bennet waren die Collinses auf den Rat von Lady Catherine de Bourgh in Longbourne eingezogen. Dieses Ereignis hatte natürlich zu einer deutlichen Steigerung des Schmerzes von Mrs. Bennet und Kittie geführt, denn nun mischte sich in die Trauer um den geliebten Ehemann und Vater der Abschiedsschmerz von einem liebgewordenem Zuhause und lieben Nachbarn und Freunden.

Denn dass man woanders hinziehen musste, war klar, und da Jane auf einen Brief Lizzies hin ihrer Familie sofort angeboten hatte, zu ihr nach Derbyshire zu kommen, wo sich Jane mit ihrem Mann etwa ein Jahr nach ihrer Hochzeit niedergelassen hatte. Lizzie hatte mit diesem Angebot im Stillen schon gerechnet und freute sich ihre Trauer um den geliebten Vater mit ihrer Schwester teilen zu können. Aber es gab etwas, was Lizzie an diesem großzügigen Angebots Janes beunruhigte: Da Jane hochschwanger war und nicht selbst nach Longbourne kommen konnte und da auch Charles Bingley seine Ehefrau in einer solchen Lage nicht allein lassen wollte, hatte er seinen engen Freund Mr. Darcy beauftragt, seine Schwiegermutter und Schwägerinnen in Longbourne abzuholen und bis nach Dufton Hall, Bingleys Ansehen in Derbyshire zu eskortieren. Lizzie konnte an dieser Regelung keinen einzigen Vorteil erkennen. Sie wäre lieber allein mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern nach Derbyshire gereist als mit Mr. Darcy als Begleiter. Denn eine solche Reise musste sowohl für Mr. Darcy, der ihre Familie doch verachtete, als auch für ihre Familie, die Mr. Darcy für unerträglich hielt, eine Qual sein. An ihre eigene Qual wagte sie nicht zu denken und hoffte, dass sie auch diese Unannehmlichkeit ertragen könne.

Doch nun, als man Mr. Darcys Ankunft erwartete, konnte sie nicht ruhig sitzen. Sie dachte wieder daran, wieviel Dank sie ihm schuldig waren. Denn dies war ja nicht der erste Freundschaftsdienst, mit dem er ihnen half, und schon damals war ihm dafür nie ansprechend gedankt worden. Letztlich wusste ja Lizzie allein, wieviel ihre Familie Mr. Darcy schuldig war, und trotz aller guten Vorsätze ihm für das, was er getan hatte, zu danken, hatte sie es doch nie übers Herz gebracht ihre Dankbarkeit in Worte zu fassen. Waren sie doch immer in Gesellschaft gewesen und nach dem Umzug der Bingleys nach Dufton Hall gar nicht mehr zusammengetroffen.

Sie wendete sich wieder ihrer Stickerei zu, als sie eine Droschke näherkommen sah. "Autsch", schimpfte Lizzie so laut, dass auch Charlotte und Mary von ihren Stickereien aufblickten. "Ich habe mir nur in den Finger gestochen," erklärte sie hastig, während sie nach einem Taschentuch kramte.

Weiterhin beobachtete Lizzie die Kutsche, die nun tatsächlich auf ihr Haus zusteuerte. Sie konnte kaum mehr ruhig sitzen und verließ eilig das Zimmer, um in der Küche nachzufragen, wie weit man mit dem Essen sei. Kaum aus dem Zimmer versuchte sie sich selbst zu beruhigen: "Komm Lizzie, ganz ruhig, es gibt nichts, worüber du dich aufregen müsstest. Es könnten genauso gut auch die Gardiners sein, die uns unterstützen und zu sich holen wollen."

Doch schon während sie versuchte sich mit diesen Worten zu beruhigen, hörte sie, wie Mr. Darcy Mary und Charlotte begrüsste. "Wo sind denn Ihre Schwestern und Ihre Mutter, Miss Bennet?", fragte er Mary. Mary entgegnete, dass ihre Mutter und ihre jüngere Schwester sich in ihren Schlafgemächern aufhielten und Lizzie kurz zuvor in die Küche gegangen war. Man beschloss daraufhin Lizzie zu holen, doch bevor Charlotte oder Mary auch nur den Raum verlassen konnten, um sie zu suchen, kam Lizzie, welche das Gespräch vor der Tür mitangehört hatte, schon wieder herein. Obwohl sie wusste, dass sie auf Mr. Darcy treffen würde, hätte sie nicht verwirrter sein können, wenn sie keine Ahnung gehabt hätte, dass ihr Gast angekommen war.

Mr. Darcy sah nämlich noch um einiges besser aus, als sie ihn in Erinnerung behalten hatte. Natürlich war er schon immer ein durchaus gutaussehender Mann gewesen, aber so gut wie an diesem Tag hatte er wohl noch nie ausgesehen. Trotz der langen Reise sah er frisch, ausgeruht und ordentlich aus, nur ein paar Haarlocken standen widerspenstig ab, was ihn aber nur noch attraktiver machte, wie Lizzie fand. Er war schwarz gekleidet, was er wohl angesichts des Trauerfalls für angemessen hielt, und blickte Lizzie ernst und aufmerksam an. Sie begrüssten einander und Lizzie erkundigte, wie seine Reise verlaufen sei. "Meine Reise ist durchaus angenehm verlaufen, aber darf ich Ihnen und Ihrer ganzen Familie mein tiefstes Mitgefühl angesichts dieses Unglücksfalles ausdrücken. Ich habe schon Ihrer Schwester gegenüber ausgedrückt, wie unsagbar groß mein Beileid gegenüber Ihrem Verlust ist."

Lizzie, die durch sein ehrliches Mitleid tief berührt wurde, konnte an dieser Stelle nicht anders, als ihn zu unterbrechen: "Mr. Darcy, Ihr Mitgefühl...., das Mitgefühl von Freunden in einer solchen Situation allgemein bedeutet mir, bedeutet uns als Familie sehr viel, aber Sie sollten sich nicht verpflichtet fühlen, es uns auszudrücken. Denn Ihre Anteilnahme an unserem Verlust zeigt doch schon Ihr ehrbares Handeln so deutlich, dass Worte nicht mehr nötig sind." Lizzie konnte bei diesen Worten kaum die Tränen zurückhalten und erklärte deshalb schnell, sie wolle jetzt ihre Mutter und ihre Schwester holen, und verließ den Raum.

Während Lizzie bei Mr. Darcy keinerlei Veränderung hatte feststellen können, schien Lizzie diesem durchaus verändert. Er hatte zwar schon damit gerechnet Lizzie sehr traurig vorzufinden, denn schließlich hatte ihr Vater ihr sehr viel bedeutet, aber sie so zu sehen, zerriss ihm schier das Herz. Sie hatte abgenommen und ihre Wangen waren blass geworden. Unter Ihren Augen hatte er tiefe Augenringe gesehen und das Funkeln in ihren Augen war verschwunden, was ihm besonders hart zusetzte. Sie so in Trauer um ihren Vater zu sehen, setzte Darcy stark zu. Am liebsten wäre er Lizzie nachgelaufen und hätte sie in den Arm genommen, aber er dies erlaubte ihm schon sein Anstand nicht. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass Lizzie sicher von niemandem weniger gerne getröstet worden wäre als von ihm. Nein, er konnte ihr nur in einer Hinsicht helfen: Er musste sie schnellstmöglich zu ihrer Schwester bringen. Mrs. Bingley konnte ihr besser in ihrer Trauer beistehen als er oder als ihre anderen Schwestern oder ihre Mutter es tun könnten.

Tatsächlich war schon zwei Tage später alles so weit geregelt, dass sie aufbrechen konnten. Da die Möbel erstmal im Besitz der Collinses bleiben sollten, bis klar war, wo Mrs. Bennet und ihre Töchter in Zukunft leben würden, reichte die Droschke von Mr. Darcy aus. Es war schon eine komische Gesellschaft, die da in einem Wagen auf engstem Raum zusammensaß: Kittie und Mrs. Bennet wechselten sich mit ihren Heulkrämpfen gegenseitig ab. Man konnte kaum ein Wort sagen, was nicht wenigstens eine der beiden in Tränen ausbrechen ließ. Mary machte mit ihren unheilvollen Aussagen über deren zukünftiges bedauernswerte Dasein alles nur noch schlimmer und Lizzie bemühte sich verzweifelt in irgend einer Art und Weise Konversation mit Mr. Darcy zu führen, der zu allem Überfluss auch noch direkt neben ihr saß.

Nachdem ihre Mutter und Kittie sie für ihre Kaltherzigkeit getadelt hatten in einer solchen Situation ein normales Gespräch zu führen und Mr. Darcy sie äußerst höflich darauf hingewiesen hatte, dass er von ihr nicht erwarte, dass sie ihn unterhalte, versuchte auch Lizzie nicht mehr ein höfliches Gespräch aufrechtzuerhalten und, nachdem auch Mary kein weiteres Unheil oder Unglück mehr wusste, was ihnen noch widerfahren könnte, wurde es ruhig in der Droschke.


Kapitel 2

Zuerst hatte Lizzie versucht, sich während der Fahrt auf die Landschaft, die an ihnen vorüberzog zu konzentrieren, doch dann fing es an zu regnen und draußen wurde es grau und dunkel, so dass Lizzie nichts übrigblieb als melancholischen Gedanken nachzugeben, die sie einerseits nicht verhindern konnte, denen sie aber andererseits nicht nachgeben konnte, nicht nachgeben durfte. Obwohl sie nicht befürchten musste, dass ihre Mutter oder ihre beiden Schwestern ihre Schwäche wahrnehmen würden - denn diese waren schon etwa eine Stunde nach der Abfahrt von Longbourne längst eingeschlafen gewesen -, aber Darcy, Darcy würde es wahrnehmen, wenn sie den Tränen, die sie schon so lange krampfhaft zurückhielt, freien Lauf ließ. Es war nicht so, dass Lizzie Angst davor gehabt hätte, vor Mr. Darcy ihre Trauer um den Tod ihren Vaters zu zeigen, aber sie kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sie, wenn sie solche Gefühle vor Darcy zuließ, auch die Gefühle, welche sie für Darcy empfand, nicht mehr zurückhalten könnte. Denn neben der Trauer, die sie über den Tod ihres Vaters empfand, hatte sein Tod noch andere Gefühle bei ihr ausgelöst, Gefühle, welche sie lange Zeit unterdrückt hatte.

Lizzies erster Gedanke, als sie vom Tod ihres Vaters erfuhr - während er starb, war sie nämlich gerade spazierengegangen - und den ersten Schock der Nachricht überwunden hatte, war, dass nur der Tod von zwei anderen Menschen aus ihrer Bekanntschaft ähnliche Trauer und Bestürzung bei ihr hätte auslösen können: der von Mr. Darcy und der von Jane. Und neben ihren Sorgen um Jane, die weit weg von ihr ein Kind erwartete, konnte Lizzie nicht umhin, immer wieder an Mr. Darcy zu denken und sich zu fragen, wie es ihm wohl ging.

Auch hier in seiner Droschke, mit seinem Körper dicht neben ihrem, konnte sie es nicht verhindern, dass ihre Gedanken immer wieder zu ihm zurückkehrten. ‘Ob er mich wohl noch liebt?’, fragte sie sich im Stillen. Sie beantwortete sich diese Frage mit 'Nein', denn es war doch unmöglich, dass er immer noch Gefühle für sie haben sollte.... Und selbst wenn da noch Gefühle für sie waren, schien es unmöglich, dass er diesen jetzt nachgeben könnte, nachdem sie ihn in den letzten anderthalb Jahren nur gelegentlich und zuletzt gar nicht mehr gesehen hatte. Wenn er sie trotz ihrer zuvorigen Ablehnung, trotz ihrer unmöglichen Familie, trotz der Schande, die Lydia mit der Familie gemacht hatte, und der Tatsache, Wickham, den er doch so sehr verabscheute, zum Schwager zu haben, hätte heiraten wollen, hätte er sich sicher anders verhalten und sie wären längst verheiratet. Alles, was er jetzt noch für sie empfinden konnte, war Mitleid und vielleicht so etwas wie Bedauern trotz dem eigentlich vorherrschendem Gefühl, dass es letzlich so, wie es gekommen war, besser gewesen ist.

Lizzie hätte sich mit dieser Einschätzung von Darcys Gefühlen nicht mehr täuschen können. Er empfand entgegen Lizzies Erwartung keineswegs so etwas wie Erleichterung. Die Enttäuschung über Lizzies Ablehnung war so stark wie eh und je, und wenn er es in der letzten Zeit vermieden hatte zu häufig mit Elisabeth Bennet zusammenzutreffen, dann nur, weil er glaubte, dass dies ihr Wunsch sein müsste und dass es für ihn so am leichtesten wäre, seine Gefühle für sie für immer aus seinem Herzen zu verbannen. Doch dies war ihm bisher nicht geglückt und, als er nun Lizzie wiedergesehen hatte, konnte er nicht anders, als tiefstes Mitleid für die Dame seines Herzens zu empfinden und sich zu wünschen ihr in ihrer Trauer beizustehen, ihre Tränen zu trocknen und sie in seine Arme zu nehmen.

Unbeabsichtigt bot Lizzie ihm dazu während ihrer Fahrt eine Gelegenheit. Denn nachdem sie soviele verwirrende und depressive Gedanken geplagt hatten, fiel Lizzie in einen tiefen Schlaf und ihr Kopf sank langsam an Darcys Schulter, der, kaum hatte er es bemerkt, sanft seinen Arm um sie legte.

Lizzie schlief auch dann noch tief und fest, als der Wagen vor einem Gasthaus anhielt. Mr. Darcy, der immer noch seinen Arm um sie gelegt hatte, rüttelte sie sanft wach: "Miss Bennet, wachen Sie auf, Elisabeth, aufwachen." Während er sich so sanft um Lizzie kümmerte und versuchte sie auzuwecken, wurden auch Kittie und Mrs. Bennet wach, die das Verhalten von Mr. Darcy sowohl neugierig als auch ein bisschen verwirrt verfolgten. Im Gegensatz zu Mr. Darcy, der nicht die beobachtenden Blicke Lizzies Familie auf sich spürte, war sich Lizzie dieser Blicke schon, bevor sie noch die Augen öffnete, bewusst. Als sie mit dem Aufschlagen ihrer Augen wahrgenommen hatte, wer da seinen Arm um sie gelegt hatte, wurde sie schamrot und rückte von Darcy ab. Darcy, der nun auch erkannte, in welche prekäre Lage er sie gebracht hatte, überspielte das Geschehene gekonnt, indem er erklärte, wo sie waren und wie lange sie sich hier aufzuhalten gedachten. Er half den Damen aus der Droschke: erst Mrs. Bennet, dann Kittie. Auch Lizzie streckte er seine Hand entgegen, doch sie ignorierte seine Hand, wobei sie es prompt schaffte, in eine tiefe Pfütze zu treten. Das dreckige Wasser platschte nur so an ihr hoch und Lizzie konnte nur noch hoffen, dass ihre Mutter es nicht bemerkt hatte.

Doch Mrs. Bennet hatte Lizzies Missgeschick bereits bemerkt: "Oh, Lizzie, wann wirst du endlich mal vernünftig. Wenn Mr. Darcy schon so höflich ist, dir aus dem Wagen zu helfen, dann wirst du dir demnächst auch helfen lassen. Keiner wird hier Rücksicht nehmen auf deine kindischen Eigenarten. Hast du mich verstanden! Im übrigen findet kein Mann eine Frau liebenswert, die meint, nicht auf seine Hilfe angewiesen zu sein und ihn damit blamiert. Was bist du nur für halsstarriges Ding!"

Mrs. Bennet verschnaufte kurz, um dann fortszufahren: "Und sieh einmal: wegen deinem Missgeschick ist nun auch der arme Mr. Darcy nass geworden. Was denkst du dir eigentlich? Willst du uns vor allen Leuten bloßstellen?" Nachdem Mrs. Bennet ihren Gefühlen auf diese Weise Luft gemacht hatte, drehte sie sich herum und ließ Lizzie zurück. In einer anderen Situation hätte Lizzie es lustig gefunden, dass ihre Mutter vom armen Mr. Darcy sprach, wo sie doch selbst Mr. Darcy immer unhöflich, arrogant und einfach unerträglich gefunden hatte, aber bei ihrer derzeitigen Wut auf sich selbst, Mr. Darcy und auch auf ihre Mutter, und der Scham, die sie angesichts der Geschehnisse der letzten paar Minuten empfand, war ihr keineswegs nach Lachen zumute. Und als sie in Darcys Gesicht so etwas wie ein verschmitztes Lächeln sah, hätte sie diesem am liebsten all ihre Wut an den Kopf geworfen. Wie konnte er sie nur so vor ihrer Familie blamieren? Wie konnte er dann auch noch mit einem Lächeln auf das Geschehene reagieren? Hatte sie sich vielleicht doch in seinem Charakter getäuscht? Machte Mr. Darcy sich etwa über sie und ihre Familie lustig?

Doch Darcy war weit davon entfernt, sich über Lizzie lustig zu machen. Nein, die Halsstarrigkeit, die Lizzie soeben bewiesen hatte, hatten ihm nur gezeigt, dass trotz allem Schmerz und aller Trauer Lizzie immer noch die Alte war: Halsstarrig, stolz, widerspenstig - wie er sie liebte.

Im Gasthaus wurden Darcy und die Bennet-Familie, nachdem sie sich kurz frisch gemacht hatten, erst einmal mit Essen versorgt und da alle sehr hungrig waren, weil man den ganzen Tag nichts gegessen hatte, war es beim Essen auch sehr still. Lizzie hatte schon fast erwartet, dass ihre Mutter beim Essen ihr Missgeschick noch einmal erwähnen würde, aber damit lag sie falsch. Sogar Mrs. Bennet war so hungrig, dass sie es vorzog zu essen und das Reden weitgehend vernachlässigte.

Doch Lizzie sollte noch erfahren, dass ihre Mutter trotz ihrer Schweigsamkeit beim Essen durchaus beabsichtigte, ihre sture Tochter zu ermahnen und in ihre Schranken zu weisen. Als alle anderen aufstanden, um auf ihre Zimmer zu gehen, rief Mrs. Bennet Lizzie zurück. Lizzie hatte mit etwas in dieser Art schon fast gerechnet, aber was Mrs. Bennet dann sagte, hatte Lizzie nicht erwartet: "Lizzie, du weißt, dass ich deine Abneigung gegenüber Mr. Darcy stets geteilt habe und wäre dein Vater noch am Leben, würde ich dich in keinster Weise tadeln, wenn du Mr. Darcys Aufmerksamkeiten zurückweisen würdest, aber dein Vater ist tot und wir haben unser Zuhause verlassen müssen. Lizzie, weisst du was das für mich bedeutet, was das für unsere Familie bedeutet? Ich habe immer gerne auf Longbourne gelebt und nun wurde ich aus meinem eigenen Haus vertrieben. Lizzie, das kann noch nicht einmal dich kalt lassen!" Bei den letzten Worten war Mrs. Bennets Stimme in ein Schluchzen übergangen. Sie verharrte einige Momente schluchzend, um dann wieder auf ihre Tochter einzureden: "Lizzie, ich kann mir nicht erklären, warum Mr. Darcy gerade dich ausgesucht hat - Ich meine, du bist weder besonders hübsch, noch besonders freundlich, du kannst es nicht dir selbst zuschreiben, dass er Interesse für dich zeigt - aber es ist deutlich zu erkennen, dass er Gefühle für dich hegt." Hier wollte Lizzie widersprechen, aber Mrs. Bennet ließ sie nicht zu Wort kommen: "Lizzie, du hast immer deinen Willen bekommen, aber nun ist der Tag gekommen, wo du auch einmal etwas für deine Familie tun musst. Mr. Bingley kann nicht für uns alle sorgen." Hier dachte Lizzie nur zynisch: ‘Ach wirklich, ich dachte, das wäre seine Aufgabe. Deshalb sollte Jane ihn doch heiraten.’ Doch sie behielt ihre Gedanken für sich und Mrs. Bennet fuhr unbeirrt fort: "Lizzie, es kann nicht immer nach deinem Willen gehen. Wenn Mr. Darcy dich bitten sollte, seine Frau zu werden, sag Ja. Er ist vielleicht nicht der Mann, den du dir als Ehemann gewünscht hast, aber er ist reich und wird dich versorgen können. Oder willst du immer nur auf Janes Kosten leben?" "Nein," gab Lizzie unwillig zu. Dieses Gespräch sagte ihr gar nicht zu. Wenn Mr. Darcy sie nicht um ihre Hand bitten sollte, was angesichts allem, was zwischen ihnen geschehen war, wahrschienlich war, würde ihre Mutter ihr auch noch die Schuld daran geben. Oh, hätte doch ihre Mutter nie von Darcys Zuneigung zu ihr erfahren!

Mrs. Bennet hatte von Lizzie erwartet, dass sie ihr zustimmte und ihre Bereitschaft aussprach sich für die Familie zu opfern, doch als Lizzie nichts dergleichen sagte, fuhr Mrs. Bennet fort: "Lizzie, du scheinst immer noch nicht zu verstehen, was eine Heirat mit Mr. Darcy dir und deiner ganzen Familie bringen würde. Er könnte Wickham und Lydia unterstützen, was Mr. Bingley gar nicht oder nur ungern tut. Ich will ja nichts gegen Bingley sagen, aber in diesem Punkt ist er sehr selbstsüchtig. Er tut Lydia und Wickham in diesem Punkt großes Unrecht. Und bedenke nur: Mit einer familiären Verbindung nicht nur zu Bingley, sondern auch Darcy wäre es möglich Mary und Kittie in die gute Gesellschaft einzuführen und Bingley müsste nicht alle Kosten für die Versorgung von mir und deinen Schwestern bis zu ihrer eventuellen Heirat tragen. Lizzie, denk nur daran, wieviele Vorteile es hätte" Als Lizzie immer noch schwieg, brach Mrs. Bennet in Tränen aus: "Lizzie, denkst du denn gar nicht an meine Nerven? Sind dir deine Mutter und deine armen Schwestern nicht so viel wert, dass du dafür deine eigenen Wünsche nur einmal zurückstellen kannst? Denkst du nicht, dass es im Sinne deines Vaters wäre, wenn du dich um deine Familie kümmerst? Wir haben dich immer geliebt und dich mit allem versorgt, was du brauchtest. Wie kannst du jetzt nur so undankbar sein? Wie kannst du allein an deinen Vorteil denken? Wie kannst du deiner Familie einen solchen Wunsch abschlagen? Lizzie, du musst mir versprechen, Mr. Darcy in seiner Zuneigung zu dir nicht vor den Kopf zu stoßen und sein Angebot anzunehmen, wenn er dich bitten sollte, seine Frau zu werden. Versprich es mir Lizzie, versprich es mir!" Die letzten Worte von Mrs. Bennet gingen in ein lautes Schluchzen über. Sie hörte erst damit auf, als Lizzie, viel früher als Mrs. Bennet es erwartet hätte, ihr Versprechen zu dieser Vereinbarung gab: "Mamma, ich heirate Mr. Darcy, wenn er mich fragen sollte."
"Was für ein gutes Kind du bist!", rief Mrs. Bennet aus und fragte noch einmal, um sich auch ganz sicher zu sein: "Das wirst du wirklich für deine Familie tun?"
"Ja, ich mach es," sagte Lizzie und fügte noch schnell hinzu: "Für die Familie." Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, schaute Lizzie zufällig hoch und sah direkt in die Augen von Mr. Darcy, der schon länger in der Tür gestanden hatte. Als sie den Ausdruck in seinen Augen sah, wurde ihr schlagartig klar, dass er ihr Gespräch mitbekommen hatte, und bevor er sich umdrehte und ohne ein Wort den Raum verließ, blickte er sie noch einmal zutiefst verletzt, vorwurfsvoll und voller Enttäuschung an.

Lizzies Herz fühlte sich an, als würde es in diesem Moment zerreißen, und der einzige Gedanke, der ihr durch den Kopf ging, war: ‘Jetzt hast du ihn endgültig verloren!’ und so bekam sie von den weiteren Worten Mrs. Bennets nur wenig mit, welche vor lauter Vorfreude auf eine Hochzeit voller Lob für Lizzie und Darcy waren - denn nun, nachdem es entschieden war, dass Lizzie Darcy heiraten würde, war sein Charakter längst nicht mehr so unerträglich wie er noch einige Stunden zuvor gewesen war (Schließlich war Mrs. Bennet noch während der Fahrt empört gewesen, dass Lizzie Konversation mit einem solchen Mann für notwendig und wichtig hielt.).


Kapitel 3

Lizzie schlief in dieser Nacht sehr schlecht und, als sie am nächsten Morgen mit vor Tränen verquollenen Augen und pochenden Kopfschmerzen aufwachte, ging es ihr auch nicht besser als am Abend zuvor. Sie richtete sich soweit her, dass weingstens ihre Mutter und ihre Schwestern nichts bemerkten. Nur Darcy sah sie mit einem fragendem Blick an, wandte sich dann aber wieder seinem Frühstück zu, ohne dass auch nur eine Regung in seinen dunklen Augen zu beobachten war. Während Lizzie hoffte, dass er ihren Gefühlszustand richtig deuten würde und darin die Beschämung über Mrs. Bennets Verhalten und ihr aufrichtiges Mitgefühl angesichts der Kränkung, welche ihm durch ihre Worte zugefügt worden war, erkennen würde, war es für Darcy offensichtlich, dass nur die Tatsache den verhassten Mr. Darcy heiraten zu müssen, Grund für Lizzies Tränen gewesen sein konnte. Anstatt Mitleid mit ihr zu empfinden, fühlte er sich zutiefst beleidigt. Er richtete kein Wort an Miss Bennet und vermied während des ganzen Essens den Augenkontakt mit ihr. Mrs. Bennet, die an diesem Morgen äußerst gute Laune hatte, bekam nicht mit, wie Mr. Darcy Lizzie ignorierte, Aber Lizzie fühlte diese Ungerechtigkeit ihr gegenüber sehr deutlich.

Auch auf der Weiterfahrt, die sofort nach dem Frühstück angetreten wurde, änderte sich Darcys Verhalten nicht. Sogar Mrs. Bennet bemerkte nun Mr. Darcys abweisendes Verhalten. Sie blickte vorwurfsvoll Lizzie an, sagte aber nichts, sondern versuchte ihrerseits Mr. Darcy durch ihre Unterhaltung aus seiner reservierten Haltung herauszuholen. Lizzie, die wusste, wie sehr Mr. Darcy Mrs. Bennets Art verabscheute, war sich bewusst, dass Mrs. Bennet es wohl kaum schaffen würde, Mr. Darcys Zuneigung für ihre sture Tochter zurückzugewinnen. Tatsächlich reagierte Darcy auf alle Versuche von Mrs. Bennet ein Gespräch anzufangen, nur mit kühler Höflichkeit. Er sagte kaum mehr als zwei Worte und wendete sich wieder ab. Nur als Mrs. Bennet das Thema "Heirat" anschnitt und Mr. Darcy fragte, ob er sich nicht auch eine Frau und Kinder wünsche, ließ Darcy sich dazu hinreißen, mehr als seine üblichen zwei Worte zu sagen: "Mrs. Bennet, ich denke, jeder wünscht sich, zu heiraten und eine Familie zu gründen. So auch ich. Aber da ich im Besitz eines anständigen Vermögens bin und aus einer angesehenen Familie stamme, brauche ich weder für Ansehen noch für Geld zu heiraten. Die Liebe bliebe als dritte Alternative bestehen, aber da sind meine Chancen eher gering: Die einzige Frau, die ich wirklich liebe, geliebt habe, hat mir leider bewiesen, dass ich mich in ihrem Charakter schwer getäuscht habe. Doch auch ich habe bisher noch nicht die Hoffnung aufgegeben, eine Frau zu finden, die würdig ist, meine Gattin zu sein."

Mrs. Bennet, die die Bedeutung von Mr. Darcys Worten nicht ganz ausmachen konnte, war sich nicht klar, ob er mit diesen Worten eine Heirat mit Lizzie völlig ausschloss oder Lizzie als die Frau ansah, die ihn möglicherweise über seine früheren Enttäuschungen hinwegtrösten konnte, jedenfalls schwieg sie für eine Weile und erwähnte das Thema "Heirat" oder "Ehe" mit keinem Wort mehr, da Mr. Darcy es während seiner Rede sehr deutlich gemacht hatte, dass er keine weiteren Fragen zu diesem Thema mehr wünschte, und Mrs. Bennet wollte angesichts einer möglichen Heirat zwischen Darcy und Lizzie auf keinen Fall Mr. Darcys Missfallen erregen.

Doch wenn sie auch Darcy selbst nicht nach der Bedeutung seiner Worte fragen konnte, so versuchte sie doch zumindest im Gesicht ihrer Tochter zu lesen, was Mr. Darcy mit seinen Worten meinen konnte. Lizzie hatte sich jedoch, obwohl im ersten Moment deutlich erschrocken und verletzt nach dem ersten Schock, den Darcys Worte bei ihr ausgelöst hatten, schnell wieder gefangen, als sie bemerkte, dass ihre Mutter sie beobachtete, und gab den Gefühlen, die Darcys Worte bei ihr auslösten, wenigstens nach außen hin nicht nach. Doch, auch wenn sie es nach außen hin nicht zeigte, hatten Darcys Worte einen so tiefen Schmerz bei ihr ausgelöst, wie sie ihn noch nie zuvor gefühlt hatte. Er sah sie als seiner unwürdig an, ja, er hielt sie sogar für so kalt und berechnend, dass sie ihn nur wegen des Geldes heiraten wollte. Er war so voller Bitterkeit gewesen, so voller Hass. Er, er musste sie hassen! Lizzie konnte bei diesem Gedanken vor Schmerz fast nicht mehr an sich halten, aber sie schaffte es alle Tränen zurückzuhalten und höflich auf die Fragen ihrer Mutter zu antworten, die immer noch versuchte ein Gespräch in Gang zu bringen. Erst als ihre Schwestern und Mrs. Bennet, nachdem diese es endgültig aufgegeben hatte, ein Gespräch mit Mr. Darcy anzufangen, eingeschlafen waren und sie sich versichert hatte, dass Mr. Darcy, welcher wieder neben Lizzie saß, in eine andere Richtung schaute, wagte Lizzie es einzelne Tränen zuzulassen. Doch schon bald rollten nicht nur einzelne Tränen über ihre Wangen, sondern ein ganzer Tränenschwall bahnte sich den Weg durch Lizzies Gesicht. Sie verbarg das Gesicht in ihren Händen und versuchte ihr Schluchzen zu kontrollieren. Aber Darcy hatte ihre Tränen bereits bemerkt. Er bot ihr sein Taschentuch an und ermahnte sie mit kühler Stimme, aber liebenden Augen, dass sie doch an ihre Schwestern und ihre Mutter denken solle, die aufzuwecken sie doch sicher nicht beabsichtigte. Darcy war hin und her gerissen zwischen einerseits tiefem Mitgefühl für Lizzie und andererseits der Überzeugung, dass dieser Tränenschwall eventuell nur Kränkung angesichts dessen, was er gesagt hatte, war. Oder schlimmer noch, dass sie bewusst mit diesen Tränen vorhatte, sein Mitgefühl und seine Liebe zurückzugewinnen. Auch wenn er das nicht glauben konnte, war er doch weit davon entfernt, die Tränen als Zeichen von Lizzies Zuneigung zu sehen. Er hatte sie vielleicht beleidigt oder gekränkt, aber dass er sie ernsthaft verletzt hatte, hielt er nicht für möglich.

So sagte er, als Lizzie immer noch nicht aufhörte zu weinen, schließlich: „Es tut mir außerordentlich leid, wenn ich Sie durch meine Äußerungen gegenüber Ihrer Mutter gekränkt haben sollte. Glauben Sie mir, dass das keinesfalls meine Ansicht war, aber ich kann nicht lügen und ich will es auch nicht. Ich bin nicht der Mann, der eine Frau heiratet, die nur an meinem Ansehen und Vermögen interessiert ist und weder Respekt noch Liebe für mich empfinden kann. Und auch meine Liebe zu Ihnen, welche bis zu heutigen Tag besteht, wird mich nicht dazu bringen, einen Heiratsantrag zu erneuern, der uns beide nur unglücklich machen würde. Wegen dem Tod Ihres Vaters fühlen Sie sich hilf- und schutzlos und sind bereit jede Möglichkeit zu nutzen, Ihrer Familie und Ihnen selbst zu helfen, doch bedenken Sie, wie schnell Sie eine solche Entscheidung bereuen würden. Eine Heirat, mit einem Mann, den Sie aus tiefstem Herzen verabscheuen! Nein, das kann und will ich weder Ihnen noch mir antun! Und nun lassen Sie uns nie wieder dieses Thema anschneiden!"

Lizzie konnte nicht anders, als ihm zu widersprechen: "Mr. Darcy, bitte lassen Sie mich das erklären. Es.." Weiter kam Lizzie nicht. "Miss Bennet, Ihr Wunsch mir Erklärungen für Ihr Verhalten zu geben, ehrt Sie. Aber ich erwarte nichts dergleichen von Ihnen."
"Aber ich möchte doch...," unterbrach Lizzie ihn. Doch wieder ließ er sie nicht aussprechen: "Sie brauchen mir nichts zu erklären. Ich denke, ich habe sehr gut verstanden, was Sie mir sagen wollten. Es tut auch mir leid, dass ich dieses unglückselige Versprechen mitbekommen habe. Aber nun wollen wir es ein für alle Mal vergessen." Wieder wollte Lizzie etwas einwenden, aber er fuhr fort: "Miss Bennet, machen Sie sich keine Sorgen. Ich grolle Ihnen deswegen nicht. Ihr Verhalten war ganz natürlich angesichts der Umstände, in denen Sie sich im Moment befinden. Bitte, versuchen Sie auch zu schlafen. Wir werden heute über Nacht keine Rast mehr machen und morgen sind Sie schon bei Ihrer geliebten Schwester." Lizzie war klar, dass es keinen Sinn machte, ihr Gespräch jetzt noch fortzuführen. Darcy würde sie sowieso nicht zu Wort kommen lassen. Also versuchte sie tatsächlich etwas zu schlafen, wobei sie sich diesmal aber bewusst an Mary lehnte, welche auch neben ihr saß.

Darcy beobachtete Lizzie, während sie einschlief, und fragte sich, ob er wirklich richtig gehandelt hatte, ob er nicht doch Lizzies Versprechen gegenüber ihrer Mutter hätte ausnutzen sollen. Dann dürfte er sie immer so im Arm halten wie er es gestern getan hatte. Aber dann dachte er daran, wie schrecklich es für ihn gewesen wäre zu wissen, dass Lizzie ihn nur wegen einem Versprechen ihrer Mutter gegenüber geheiratet hatte. Wie er darunter gelitten hätte, dass seine Ehefrau nur Verachtung für ihn empfinden konnte. Wie er sich nie hätte sicher sein können, ob die Zuneigung, welche sie ihm entgegen gebracht hätte, ehrlich oder erzwungen war. Bald hätten Lizzie und er sicher so gestritten, dass sie nicht einmal mehr höflich miteinander hätten umgehen können.

Nein, das hätte er nicht ertragen können, und selbst wenn er hoffte, dass Lizzie nicht mehr eine ganz so schlechte Meinung von ihm hatte wie sie bei seinem Heiratsantrag in Hunsford geäußert hatte, war er sich nicht sicher, ob selbst diese revidierte Meinung, die sie jetzt von ihm hatte, das wäre, was er von seiner zukünftigen Ehefrau erwarten würde. Vielleicht verbarg sie jetzt nur ihre Antipathie gegenüber ihm besser oder hatte nun im Gegensatz zu ihrer früheren Abneigung vollkommen gleichgültige Gefühle ihm gegenüber.

Nein, er hatte schon richtig gehandelt, so versicherte Darcy sich selbst und doch... da war etwas gewesen. Er konnte nicht ausmachen, was es war, aber etwas war anders. ‘Darcy, du bist ein verliebter, eitler Narr,’ schalt er in Gedanken: ‘Immer noch kannst du es nicht glauben, dass sie keine Gefühle für dich hat. Aber es ist so! Finde dich endlich damit ab!’

Er schaute hinaus, wo es langsam dunkel wurde, und beschloss angesichts der schmerzlichen Gefühle, die das Wiedersehen mit Elisabeth Bennet bei ihm ausgelöst hatte, einmal mehr dieses Mädchen für immer zu vergessen. Und um dieses Ziel zu erreichen, würde er von Dufton Hall direkt weiter nach London reisen ohne sich dort länger als ein oder zwei Tage aufzuhalten.


Kapitel 4

Lizzie wachte am nächsten Morgen durch die Sonnenstrahlen auf, die durch die Fenster der Droschke schienen. Zwar fühlte sie jeden einzelnen Knochen, aber sie war gutgelaunt und zuversichtlich in ihrem Glauben, dass nun, da sie wusste, dass Darcy sie immer noch liebte und ihr das unglückliche Versprechen gegenüber ihrer Mutter nicht übelnahm, auch die restlichen Missverständnisse zwischen ihnen bald geklärt werden könnten.

Jetzt aber musste sie sich erst einmal auf ihr Wiedersehen mit Charles und Jane vorbereiten. Ob Jane ihr Kind schon bekommen hatte? Und wenn ja, ob Mutter und Kind gesund und munter waren? All diese Fragen gingen ihr durch den Kopf.

Und sie musste auch nicht lange auf deren Antwort warten, denn kaum eine halbe Stunde nach ihrem Erwachen, waren sie schon in Dufton Hall, wo Bingley sie bereits ungeduldig erwartete.

Er drückte auf die freundlichste Weise sein Mitgefühl aus und erkundigte sich, wie die Fahrt verlaufen war. Mrs. Bennet erklärte daraufhin, wie sehr diese Reise ihre Nerven beansprucht hatte. Doch Lizzie, die fast schon ungeduldig Darcys Hand erwartete, die ihr beim Aussteigen behilflich sein sollte, konnte dem Gespräch nicht folgen. Ihre Gedanken waren zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um den üblichen Begrüßungen Beachtung zu schenken. Ihre Gedanken und ihre Augen waren auf Darcy geheftet, doch dieser schien in keinster Weise gewillt ihr beim Aussteigen zu helfen. Zwar hatte er ihrer Mutter und Kitty aus dem Wagen geholfen, aber ihr streckte er seine Hand nicht entgegen. Erst als sie ihm ihre Hand entgegenstreckte und mit einem "Mr. Darcy" auf sich aufmerksam gemacht hatte, half er ihr aus dem Wagen und entledigte sich ihrer Hand wieder, sobald sie auf festem Boden stand, ohne sie auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben.

Lizzie erkannte, dass sie vielleicht etwas zu zuversichtlich in der Annahme gewesen war, dass die zwischen ihnen bestehenden Missverständnisse so leicht überwunden werden konnten, doch optimistisch wie sie war, glaubte sie, dass nähere Bekanntschaft und freundliche, aber zurückhaltende Aufmerksamkeit Darcy schließlich von ihrer Zuneigung überzeugen und alle seine Zweifel beseitigen würden.

In diesem Moment hingegen wollte sie nicht über Mr. Darcy nachdenken. Sie hatte gehört, wie Bingley Janes Namen erwähnt hatte, und war nun ganz Ohr, was er zu sagen hatte. Und tatsächlich gab es Neuigkeiten und was für welche! Jane hatte einen Tag zuvor ihr Kind bekommen, eine Tochter, die zu Lizzies Freude ihren Namen tragen sollte.

Nachdem sie all dies gehört hatte, konnte sie nicht anders als vorzulaufen, um ihre Schwester zu suchen. Jedenfalls war ihre Freude übergroß, als sie endlich Jane umarmen und ihre Nichte sehen konnte, und so sprachen die beiden Schwestern zunächst einmal nur darüber, wie sehr sie sich freuten einander wiederzusehen.

Hatte Lizzie gedacht, dass der Tag genauso angenehm weitergehen würde, wie er begonnen hatte, hatte sie sich zutiefst getäuscht. Beim Mittagessen verkündigte Darcy, dass er vorhabe, am nächsten Tag nach London zu reisen, und sowohl die freundlichen und höflichen Einladungen Bingleys, dass er ruhig noch einen Tag in Dufton Hall verbleiben könne, als auch die penetranten Belästigungen Mrs. Bennets, wie schlimm es wäre, einen so engen Vertrauten der Familie so schnell wieder abreisen zu sehen, konnten Mr. Darcys Meinung nicht ändern.

Doch trotz alldem war Lizzie der Ansicht, dass Bitten ihrerseits gewiss mehr Erfolg gehabt hätten, und, nachdem er ihr während des Vormittags aus dem Weg gegangen und beim Mittagessen ein Gespräch mit ihr vermieden hatte, bot sich ihr am Nachmittag schließlich eine Möglichkeit mit Mr. Darcy zu sprechen: Sie hatte sich für eine Weile in das Musikzimmer zurückgezogen, da sie dort den aufdringlichen Fragen und taktlosen Bemerkungen ihrer Mutter für einen Augenblick entkommen konnte, als sie dort zufällig einen Stapel Noten auf dem Flügel liegen sah. So entschied sie sich eine Weile auf dem Flügel zu spielen, damit ihre Mutter ihr nachher nicht auch noch vorwerfen konnte, sie hätte die Zeit vertrödelt. Sie setzte sich also nieder und spielte einige Lieder, nicht besonders gekonnt, aber mit viel Gefühl. Zuerst bemerkte sie nicht, dass Darcy, der gerade von seinem Ausritt zurückgekommen war, ins Zimmer gekommen war und ihr selbstvergessen zuhörte, aber dann spürte sie, dass sie beobachtet wurde, und blickte hoch. Sie sah den verliebten, sehnsüchtigen Blick in Darcys Augen und wollte ihm gerade ein ebenso liebevolles Lächeln zu schenken, als seine Gesichtszüge sich plötzlich verhärteten und er sich zum Gehen wandte.

Lizzie, bestärkt in ihrer Zuneigung zu ihm und unwillig ihn einfach gehen zu lassen, rief ihn zurück. Tatsächlich drehte sich Darcy um und wartete, bis Lizzie, welche sozusagen in Windeseile vom Flügel zu Mr. Darcy gehastet war, direkt vor ihm stand.

Da Mr. Darcy keine Anstalten machte, ein Gespräch anzufangen, musste Lizzie allen ihren Mut zusammennehmen, um folgendes zu sagen: "Mr. Darcy, es gibt eine Sache, die ich Ihnen unbedingt sagen muss, bevor Sie nach London reisen." Darcy schien sie unterbrechen zu wollen, war aber zu überrascht, um irgendetwas zu sagen. So fuhr Lizzie fort: "Mr. Darcy, ich möchte Ihnen meinen tiefsten Dank aussprechen. Meine Familie und ich schulden Ihnen soviel, dass es wahrscheinlich ist, dass wir Sie niemals für das entgelten können, was Sie für uns getan haben. Dennoch muss und werde ich Ihnen meinen Dank aussprechen, der vielleicht ein bisschen von der Dankbarkeit deutlich macht, welche ich Ihnen gegenüber empfinde." Darcy, der zunächst verwundert über Lizzies Worte gewesen war, hatte mittlerweile sein Selbstbewusstsein und seine Sprache wiedergewonnen: "Miss Bennet, Sie brauchen mir gegenüber Ihre Dankbarkeit nicht auszudrücken. Es war für mich selbstverständlich, dass ich Bingley diese Bitte nicht abschlagen konnte und ich war froh, Ihnen und Ihrer Familie angesichts Ihrer derzeitigen Lage helfen zu können."

Doch Lizzie, die erkannte, wie falsch er sie verstanden hatte, war nun gewillt dieses Missverständnis so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen: "Mr. Darcy, es ging mir nicht darum, meinen Dank dafür, dass Sie uns von Hertfordshire aus hierher begleitet haben, auszudrücken, ich wollte Ihnen danken, dass Sie uns in der ganzen Angelegenheit mit Lydia so geholfen haben. Wenn Sie nicht gewesen wären, ..." Sie hielt kurz inne, als ihr bewusst wurde, wie unerfreulich alles hätte enden können, wenn er nicht zur Stelle gewesen wäre. Sie konnte nicht einmal daran denken, geschweige denn, es aussprechen, wie dann wohl Lydias Situation und die Situation Ihrer Familie heute aussehen würde...

Doch Lizzie musste und wollte noch mehr gegenüber Mr. Darcy ausdrücken als ihre bloße Dankbarkeit und so zwang sie sich zu folgenden Worten, während sie sich leicht von ihm abwendete, um die Worte überhaupt über ihre Lippen zu bekommen: "Seitdem Sie dies für uns getan haben, empfinde ich die größte Anerkennung für Sie. Ich weiß einfach nicht, wie ich Ihnen das, was Sie für uns getan haben, jemals vergelten kann, außer...“ Dort brach sie ab, verlegen und verschämt. Darcy war vollkommen verblüfft über Lizzies Worte, doch mit einer gehörigen Brise Verärgerung, dass sie die ganze Zeit davon gewusst hatte und erst jetzt mit ihm darüber sprach, und der festen Überzeugung, dass sie auf keinen Fall Gefühle für ihn hatte und nur durch den Tod ihres Vaters verwirrt war, konnte er ihre Worten nur missverstehen. ‘Sie wollte mir doch nur nichts schuldig bleiben und mir gegenüber zu nichts mehr verpflichtet sein und meinte, das ließe sich mit einer Heirat lösen,' dachte er bei sich.

Er war jedenfalls entsetzt und brachte das auch sehr deutlich zum Ausdruck: "Miss Bennet, verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen nicht ganz glauben kann. Doch es fällt mir schwer zu glauben, dass Sie mir Ihre Dankbarkeit für Lydias Rettung erst jetzt ausdrücken, wenn Sie mir schon die ganze Zeit dafür danken wollten. Nein, Sie sind mir nicht dankbar! Sie fühlen sich mir gegenüber nur verpflichtet und wollen mir nichts schuldig bleiben, vor allem, da nun Ihr Vater tot ist und Sie sowieso auf die Unterstützung anderer angewiesen sind. Und Sie denken, dass Sie das erreichen können, wenn Sie mir Ihre Zuneigung und Liebe aussprechen. Aber Sie brauchen sich mir gegenüber zu nichts verpflichtet zu fühlen. Ich brauche Ihren Dank nicht und habe ihn auch nie erwartet! Ich habe mich in diese Angelegenheit nur eingeschaltet, weil ich es für meine Pflicht hielt, aber nicht, weil ich damit bewirken wollte, dass Sie sich mir gegenüber zu irgendetwas verpflichtet fühlen. Das war niemals meine Intention! Deshalb bitte ich Sie, ersparen Sie mir Ihren Dank in Zukunft!" Und bevor Lizzie, die kaum die Tränen zurückhalten konnte, noch irgendetwas sagen oder tun konnte, verließ er mit schnellen Schritten den Raum.

Sobald Darcy sie verlassen hatte, konnte Lizzie nicht anders als weinen. Sie hatte soviel Mut für diese Worte aufbringen müssen und er hatte sie so grob angefahren, dass sie kaum glauben konnte mit demselben Mann geredet zu haben, der sie erst vorgestern so liebevoll in seinen Armen gehalten hatte. Doch Lizzie wäre nicht Lizzie, wenn sie jetzt einfach aufgegeben hätte. Schließlich wusste sie, dass er sie liebte, und so beschloss sie nicht eher zu ruhen, bis er wusste, dass sie dasselbe für ihn empfand. Außerdem musste sie, nachdem sie ihr Gespräch in Gedanken wieder und wieder durchgegangen war, feststellen, dass ihre Worte eher Gefühle der Verpflichtung als Gefühle der Liebe ausgedrückt hatten, und Darcys Reaktion wurde ihr dadurch um einiges verständlicher. Sie hatte sich schwer damit getan ihre Zuneigung auszudrücken und hatte in ihren Worten ihre Gefühle für ihn allein auf ihre Dankbarkeit und die Verpflichtung, die sie ihm gegenüber empfand, gegründet. Sie hatte dies für angemessener gehalten, doch nun musste sie erkennen, dass Darcy genau dies beleidigt hatte, da er nun glaubte, dass sie ihn nur heiraten wollte, weil sie es für ihre Pflicht hielt angesichts dessen, was er für ihre Familie getan hatte.

Nach dieser Feststellung erschien ihr Darcys Verhalten weniger harsch und sie hatte nur noch einen Wunsch: Ihn wissen zu lassen, dass sie ihn schon bei ihrem Zusammentreffen in Pemberley schätzen, wenn nicht sogar lieben gelernt hatte. Sie würde es ihm sagen, noch heute, beschloss sie und konnte nun auch wieder ein kleines Lächeln zustande bringen.

Fortsetzung folgt...

© 2005 Becci

weiter zu Teil 2



Index Update Biographie JAs Werk JAs England Links Sekundärliteratur
Filme Musik Fanfiction Suche Gästebuch Chat JAF-ML Board


Web-Katalog.net