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Durch alle Widrigkeiten hindurch

von Becci




Teil 1 Teil 2 Teil 3


1.Kaptil 2.Kapitel 3.Kapitel 4.Kapitel 5.Kapitel

Kapitel 1

Darcy und Lizzie kamen gerade von ihrer Wanderung vom Oakham Mount zurück. Bingley und Jane waren schon längst wieder nach Longbourne zurückgekehrt und die ganze Familie Bennet wartete nur noch darauf, dass auch Mr. Darcy und Lizzie zum Dinner erschienen. Doch Darcy und Lizzie ließen sich Zeit. Sie hatten während des Ausflugs darüber gesprochen, wann und wie Lizzies Familie über die Verlobung in Kenntnis gesetzt werden sollte, worauf sie beschlossen, dass Mr. Darcy Mr. Bennet noch heute abend um seine Zustimmung bitten würde und danach Lizzie ihre Mutter und ihre Schwester einweihen würde.

Nun aber, als sie sich Longbourne gemächlich näherten, sprachen sie nicht über Lizzies, sondern über Darcys Familie. "Sobald ich die Zustimmung deines Vaters habe, werde ich meiner Schwester von unserer Verlobung berichten. Sie wird sich riesig freuen, obwohl ihre Freude die meinige wohl kaum übersteigen wird." Darcy lächelte seine Elisabeth glücklich an. "Oh, Fitzwilliam, das glaube ich dir nicht ohne einen Beweis!", neckte Lizzie ihn. "Den sollst du haben, meine Liebe, aber hier auf offener Straße, so nahe am Haus deiner Eltern fehlt mir dazu der Mut. Schließlich muss ich erst noch deinem Vater beweisen, dass ich auch gut genug für seine Lieblingstochter bin," antwortete Darcy halb scherzhaft, halb ernst. Lizzie entgegnete darauf im gleichen scherzenden Ton: "Gut genug für mich? Nein, das bist du wohl nicht, aber irgendwie bin ich deinem Charme erlegen. Da kann man wohl nichts machen." Mr. Darcy, der nun die Gelegenheit gekommen sah, Lizzie zu fragen, seit wann ihre Gefühle für ihn sich verändert hätten und was nun der wirkliche Grund für diese Veränderung gewesen sei, fragte daraufhin: "Elisabeth, wann haben sich deine Gefühle gegenüber mir so grundlegend verändert? Was habe ich getan, um deine Liebe zu verdienen?" Lizzie antwortete wahrheitsgemäß: "Ich denke Pemberley hat meine Meinung verändert: das schöne Haus und die Wälder. Ich habe mich gleich auf den ersten Blick in Pemberley verliebt." Sie sah Darcy an, der etwas enttäuscht angesichts dieser Antwort war und nicht verstand, dass sie ihn wieder einmal an der Nase herumführte, und fügte schnell hinzu: "Schau mich nicht so an, das war ein Scherz. Ja, ich habe mich in Pemberley verliebt, aber wäre ich da nicht diesem überaus freundlichen jungen Mann begegnet, der mich und meine Verwandten mit soviel Höflichkeit willkommen geheißen hätte, wäre es wohl auch nur ein schönes Anwesen unter vielen geblieben. Du warst so außerordentlich herzlich mir und den Gardiners gegenüber und ich wollte dich auf einmal näher kennen lernen. Und als du mich dann in Lambton verlassen hast an diesem schrecklichen Morgen und ich unsicher war, ob wir uns jemals wiedersehen würden, wusste ich plötzlich, dass ich mich in dich verliebt hatte und ich mir nichts mehr wünschte als immer mit dir zusammen zu sein."

Darcy, überwältigt von Lizzies Worten, konnte nicht anders als dem Impuls nachzugeben, sie beglückt an sich zu drücken. Doch dann, als er realisierte, dass man sie vom Haus aus sehen konnte, ließ er sie schnell wieder los ohne sich es aber nehmen zu lassen ihr sanft zu versichern: "Und das soll auch geschehen. Ich werde dich nie mehr verlassen, meine liebste Elisabeth." Lizzie warf ihm einen dankbaren und liebevollen Blick zu und wäre nicht gerade in diesem Moment Kittie ihnen entgegen gekommen, hätte sie ihm sicher dasselbe Versprechen gegeben.

So aber musste sie Kittie antworten, die ihnen ungeduldig entgegen rief, dass man mit dem Essen auf sie gewartet hätte, und Mama äußerst sauer sei, dass sie nicht schon längst da wären.

Lizzie konnte sich durchaus vorstellen, wie ihre Mutter wieder wegen einer Kleinigkeit das ganze Haus verrückt machte, und beschleunigte ihre Schritte. Das Dinner verlief ohne besondere Vorkommnisse. Mr. Darcy saß zu seiner großen Freude neben Lizzie, doch leider konnte sie sich kaum mit ihm unterhalten, da ihre Mutter, die an ihrer anderen Seite saß, sie ständig in ein Gespräch verwickelte: Zunächst rügte sie sie wegen ihrer Unpünktlichkeit, dann machte sie Lizzie klar, dass es so freundlich von ihr wäre sich um Mr. Darcy, aber man von ihr nicht mehr als Höflichkeit erwarten könne und er vielleicht ja auch bald wieder abreisen würde, so dass sie nicht mehr seine Gegenwart ertragen müsse. Lizzie kränkte das Verhalten ihrer Mutter zutiefst und sie schämte sich vor Darcy dafür, vor allem da sie sah, dass er die Worte Mrs. Bennets größtenteils mitbekam. Es war deutlich, dass ihn Mrs. Bennets Worte beleidigten, aber er blieb höflich und freundlich. Lizzie warf ihm immer wieder, wenn sie sich gerade unbeobachtet fühlte, ein dankbares Lächeln zu und flüsterte einmal sogar leise: "Danke, dass du über das Benehmen meiner Mutter so großmütig hinwegsiehst." Er antwortete daraufhin mit größter Generosität: "Ich wusste ja, auf was ich mich einlasse, und mein Benehmen war lange Zeit auf nicht unbedingt vorbildlich, so dass ich die Abneigung deiner Mutter verdient habe." Lizzie schüttelte leicht den Kopf und berührte einen Augenblick lang wie zufällig mit ihrer Hand die seine, um ihm zu zeigen, dass sie sein Urteil über sich selbst nicht teilen konnte.

Nach dem Essen war dann der Augenblick der Wahrheit gekommen: Mr. Darcy folgte Mr. Bennet in die Bibliothek, um ihn dort um die Hand seiner Tochter zu bitten. Lizzie sah Darcy gehen und fühlte, wie unruhig sie plötzlich wurde. Ihre aufgeregten Hände schafften es nicht einmal mehr den einen Faden einzufädeln und Lizzie stach sich mehrmals in den Finger, bevor sie schließlich den Faden durch das Nadelöhr gezogen hatte. Jane, die Lizzies Aufregung spürte, setzte sich zu Lizzie und flüsterte ihr leise Mut zu: "Mach dir mal keine Sorgen. Papa wird Mr. Darcy schon nicht ablehnen. Es gibt nichts, was du fürchten musst." Jane drückte unauffällig Lizzies Hand und warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu. Lizzie lächelte dankbar zurück, doch Janes Worte hatten den Aufruhr in ihrem Herzen nicht beruhigen können. Oh, wenn Darcy doch wiederkäme! Wenn sie doch nur wüsste, was ihr Vater und Mr. Darcy gerade besprachen! Einen kurzen Moment überlegte sie sogar, ob sie an der Tür lauschen sollte, aber das war ihr dann doch zu kindisch und außerdem spürte sie die beobachtenden Blicke ihre Mutter auf sich und wollte auf keinen Fall Verdacht erregen, auch wenn ihre Mutter von der Verlobung sowieso noch heute Abend erfahren würde, wenn ihr Vater seine Zustimmung zu ihrer Verlobung gegeben hatte. Wenn er sie nur bald geben würde! Lizzie starb fast vor Ungeduld und Ungewissheit. Allein Janes Gegenwart gab ihr die Kraft ruhig auf ihrem Platz sitzen zu bleiben und zu warten.

Und sie wartete tatsächlich sehr lange. Als Mr. Darcy zu der Zeit, wo er und Bingley zurück nach Netherfield reiten wollte, immer noch nicht wiedergekommen war, äußerte Bingley, dass er doch einmal nach seinem Begleiter suchen wollte. Mrs. Bennet unterstützte ihn in diesem Bestreben. Denn langsam kam auch ihr das Verhalten ihres Gastes suspekt vor, der nun schon über eine Stunde bei ihrem Ehemann in der Bibliothek sein musste. Sie wollte gerade äußern, dass sie hoffte, dass Mr. Darcy Mr. Bennet nicht zu sehr belästige, da dieser es gar nicht mochte, in seiner Bibliothek gestört zu werden, da sagte Hill, die das Gespräch mitbekommen hatte, auf einmal: "Mr. Darcy ist gar nicht mehr hier, Madam. Er ist schon vor einiger Zeit nach Netherfield zurückgeritten. Ich habe mich schon gewundert, dass er sich nicht einmal mehr von Ihnen verabschiedet hat." Lizzie wurde blass und ergriff überrascht und beunruhigt Janes Arm: "Was kann das bedeuten, Jane?"

Glücklicherweise bemerkte keiner außer Jane und Bingley die Wirkung dieser Nachricht auf Lizzie, da Mrs. Bennet alle Aufmerksamkeit auf sich zog, als sie sich voller Empörung über dieses unhöfliche Verhalten aufregte: "Dieser unhöfliche Mr. Darcy! Da behandelt man ihn voller Höflichkeit und Anstand und er verabschiedet sich nicht einmal! Dieser Mann hat wirklich keine Manieren!" Bingley versuchte Mrs. Bennet damit zu beruhigen, dass Mr. Darcy gewiss einen guten Grund gehabt habe, um so schnell und ohne Verabschiedung zurück nach Netherfield zu reiten, aber sein erstauntes und irritiertes Gesicht zeigte, dass er Darcys Verhalten auch nicht verstehen konnte. Bingley verabschiedete sich dann auch sofort, flüsterte aber bevor er ging Lizzie noch beruhigend zu: "Ich werde mich erkundigen, was mit Darcy los ist. Vielleicht ist ihm einfach urplötzlich etwas eingefallen, was er noch vor der Hochzeit regeln will, und er wollte keine Minute versäumen und es direkt erledigen. Mach dir mal keine unnötigen Sorgen, sein frühzeitiger Weggang bedeutet sicher nichts!" Doch Lizzie beruhigten Bingleys Worte nicht. Natürlich bedeutete es etwas, dass Darcy so plötzlich und ohne eine Verabschiedung gegangen war. Sie fragte sich, ob ihr Vater Darcy vielleicht etwas über sie berichtet hatte, das Darcys Meinung über sie geändert hatte. Wollte er sie aus irgendeinem Grund nicht mehr zu Frau nehmen?

Lizzie konnte die Ungewissheit nicht mehr ertragen und musste einfach ihren Vater fragen, was zwischen ihm und Mr. Darcy vorgefallen war. Sie musste wissen, was passiert war, dass Darcy sie ohne Wort verließ! Sie musste es einfach wissen!

Deshalb schlich sie sich, nachdem Mr. Bingley sich verabschiedet hatte, in die Bibliothek zu ihrem Vater, um die Antworten auf ihre vielen Fragen zu bekommen, die Fragen, welche lauteten: "Wo ist Mr. Darcy hin? Was hat mein Vater gesagt, dass er sich nicht einmal von mir verabschiedet hat? Und kann ich weiter darauf hoffen, seine Frau zu werden?"


Kapitel 2

Etwa anderthalb Stunden zuvor...

Mr. Bennet war überrascht, als Mr. Darcy ihn in der Bibliothek aufsuchte. "Ich muss mit Ihnen über etwas von äußerster Wichtigkeit reden," begann Darcy, nachdem er einige Minuten unentschlossen in der Bibliothek auf und ab gegangen war. Mr. Bennet schaute Mr. Darcy fragend an und bedeutete ihm fortzufahren. "Es geht um Ihre Tochter Elisabeth." Nun meinte Mr. Bennet zu wissen, worum es ging. Natürlich hatte auch Mr. Darcy von den Gerüchten über ihn und Miss Elisabeth Bennet gehört und wollte diese Dinge nun zurechtrücken. So entgegnete Mr. Bennet gelassen und leicht erheitert: "Mr. Darcy, sicher nehmen Sie bezug auf die Gerüchte, die sowohl in Ihrer Verwandtschaft als auch in der unseren über Sie und meine Tochter kursieren. Aber ich kann Sie beruhigen, dass weder meine Tochter noch ich jemals diesen Gerüchten irgendeinen Glauben geschenkt haben. Nein, wir fanden es eher amüsant, da Sie ganz offensichtlich kein besonderes Interesse an meiner Tochter, geschweige denn meine Tochter an Ihnen." Mr. Darcy wollte darauf etwas antworteten, sagte dann aber nichts und durchschritt wieder mit finsterer Miene die Bibliothek, bis er schließlich nach einigen Momenten des Nachdenkens sagte: "Da irren Sie sich, Mr. Bennet. Ich bin keineswegs desinteressiert an Ihrer Tochter, ich liebe Ihre Tochter schon seit langem und habe ihr gestern einen Heiratsantrag gemacht, den Ihre Tochter freudig angenommen hat." Mr. Bennet war vollkommen verblüfft. Dass ein Mann seine Elisabeth lieben konnte, war für ihn durchaus nachvollziehbar, aber dass dieser Mann der stolze Mr. Darcy sein sollte, der einmal so arrogant sogar einen Tanz mit ihr verweigert hatte, war schlichtweg unbegreiflich. Und dass seine Lizzie den Heiratsantrag dieses schrecklichen Mannes, den sie so sehr verachtete, angenommen hatte, war einfach unmöglich.

Mr. Darcy, der das Erstaunen von Mr. Bennet beobachtet hatte, fuhr fort: "Und nachdem nun Elisabeth mich angenommen hat, möchte ich auch Sie um Ihre Zustimmung bitten. Ich versichere Ihnen, dass es Ihrer Tochter bei mir an nichts mangeln wird und ich sie mit Liebe und Respekt behandeln werde. Denn mein innigster Wunsch ist es, Ihre Tochter glücklich zu machen."

Mr. Bennets Erstaunen wuchs mit den Worten Darcys nur. Das war doch nicht möglich! Sollte Lizzie Mr. Darcy tatsächlich Ihre Zustimmung gegeben haben. Mr. Bennet konnte sich das nur schwer vorstellen, denn lieben - da war er sich sicher - konnte Lizzie Mr. Darcy nicht. Ob sie ihn nur angenommen hatte, um genauso wie Jane eine Familie gründen zu können? Um Ihrer Schwester in nichts nachzustehen?
Mr. Bennet war jedenfalls klar, dass es nur eine Antwort gab, die er Mr. Darcy geben konnte: "Es tut mir leid, wenn ich Ihnen damit Schmerz bereite, aber ich denke nicht, dass ich zu Ihrer Verlobung mit meiner Tochter meine Zustimmung geben kann." Mr. Darcy trafen diese Worte wie ein Schlag ins Gesicht. Zunächst war er verwirrt, dann traurig und dann wütend. Welchen Grund hatte Mr. Bennet ihn nicht als Schwiegersohn zu akzeptieren? Was konnte diesen Mann davon abhalten, ihm seine Tochter anzuvertrauen?

Leider fielen Darcy zu viele Gründe ein, warum Mr. Bennet ihn nicht als Schwiegersohn haben wollte. Sein bisheriges Verhalten in Hertfordshire hatte nicht unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen, aber dennoch, wenn Lizzie ihm verziehen hatte, wieso konnte Mr. Bennet das nicht auch tun? Zumal er Mr. Bennet nie direkt beleidigt hatte im Gegensatz zu Elisabeth!

Hin und her gerissen zwischen seinem Zorn auf sich selbst und auf Mr. Bennet brachte er sich krampfhaft um Selbstbeherrschung bemühend folgendes hervor: "Mr. Bennet, bitte erklären Sie mir, warum Sie dagegen sind, dass ich Ihre Tochter heirate! Vielleicht kann ich Ihre Bedenken ja zerstreuen." "Ich denke nicht, dass das möglich ist," antwortete Mr. Bennet ernst. "Es gibt zu viele Gründe, wegen denen ich der Verlobung nicht zustimmen kann: Erstens Ihr Charakter hat mich davon überzeugt, dass Sie nicht der Mann sind, dem ich Elisabeth anvertrauen möchte." Darcy wollte sich verteidigen, aber Mr. Bennet fuhr fort: "Zweitens Ihre Familie lehnt eine solche Verbindung ab. Davon hat uns Mr. Collins unterrichtet. Und drittens: meine Tochter liebt Sie nicht. Das ist der eigentliche und schwerstwiegende Grund für meine Ablehnung."

Nun konnte Darcy sich nicht mehr zurückhalten. Zornig stieß er hervor: "Wie können Sie so was behaupten? Noch heute Nachmittag hat mir Ihre Tochter Elisabeth versichert, wie sehr sie mich liebt! Fragen Sie doch Elisabeth! Sie wird Ihnen dasselbe sagen! Vielleicht kennen Sie Ihre Tochter einfach nur nicht gut genug, Mr. Bennet!" Mr. Bennet, der sich durch diese Worte Darcys provoziert fühlte - Schließlich war Lizzie seine Lieblingstochter und er glaubte sie besser als jeder andere Mensch zu kennen -, entgegnete ebenso wütend wie Mr. Darcy: "Sie wagen es, MIR zu sagen, ich kenne meine eigene Tochter nicht? Nein, Mr. Darcy, Sie sind derjenige von uns beiden, der unrecht hat: Ich kenne meine Tochter seit sie auf der Welt ist und Sie kennen sie nicht einmal ein Jahr und wollen MIR erzählen, dass ICH unrecht habe. SIE haben unrecht, Mr. Darcy, meine Tochter könnte Sie niemals lieben. Sie hasst Arroganz und Hochmut, und Ihr Verhalten war nicht unbedingt...., aber lassen wir das! Glauben Sie mir einfach, dass Elisabeth Sie nicht liebt." Mr. Bennet versuchte nun wieder einen versöhnlichen Ton gegenüber Mr. Darcy anzuschlagen, während dieser finster dreinblickte und kein Wort mehr hervorbrachte.

"Mr. Darcy, ich denke, es ist wohl am besten, wenn Sie in der nächsten Zeit meine Tochter nicht sehen. Der Abstand wird Ihnen sicher gut tun. Es tut mir leid, dass ich Ihnen dies alles sagen musste, aber manchmal muss man die Wahrheit aussprechen, egal, wie weh es tut." Irgendwie erinnerte Darcy dieser Ausspruch an Lizzie und wie sie ihn in Kent abgelehnt hatte. Er spürte ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Brust und wusste, dass er es nicht ertragen konnte noch länger in diesem Haus zu bleiben. Mit den Worten: "Natürlich, Mr. Bennet, leben Sie wohl," verließ er die Bibliothek und schon wenige Augenblicke später hatte er Longbourne verlassen mit der festen Überzeugung nie wieder zurückzukommen.

Als etwa anderthalb Stunden später Lizzie ihn in der Bibliothek aufsuchte, war Mr. Bennet nicht überrascht. Er hatte damit gerechnet, dass seine Tochter ihn fragen würde, wie sein Gespräch mit Mr. Darcy gelaufen war, aber auf das Verhalten seiner Tochter war er nicht gefasst gewesen.

"Du hast ihn abgelehnt?! WIESO???", schrie Lizzie ihn an und gönnte sich nicht mal die Zeit zum atmen ehe sie fortfuhr: "DAS kannst du NICHT machen!!!! Ich habe ihm meine Zustimmung gegeben, wie kannst du ihn dann ablehnen? Ich rede NIE WIEDER ein Wort mit dir!" Mit diesen Worten war Lizzie wieder verschwunden und Mr. Bennet blieb es nun überlassen, sich über das komische Verhalten seiner Tochter zu wundern.

Ob sie Mr. Darcy tatsächlich liebte? Nein, das war wohl eher unmöglich, aber vielleicht hatte die materialistische Einstellung von Mrs. Bennet doch Einfluss auf Lizzie genommen? Hatte sie Mr. Darcy wirklich wegen seiner 10.000 Pfund im Jahr angenommen? Er konnte es kaum für möglich halten, aber was sonst konnte der Grund sein? Und vielleicht war Lizzie trotz aller Liebe zu ihrer Schwester doch neidisch, dass diese einen reichen und sympathischen Ehemann gefunden hatte und wollte ebenfalls einen reichen Mann, wenn auch weniger sympathischen Mann, heiraten?

Mr. Bennet hoffte bloß, dass seine zweitälteste Tochter bald wieder zur Vernunft käme, denn schließlich war sie seine eindeutige Lieblingstochter und er wusste, er könnte es nicht ertragen zu sehen, wie sie ihrer unerträglichen Mutter immer ähnlicher würde.

Aber Lizzie wollte alles nur nicht zur Vernunft kommen. Wutentbrannt stürmte sie aus der Bibliothek und in Janes Zimmer, wo Jane sich gerade bettfertig machte. "Er hat ihn abgelehnt!", zischte sie, während sie versuchte ihre Stimme zu senken, damit ihre Mutter nichts von der ganzen Sache mitbekam. "WIE KANN ER NUR?!", schrie Lizzie. Es war ihr einfach unmöglich sich auch nur bemühen ihren Zorn zu zügeln. Jane versuchte sie zu beruhigen: "Papa hat vielleicht einfach nur etwas falsch verstanden. Wenn er erst einmal weiß, was du für Mr. Darcy empfindest, wird er sicher seine Zustimmung geben." "Er hat ihn weggeschickt. Mr. Darcy wird NIE wieder nach Longbourne kommen. Ich bin verloren, Jane!" Nun kam langsam die Verzweiflung durch, die Lizzie ob dieser Tatsache empfand und Lizzie ließ ihren Tränen freien Lauf, während Jane sich bemühte sie zu trösten: "Komm, Lizzie, Mr. Darcy weiß, was du für ihn empfindest und, nachdem er dich endlich gewonnen hat, wird er gewiss nicht so schnell wieder aufgeben. Und wenn wir erst einmal mit Papa geredet haben, wird er deinen Mr. Darcy mit offenen Armen empfangen. Er kann doch seine Lizzie nicht lange unglücklich sehen." "Du irrst dich, Jane," entgegnete Lizzie, "er macht das absichtlich, weil er mich für sich behalten möchte. Er wird nicht einlenken! Außerdem rede ich sowieso nie wieder ein Wort mit ihm!" "Lizzie, du bist viel zu dramatisch. Papa will doch nur dein Bestes," wand Jane, leicht geschockt über die Ernsthaftigkeit in Lizzies Worten, ein.

Lizzie sagte ein paar Minuten nichts mehr und schien darüber nachzudenken, was sie jetzt machen würde. Dann fragte sie Jane plötzlich: "Hilfst du mir, Jane? Versprichst du mir das?" Jane sah sie etwas verwirrt an, nickte aber schließlich.

"Ich habe einen Plan," äußerte sich Lizzie. "Ich denke, ich werde noch heute Nacht abhauen und mit Mr. Darcy nach Gretna Green gehen. Bitte, pass auf, dass mein Fehlen so lange wie möglich geheim bleibt!" Jane sah Lizzie bestürzt und mit geweiteten Augen an. "Nein, das machst du nicht," erwiderte sie mit sanfter, aber bestimmter Stimme. Lizzie ergriff die Hände ihrer Schwester und drückte sie leicht. "Aber, ich muss, ich liebe ihn doch so," ihre Worte waren kaum mehr als ein leises Schluchzen. Jane fühlte tiefes Mitleid mit ihrer Schwester und zog sie in ihre Arme, um ihr wenigstens ein bisschen Trost zu spenden.

Auch Bingley traf auf ein ziemliches Jammerbild, als er nach Netherfield kam: Mr. Darcy saß in einem bis auf den Schein des Kaminfeuers völlig dunklen Salon und erst als Bingley einige Lampen angezündet hatte, erkannte er in einem der Sessel die traurige Gestalt. Darcy saß reglos in diesem Sessel und schien von Bingley auch dann noch nicht wirklich Notiz zu nehmen, als dieser ihn ansprach: "Darcy, um Himmels Willen, was ist geschehen?" Teilnahmslos und mit tonloser Stimme antwortete dieser: "Mr. Bennet hat mir seine Zustimmung verweigert. Ich werde Elisabeth nie wieder sehen." Bingley war überrascht, dass Mr. Bennet Darcy als Ehemann für Elisabeth abgelehnt haben sollte, und fühlte mit seinem Freund, aber für ihn war noch nichts verloren: "Darcy, Mr. Bennet hat gewiss nur noch nicht mit Elisabeth darüber geredet. Sie wird ihn schon überzeugen, so dass er seine Zustimmung gibt. Wenn Lizzie sich was in den Kopf gesetzt hat, dann lässt sie nicht so einfach locker. Du wirst schon sehen, wie schnell dich Mr. Bennet mit offenen Armen empfängt." Bingley lächelte Darcy aufmunternd zu. Dieser erwiderte nur finster: "Sie liebt mich nicht, Bingley."

Nun kannte Bingleys Erstaunen keine Grenzen: "Hat das etwa ihr Vater gesagt? Wenn ja, dann kennt er seine Tochter sehr schlecht. Man braucht euch beide nur zu beobachten, um zu sehen, wie sehr ihr euch liebt. Du kommst morgen einfach wieder mit zu den Bennets und dann wird auch Mr. Bennet irgendwann sehen, wie sehr ihr euch liebt, und seine Zustimmung geben. Daran zweifle ich nicht im Geringsten."

Aber Mr. Darcy lehnte es rigoros ab in Hertfordshire zu bleiben. "Wieso denn nicht, Darcy?", erkundigte sich Bingley: "Du kannst doch nichts dabei verlieren." "Nur meine Würde und meine Selbstachtung," entgegnete Darcy mit finsterer Miene. "Nein, ich fahre noch heute Nacht zurück nach London. Ich habe nur noch gewartet, bis du heimkommst, um dir alles zu erklären." "Warte doch wenigstens bis morgen früh," versuchte Bingley ihn zu überreden, "vielleicht ist doch nicht alles so schlimm, wie es jetzt aussieht. Und Elisabeth wird gewiss auch nicht wollen, dass du Hertfordshire verlässt ohne dich von ihr verabschiedet zu haben. Sie wird dich sehr vermissen, wenn du weggehst." "Ich denke nicht, Bingley, so sehr ich mir das auch wünschen würde," antwortete Darcy trübselig. "Auf Wiedersehen." Damit verschwand Darcy und Bingley blieb nichts anderes übrig als ihm bekümmert und verwirrt nachzublicken. Weder konnte er begreifen, dass Darcy Elisabeth so schnell aufgab noch konnte er verstehen, wieso Mr. Bennet seinen Freund abgelehnt hatte. Er hatte Mitleid mit Darcy und war gleichzeitig völlig erstaunt über das, was geschehen war.


Kapitel 3

Am nächsten Morgen zeigte sich, dass Bingley mit seiner Meinung bezüglich Elisabeth Recht gehabt hatte: Schon vor dem Frühstück besuchte sie Netherfield. Sie schien verlegen zu sein, als Bingley sie freundlich begrüßte, und erklärte ihren Besuch damit, dass sie auf ihrem Morgenspaziergang zufällig an Netherfield vorbeigekommen sei, doch ihr suchender Blick machte deutlich, dass sie keineswegs zufällig den langen Weg gemacht hatte.

Bingley wollte sie nicht im Ungewissen lassen und sagte: "Mr. Darcy ist gestern Abend noch nach London gereist. Es tut mir leid." Ihre Reaktion war deutlich: Erstaunen, Enttäuschung, fragende Blicke. Nachdem sie kurz ihr Gesicht abgewendet hatte, fragte sie, sich um Fassung bemühend: "Weswegen, ähm, gibt es irgendeinen Grund für Mr. Darcys plötzliche Abreise?" Mr. Bingley wollte Elisabeth nicht anlügen und sagte deshalb ganz einfach: "Er hat mir alles erzählt." Lizzie biss sich auf die Unterlippe und wartete, ob Mr. Bingley noch etwas sagte.

Bingley, der spürte, wie unwohl Lizzie zumute sein musste, versuchte sie zu trösten: "Elisabeth, Darcy muss auch erst mal damit klarkommen, aber sobald er sich wieder gefangen hat, wird er gewiss zurück nach Netherfield. Und vielleicht sieht dein Vater die ganze Sache dann auch etwas anders." Er warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu, doch Lizzie lächelte nicht zurück.

"Das glaube ich nicht. Aber, hat Mr. Darcy wirklich gesagt, dass er bald wiederkommt?" Lizzie schaute Bingley erwartungsvoll an. "Nicht direkt," versuchte sich Mr. Bingley aus der Angelegenheit herauszuwinden, "aber er ist doch mein Trauzeuge und muss allein deswegen zu meiner Hochzeit mit deiner Schwester nach Netherfield kommen." Das Funkeln in Lizzies Augen verschwand wieder und wich dem trostlosen und entmutigten Ausdruck von vorhin. Sie verabschiedete sich von Bingley und eilte davon: verwirrt, traurig und enttäuscht.

Der Heimweg nach Longbourne dauerte um einiges länger als der Hinweg und dennoch schien ihr die Zeit nicht lang genug, um sich auf die Begegnung mit ihrem Vater und dem Rest ihrer Familie vorzubereiten. Sogar Jane grollte sie, da diese sie davon abgehalten hatte, noch gestern Nacht nach Netherfield zu gehen. Nun war Mr. Darcy fort und nichts würde ihn zurückbringen. Wenn sie nicht so vernünftig wäre, wäre sie abgehauen und ihm nach London gefolgt. Aber das war nicht Lizzies Art solche Dinge zu handhaben und so versuchte sie, während der nächsten Tage und Wochen trotz ihrer Wut, Traurigkeit und Verzweiflung souverän mit der Situation umzugehen. Aber ihre Wut auf ihren Vater, ihre durch ihre jüngeren Schwestern und ihre Mutter strapazierten Nerven und ihre Eifersucht auf Jane und Bingley sorgten dafür, dass ihre Versuche regelmäßig scheiterten und sogar ihre Mutter ihre Unzufriedenheit bemerkte, die sie dann immer daran erinnerte, dass sie bei ihrer Ablehnung von Mr. Collins dieses Glück selbst ausgeschlagen hatte. Am liebsten hätte Lizzie dann ihre Mutter angefahren, dass es nicht ihre Schuld war, dass sie nicht verlobt war, sondern die Schuld ihres Vaters, aber da sie sich gut denken konnte, wie Mrs. Bennet, wenn sie um Lizzies Verlobung mit Mr. Darcy wusste, reagieren würde, war sie klug genug ihren Mund zu halten, wenn sie sich auch manchmal auf die Zunge beißen musste, um nichts zu sagen.

Jane sah den Kummer und versuchte ihr zu helfen, indem sie versuchte sie zu schonen und zu trösten, aber solche Versuche waren leider wenig erfolgreich. Sie bemerkte, dass Lizzie viel weinte und wenig schlief, aber ihre Schwester behauptete, es ginge ihr gut, und ging auf nähere Nachfragen nicht ein. Sie ließ einfach niemanden mehr an sich heran und das war es, was Jane wirklich bekümmerte. Sie hatte auch ein paar Mal versucht mit ihrem Vater zu reden, aber Mr. Bennet bemerkte nur, als Jane ihm von der großen Zuneigung zwischen Darcy und Lizzie berichtete: "Und wo ist dieser junge Gentleman jetzt, von dem du behauptest, dass er meine Lizzie über alle Maßen liebt? Warum hat er sich so leicht davon überzeugen lassen, dass meine Tochter ihm gegenüber nichts empfindet, wenn er sie so sehr liebt, wie du glaubst? Und Lizzie, verliebt in diesen Mann? Nein, ich denke, sie ist nur ein bisschen aufsässig, weil ich meine Zustimmung verweigert habe. Sie wird sich schon wieder beruhigen." Danach sah Mr. Bennet das Gespräch als beendet an und schickte Jane mit den Worten aus der Bibliothek, dass sie sich besser wieder um ihren Verlobten kümmern sollte.

Jane konnte nun nichts anderes tun, als zu beobachten, wie Lizzie immer schmaler und blasser wurde. Und Lizzie selbst? Sie fühlte all den Schmerz, den die Trennung von ihrem geliebten Fitzwilliam mit sich brachte. Zuerst hatte sie gehofft, er würde bald zurückkehren oder ihr schreiben, aber als weder das Eine noch das Andere passierte, begann ihre Hoffnung mehr und mehr zu sinken. Sie hatte ihm Briefe geschrieben, diese aber nie abgeschickt, denn sie kannte noch nicht einmal seine Adresse in London und war zu verlegen Bingley danach zu fragen. Außerdem widersprach es Anstand und Tugend als Frau einem Mann, der keinerlei Verbindung zur eigenen Familie hatte zu schreiben. Sie waren zwar verlobt und daher wäre es nicht unbedingt verwerflich gewesen, aber auf der anderen Seite konnte man ihre Verlobung auch als beendet bezeichnen, da ihr Vater seine Zustimmung dazu verweigert hatte. Jedenfalls schickte Elisabeth keinen ihrer Entwürfe ab und betete jede Nacht er möge zu ihr zurückkommen.

Mr. Darcy kam nicht zurück nach Netherfield, aber Lizzie bekam eine Möglichkeit zu ihm nach London zu kommen. Denn für die Hochzeit ihrer Schwester mussten noch Kleider gekauft werden und wo konnte man dies besser tun als in London. Und Jane, die bei dieser Aufgabe ihre Mutter nicht dabei haben wollte, fragte Lizzie, ob sie sie begleiten wolle. Lizzie fasste Mut in der Hoffnung Mr. Darcy nun endlich wiederzusehen und sagte sofort zu. Sie war wieder fröhlicher konnte die Fahrt nach London kaum erwarten. Tatsächlich redete sie von nichts anderem mehr. "Jane, ich werde ihn endlich wiedersehen! Jane, denkst, du er liebt mich noch? Jane, ich bin so aufgeregt!" So waren ihre Worte. Und Jane freute sich über Lizzies Reaktion, wenn ihr auch Lizzies Aufregung nach einer Weile auf die Nerven ging. Doch sie liebte Lizzie zu sehr, um ihr ernsthaft böse zu sein.

Auch Mr. Bennet freute sich, dass Lizzies Laune sich angesichts einer Reise nach London gebessert hatte. Vielleicht würde sie dort ja auch endlich diesen Mr. Darcy vergessen, der es ihr anscheinend, wie Mr. Bennet zugeben musste, mehr als nur ein bisschen angetan hatte. Mittlerweile war er nämlich zu der Überzeugung gekommen, dass seine Tochter wirklich etwas für diesen Mann empfand, doch da er Mr. Darcy keineswegs für ebenbürtig gegenüber seiner Lieblingstochter hielt, bereute er sein Nein nicht. Im Gegenteil, er hatte Lizzie doch davor bewahrt einen Mann zu heiraten, den sie niemals respektieren könnte. Denn so sehr seine Tochter jetzt auch in Mr. Darcy verliebt war, er war doch immer noch derselbe Mann, den sie nicht hatte leiden können, den sie verachtet hatte. Schon nach kurzer Zeit hätte seine Lizzie herausgefunden, dass sie mit Mr. Darcys Art und seinem Benehmen nicht klar kommen würde und dass Reichtum, gutes Aussehen und jugendliche Verliebtheit ihr eine unglückliche Ehe beschert hatten. Mr. Bennet fand es besser, wenn sie jetzt litt, anstatt sehen zu müssen wie sie seine Fehler wiederholte. Zum Glück wusste Mr. Bennet nicht, was der Grund war für die Vorfreude seiner Tochter auf London, sonst hätte er Lizzie eventuell nicht gestattet Jane nach London zu begleiten.

Aber so reisten Mr. Bingley, seine Verlobte Jane und Elisabeth in der letzten Novemberwoche nach London. Während der ganzen Fahrt war Lizzie überaus heiter und ihr Kopf und ihr Herz waren schon, bevor sie von Longbourne losfuhren, in London bei ihrem Verlobten.

Doch was erwartete sie in London? Schon am zweiten Tag hörte sie von Bingley, dass Mr. Darcy nicht in der Stadt war. Sie war enttäuscht, aber nicht mutlos. Sie würde ihn sehen. Da war sie sich sicher.

Dann allerdings traf sie eines Abends Colonel Fitzwilliam in der Oper. Er begrüßte sie freundlich: "Miss Bennet, ich habe nicht damit gerechnet sie hier zu treffen. Was machen sie in London?" Sie klärte ihn darüber auf, dass sie wegen der baldigen Hochzeit ihrer Schwester hier sei. Colonel Fitzwilliam entgegnete: "Ah, Darcy hat mir davon erzählt. Er schien richtiggehend neidisch zu sein. Schade, dass er noch keine Frau gefunden hat. Eine freundliche, aber lebhafte Frau würde Schwung in sein Leben bringen und ihn glücklich machen. Ich würde es ihm sehr gönnen. Aber Sie wissen ja, wie er ist. Manchmal sehr von sich eingenommen." Colonel Fitzwilliam lachte über diese Bemerkung. Er fand seinen Kommentar über seinen Cousin sehr treffend und, da er Miss Bennets Verhalten gegenüber demselben in Kent bemerkt hatte, glaubte er nicht, dass sie den Charakter seines Cousins so unkritisch wie andere Frauen sah.

Aber Miss Bennet schwieg. Sie schien seine Bemerkung weder für lustig noch für wahr zu halten. Weshalb benahm sie sich so komisch? Colonel Fitzwilliam erinnerte sich an eine Unterhaltung mit Darcy, in der dieser gesagt hatte: "Ich beneide Bingley. Ich denke, es gibt kaum ein größeres Glück als die Zuneigung der Frau, die man liebt, zu gewinnen. Wenn ich nur auch so glücklich wäre! Ich würde all meinen Besitz dafür hergeben um diese Eine zu gewinnen." Hatte Darcy diese Worte in Bezug auf Miss Bennet gesagt? Colonel Fitzwilliam schwankte.

Er wollte es auf einen Versuch ankommen lassen: "Eigentlich ist es so, dass ich mir Sorgen um meinen Cousin mache. Darcy wirkte fast schon unglücklich, als er aus Hertfordshire zurückkam und danach hat er sich kaum eine Sekunde Ruhe gegönnt, da er so viele geschäftliche Angelegenheiten zu regeln hatte. Obwohl ich ja denke, dass er diese Dinge nur vorgeschoben hat und ihn in Wirklichkeit etwas anderes beschäftigt. Aber ich würde es natürlich nie wagen, mich in Darcys Privatangelegenheiten einzumischen. Darcy sieht das gar nicht gerne."

Die Worte des Colonels hatten den gewünschten Effekt: Elisabeth wurde blass, schien entsetzt und besorgt. Sie schien etwas sagen zu wollen, schwieg dann aber. Es folgte eine unangenehme Pause, in der Colonel Fitzwilliam überlegte, ob seine Worte gegenüber Miss Bennet tatsächlich sinnvoll gewesen waren. Er schien sie beunruhigt und verletzt zu haben, was keineswegs seine Absicht gewesen war.

Während er noch darüber nachdachte, wie er seine Worte wieder gut machen konnte, fragte Lizzie, die nun wieder ihren Mut und ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden: "Wo hält sich Ihr Cousin denn zum derzeitigen Zeitpunkt auf? Mr. Bingley hat gehofft, ihn in der Stadt zu treffen, aber man sagte ihm nur, dass weder Mr. Darcy noch seine Schwester da seien." Colonel Fitzwilliam konnte nicht ganz glauben, dass es tatsächlich Mr. Bingley war, der so unbedingt mit Mr. Darcy reden wollte, aber er beantwortete ihre Frage ohne irgendwelche Andeutungen in dieser Richtung: "Darcy ist derzeit mit seiner Schwester auf Pemberley. Und", fügte er hinzu, als er Lizzies fragenden Augen sah, "er sagte, er beabsichtige nicht dieses Jahr noch mal nach London zu kommen. Diese Worte hatten eine deutliche Wirkung auf Miss Bennet. Sie wurde blass, schien verwirrt, enttäuscht. "Ich verstehe," brachte Lizzie mit Mühe und Not hervor. "Ich denke, ich kehre jetzt besser zu meiner Gesellschaft zurück. Auf Wiedersehen, Colonel Fitzwilliam." Dann war sie auch schon weg.

Colonel Fitzwilliam war verblüfft über ihr Verhalten und schämte sich sofort für das seinige. Was auch immer zwischen Miss Bennet und seinem Cousin vorgefallen war, Miss Bennet war diesem gegenüber auf keinen Fall gleichgültig und schien es aus der Welt räumen zu wollen. Doch was konnte zwei Menschen, die sich anscheinend zugetan waren, trennen? War es Darcys Stolz? Wenn ja, dann würde er Darcy einmal gewaltig in den Hintern treten müssen. Wie konnte dieser Trottel nur diese wunderbare Frau einfach so gehen lassen?

Lizzies Hoffnung war nun nach der Begegnung mit Colonel Fitzwilliam endgültig vernichtet. Dass es Darcy offensichtlich so schlecht ging, dass er nicht beabsichtigte noch einmal nach London kommen, all das war schon schlimm genug. Aber nun schien es nach dem Gespräch mit Colonel Fitzwilliam auch noch, dass Darcy seinem Cousin von der ganzen Angelegenheit berichtet hatte und dieser alles für ihre Schuld hielt. Was musste er von ihr denken? Und was dachte Darcy von ihr? Gab er ihr auch die Schuld an dem ganzen Schlamassel? Sie war am Boden zerstört und in dieser Nacht weinte sie sich nach langer Zeit zum ersten Mal wieder in den Schlaf. Albträume peinigten sie und sie schrie so laut nach Darcy, dass ihre Schwester zu ihr kommen und sie beruhigen musste. Nicht einmal die Hoffnung ihn bei der Hochzeit ihrer Schwester zu sehen, konnte ihr noch ein Lächeln abringen. Sie war am Ende.


Kapitel 4

Lizzie war der festen Überzeugung gewesen, dass es nach ihrem Gespräch mit Colonel Fitzwilliam nichts mehr geben konnte, was sie aufheitern könnte. Aber sie hatte sich glücklicherweise geirrt. Ihre Tante Mrs. Gardiner hatte Lizzies Seelenschmerz bemerkt und von Jane schließlich den Grund dafür erfahren. Sie hatte schon die ganze Zeit vermutet, dass Lizzies Stimmungsschwankungen etwas mit Mr. Darcy zu tun hatten. Denn auch er hatte, als sie ihm zufällig vor kurzer Zeit im Londoner Theater begegnet war, unglücklich und irgendwie geistesabwesend gewirkt. Nachdem Jane ihr nun alles berichtet hatte, was zwischen Mr. Darcy und Lizzie in Hertfordshire vorgefallen war, hielt sie es für notwendig ein klärendes Gespräch mit Lizzie zu suchen.

Lizzie winkte erst ab und versicherte ihrer Tante, dass es ihr gut ginge. Aber schon bei der zweiten Nachfrage Mrs. Gardiners, ob mit ihr wirklich alles in Ordnung sei, war sie es leid tapfer zu sein und erzählte ihrer Tante unter Tränen die ganze Geschichte.

Mrs. Gardiner hörte Lizzie zunächst einmal nur zu, aber dann ergriff sie das Wort: "Lizzie, noch ist nichts verloren, hörst du? Ich glaube nicht, dass Mr. Darcy dich für das Verhalten deines Vaters verantwortlich macht. Es hat ihn verletzt, dass dein Vater ihn abgelehnt hat, aber an seiner Liebe zu dir wird das nichts ändern. Und er hatte Recht damit Hertfordshire zu verlassen, denn stell dir mal vor, wie schlimm es für ihn gewesen wäre, wenn er nach der Auflösung eurer Verlobung dich und deinen Vater weiterhin fast täglich gesehen hätte. Er brauchte den Abstand, auch den Abstand von dir. Er musste mit der Enttäuschung fertig werden, dich nicht heiraten zu dürfen. Dabei konntest du ihm nicht helfen.

Aber, glaube mir, er wird sicher zur Hochzeit deiner Schwester kommen. Dann habt ihr eine Möglichkeit miteinander zu sprechen und dein Vater kann seine Entscheidung überdenken. Und ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn Mr. Gardiner und ich diese Möglichkeit nutzen und mit deinem Vater über Mr. Darcy reden. Vielleicht können wir seine Sorgen soweit zerstreuen, dass er Mr. Darcy eine zweite Chance gibt. Schließlich ist dein Vater ein verständiger Mann und, wenn er erst einmal weiß, dass seine Lizzie in guten Händen sein wird, wird er keine Einwände gegen eure Hochzeit mehr haben."

Lizzie konnte den Worten ihrer Tante erst nicht glauben. Nein, Mr. Darcy war auch sauer auf sie und nicht nur auf ihren Vater, und ihr Vater würde auch nicht so leicht zu überreden sein, dass Mr. Darcy einen passenden Ehemann für sie darstellte. Aber die liebevollen und klugen Worte ihrer Tante hatten dennoch einen positiven Einfluss auf Lizzie. Sie wusste nun, dass jemand hinter ihr stand und mit ihr fühlte. Außerdem wusste sie, welchen Einfluss die Gardiners auf ihren Vater hatten. Vielleicht würden sie ihn eher überzeugen können, dass Lizzie und Mr. Darcy zusammen gehörten, als Lizzie oder Jane das möglich gewesen wäre. Und als Bingley dann eines Morgens verkündete, dass Mr. Darcy ihm einen Brief geschrieben hatte, in dem er sich bereit erklärt hatte Bingleys Trauzeuge zu sein, kehrte Lizzies Fröhlichkeit zurück und sie bemerkte mit wiedererwachtem Humor: "So werde ich ihn doch letztendlich an einer Hochzeit teilnehmen sehen."

***

Die Zeit verging und Janes Hochzeit rückte näher und Lizzie wurde richtiggehend kribbelig angesichts der Tatsache, dass sie Mr. Darcy wiedersehen würde, doch dann kam am Dienstag vor der Hochzeit (Die Hochzeit sollte am Samstag stattfinden) ein Brief von Miss Darcy in Netherfield an. Der Brief, den Bingley seiner Verlobten und ihrer Familie vorlas, lautete folgendermaßen:

Lieber Mr. Bingley,
leider ist sowohl mir als auch meinem Bruder nicht möglich, zu Ihrer Hochzeit mit Miss Bennet zu kommen. Fitzwilliam hatte gestern einen Reitunfall und ist deshalb nicht in der Lage nach Netherfield zu reisen. Bitte, glauben Sie mir, dass es ihm gut geht. Er ist mit einer Gehirnerschütterung und einem gebrochenem Bein davongekommen, aber Sie verstehen sicher, dass ich ihn nicht alleine lassen möchte und daher auch nicht zu Ihrer Hochzeit kommen kann. Bitte entschuldigen Sie das Fehlen von meinem Bruder und mir. Es tut ihm wirklich außerordentlich leid, dass er nicht die Möglichkeit hat Ihr Trauzeuge zu sein und er hofft, dass dieser unglückliche Vorfall nicht Ihre Freundschaft belastet.
Fitzwilliam bestellt Ihnen die besten Wünsche zu Ihrer Hochzeit, denen ich mich hiermit anschließen möchte. Wir beide wünschen Ihnen und Miss Bennet alles Glück der Welt und eine wunderschöne Hochzeit.
Mit freundlichen Grüßen,
Miss Georgiana Darcy

Man kann sich denken, welche unterschiedlichen Gefühle dieser Brief bei den einzelnen Bewohnern von Longbourne auslöste: Mrs. Bennet war empört und schien Mr. Darcy seinen Unfall übel zu nehmen, als hätte dieser sich nur aus dem Grund verletzt, um Bingley die Mühe zu machen, einen neuen Trauzeugen suchen zu müssen. Mr. Bennet war hingegen erleichtert, da so ein Treffen zwischen Mr. Darcy und seiner Lizzie verhindert worden war. Jane tat Mr. Darcy leid und Lizzie? Lizzies Gefühle waren schwer zu beschreiben. Nach dem ersten Satz des Briefes war sie sauer auf Mr. Darcy gewesen, weil er nicht zur Hochzeit kommen würde und sie sich so sehr auf ihn gefreut hatte, ihn erwartet hatte. Dann, als Miss Darcy von dem Unfall berichtete, machte sich in ihrem Herzen große Sorge breit und der Wunsch ihrem Fitzwilliam beizustehen und schließlich fragte sie sich, ob der Unfall tatsächlich der Grund für seine Abwesenheit bei Bingleys Hochzeit war oder ob er sie meiden wollte.

Sie versuchte ruhig zu bleiben, aber ihre Unruhe war offensichtlich, jedenfalls für ihren Vater und Jane, die sie besorgt - wenn auch aus verschiedenen Gründen - beobachteten.

Jane war besorgt, weil sie wusste, wie viel es Lizzie bedeutet hatte Mr. Darcy bei der Hochzeit wiederzusehen, und Mr. Bennet war besorgt, weil es schien, dass seine Lizzie Mr. Darcy immer noch nicht überwunden hatte, obwohl er nach Lizzies Trip nach London davon überzeugt gewesen war, da Lizzie seitdem ruhiger und gefasster gewirkt hatte.

Lizzie zog sich, sobald ihr dies möglich war ohne aufzufallen, zurück und versuchte auf ihrem Zimmer ihre Gedanken zu ordnen. Sie war überrascht, als Jane plötzlich an ihre Tür klopfte und ihr einen Brief brachte mit den Worten: "Dieser Brief war für dich dabei. Charles hat mich beauftragt ihn dir zu geben." Lizzies Aufregung kannte keine Grenzen. Zwar sah sie an der Handschrift, dass der Brief nicht von Mr. Darcy selbst war, aber er war vielleicht auch nur zu schwach, um persönlich zu schreiben und hatte den Brief seiner Schwester diktiert. Sie brach das Siegel auf und las:

Liebe Miss Bennet,
ich habe lange überlegt, ob ich Ihnen diesen Brief schreiben soll, aber ich denke, dass Sie über einige Dinge Bescheid wissen sollten. Bitte entschuldigen Sie die Freiheit, die ich mir nehme, mich in Ihr Privatleben und das von Fitzwilliam einzumischen, aber ich kann nicht länger zuschauen, wie mein Bruder leidet. Ich habe schon in London bemerkt, dass er irgendwie anders wirkte als sonst. Er war so melancholisch und reserviert, auch gegenüber mir.
Erst wollte ich mich nicht einmischen, denn ich wusste nicht, ob Fitzwilliam mir von seinem Kummer erzählen, und ich dachte auch, dass er vielleicht nur zu viel Stress hatte, da er ständig unterwegs war. Gestern aber hat mein Bruder mir schließlich erzählt, was ihn bedrückt. Er hatte anscheinend ursprünglich nicht vor, mir davon zu berichten, aber er war so erschöpft von einer Reise, von der er gerade eben zurückgekommen war und hatte, während er auf meine Rückkehr wartete (Ich hatte ein paar Nachbarn Besuche abgestattet), wohl ein bisschen zu viel Brandy getrunken. Jedenfalls traf ich, als ich nach Pemberley kam, auf meinen völlig apathischen Bruder. Ich fragte, was los sei und ob jemand gestorben, und er sagte nur: "Ich habe von ihr geträumt, Georgiana." Danach hat er mir die ganze Geschichte erzählt. Er hat tatsächlich geweint, während er von Ihnen sprach, und ich muss gestehen, dass ich ihn noch nie zuvor habe weinen sehen. Nicht einmal bei der Beerdigung unseres Vaters.
Ich versuchte daraufhin ihn zu trösten, denn ich konnte nicht glauben, dass es so hoffnungslos war, wie er es darstellte, und machte ihm Mut, um Sie, Miss Bennet, zu kämpfen.
Auf einmal wurde er schrecklich wütend und schrie mich, dass ich mich nicht einmischen sollte und ihn mit solchen leeren Versprechungen in Ruhe lassen sollte. Er war richtiggehend außer sich vor Wut. Dann stürmte er aus dem Haus und ritt davon. Dabei hatte er auch diesen Unfall, von dem Sie sicher schon von Mr. Bingley gehört haben.
Es tut mir leid, dass ich Sie mit all diesen Dingen belästigt haben, aber ich dachte mir, dass Fitzwilliam vielleicht doch Unrecht hat und Sie ihn immer noch lieben. Ich denke es nicht nur, sondern glaube fest daran. Deshalb, bitte Miss Bennet, wenn Sie ihn noch lieben, sollten Sie ihn schnellstmöglich einen Weg finden ihn davon zu überzeugen. Denn ich weiß nicht, wie lange er diese Ungewissheit noch aushält, und seitdem er ans Bett gebunden ist, ist er noch unerträglicher geworden. Er isst kaum etwas, trinkt zuviel und lässt sich auch von mir nicht aufheitern. Er ist in einer schrecklichen Verfassung. Ich denke, Sie sind die Einzige, die ihn aus seiner miserablen Stimmung herausholen kann. Wenn Sie ihn noch lieben, bitte tun Sie etwas. Ich würde Sie nicht damit belasten, wenn es nicht wirklich ernst wäre. Sie wissen ja, dass Sie auf Pemberley immer willkommen sind und Fitzwilliam und ich bleiben über Weihnachten und Neujahr und wahrscheinlich noch weit darüber hinaus in Derbyshire.
Ich warte auf Ihre Antwort und würde mich freuen, Sie bald einmal wiederzusehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Miss Georgiana Darcy

Lizzie brach in Tränen aus, als sie Georgianas Brief las. Sie hatte vermutet, dass es Darcy nicht gut ging, aber das er so erbärmlich dran war, hatte sie nicht glauben wollen. Sie litt mit ihm und wäre am liebsten auf direktem Wege nach Pemberley gegangen. "Was ist los?", fragte Jane, die, während Lizzie den Brief gelesen hatte, an der Tür gewartet hatte. Lizzie reichte ihr nur wortlos den Brief und fing an unkontrolliert zu schluchzen. Jane überflog den Brief schnell. Sie hatte Schlimmeres erwartet, als sie Lizzies Reaktion beobachtet hatte, und versuchte nun auch Lizzie davon zu überzeugen, dass es nicht so schlimm war wie diese glaubte. "Shh, ganz ruhig, er ist am Leben und er liebt dich noch. Es wird alles wieder gut." "Ich muss sofort nach Pemberley, Jane," war alles, was Lizzie hervorbrachte. Jane konnte Lizzie schließlich dazu überreden, sich nicht sofort nach Pemberley aufzumachen, sondern bis nach der Hochzeit und nach Weihnachten zu warten, wenn auch die Gardiners und Bingley und seine Jane nach London zurückkehrten.

So wurde es dann beschlossen, dass Lizzie mit dem jungen Ehepaar nach London kommen und von dort weiter nach Derbyshire reisen sollte. Die Gardiners hatten nichts dagegen Lizzie bei sich aufzunehmen, bevor sie einen Tag später nach Derbyshire reisen würde, unter der Bedingung, dass Lizzie ihrem Vater von dem Vorhaben erzählen würde. Doch das tat Lizzie nicht. Diese Reise war zu wichtig, um ihrem Vater die Möglichkeit zu geben seinen Einspruch zu erheben. Zwar behauptete Lizzie gegenüber den Gardiners, ihr Vater hätte seine Erlaubnis gegeben, aber in Wirklichkeit hatte sie ihm nicht ein Wort von der geplanten Weiterfahrt nach Pemberley erzählt.

Jane, die davon wusste, rügte ihre Schwester für ihr Misstrauen gegenüber ihrem eigenen Vater, behielt aber Lizzies Geheimnis für sich, da sie wusste, wie viel Lizzie das Wiedersehen mit Mr. Darcy bedeutete, und dasselbe nicht gefährden wollte. Aber sie verließ Hertfordshire mit einem schlechten Gewissen ihrem Vater gegenüber und der festen Überzeugung, dass Mr. Bennet Lizzie nach Derbyshire hätte fahren lassen. Damit hatte sie jedoch Unrecht, denn hätte Mr. Bennet von den Plänen seiner zweitältesten Tochter gewusst, er hätte ihr nicht erlaubt auch nur nach London zu fahren. Aber so freute er sich, dass seine Tochter ein bisschen Abwechslung hatte, zumal es für sie schwer werden würde ohne ihre ältere Schwester auszukommen, und war, als er realisierte, dass Mr. Darcy wegen seines Unfalls wohl kaum in London sein könnte, erleichtert Elisabeth nach London fahren zu sehen. Lizzie lächelte nur darüber, wie leicht es ihr gefallen war, ihren Vater hinters Licht zu führen, und beschloss für sich selbst, dass außergewöhnliche Situationen auch außergewöhnliche Maßnahmen erforderten. Zudem würde ihr Vater nie etwas von ihrer Reise nach Derbyshire erfahren und konnte deswegen auch nicht beleidigt oder gekränkt sein. Zwar liebte sie ihren Vater, aber Mr. Darcy liebte sie auch und noch viel stärker, so dass sie es fast schon erschreckend fand, wie wichtig er ihr trotz ihrer relativ kurzen Bekanntschaft geworden war. Ihr Herz war nur bei ihm und die Sorgen, die sie sich um ihn machte, waren für sie nur dadurch zu ertragen, dass sie sich vorstellte, wie schnell sich seine derzeitige Qual in größtes Glück verwandeln würde, wenn er sie erst einmal sähe. Sie zählte die Tage bis zu ihrer Abreise und auch Weihnachten mit allen seinen kleinen Freuden und Geschenken konnte sie diesmal kaum begeistern. Sie war froh, als die Feiertage vorbei waren und sie mit den Gardiners und Mr. und Mrs. Bingley nach London aufbrach.


Kapitel 5

Lizzie verbrachte Silvester dieses Jahr in einer Kutsche. Sie hatte es nicht für sinnvoll gehalten an Silvester in einem Inn Halt zu machen, da sie nur ein Diener und eine junge Zofe begleiteten. Außerdem wollte sie so schnell wie irgend möglich in Pemberley sein und deshalb hatten sie nur kurz die Pferde gewechselt und waren dann sofort weitergefahren.

Als sie sich endlich am Neujahrsmorgen Pemberley näherten, war Lizzie müde und ausgepowert. Aber der Gedanke an Darcy ließ sie alle Müdigkeit, ihren verspannten Rücken und den Hunger, der sie plagte, vergessen. Sie dachte an sein Gesicht, den Ausdruck seiner Augen, seine tiefe Stimme. Sie malte sich aus, wie er sie begrüßen würde: Der erst ungläubige Blick, dann ein herzliches Lächeln und dann eine lange Umarmung und dann vielleicht, wenn sie ganz großes Glück hatte, ein Kuss, ihr erster Kuss.

Während Lizzie noch darüber nachsann, wie die Lippen ihres Liebsten sich wohl anfühlen, wie sie wohl schmecken würden, war der Wagen auch schon vor dem Haupteingang von Pemberley zum Stehen gekommen. Lizzie war ein wenig enttäuscht, dass niemand da war, um sie zu begrüßen. Doch schließlich war ihr Besuch ja auch eine Überraschung. "Oh, was würde Fitzwilliam für Augen machen!" war Lizzies Gedanke, als sie in das Frühstückszimmer geführt wurde.

Dort saß jedoch nur Darcys Schwester Georgiana, die zunächst erstaunt war, daraufhin aber Lizzie mit Freundlichkeit und Höflichkeit begrüßte. "Miss Bennet, willkommen auf Pemberley! Es ist mir und meinem Bruder eine Ehre Sie in unserem Zuhause begrüßen zu können. Ich ...oh, Miss Bennet, ich bin so froh, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind." Diese ehrlichen Worte aus dem Mund des eher schüchternen Mädchens rührten Lizzie so sehr, dass es ihr nur schwerfiel, der Schwester ihres Verlobten nicht sofort um den Hals zu fallen. "Aber Miss Darcy," sagte sie, "Sie können sich nicht vorstellen, mit wie viel Freude mich Ihre Einladung erfüllt hat. Und bitte nennen Sie mich Elisabeth. Schließlich werden wir bald so etwas wie Schwestern sein." Georgiana wirkte erst etwas überrascht von Miss Bennets Bitte, entgegnete dann aber mit einem Lächeln: "Natürlich nenne ich dich Elisabeth, wenn dir das lieber ist. Dann musst du mich aber auch bei meinem Vornamen anreden. Ich heiße Georgiana." "Georgiana, bevor wir uns weiter unterhalten, wo ist dein Bruder. Ich würde ihn gerne begrüßen."

Georgianas Lächeln gefror während Lizzies Worten ein und sie antwortete leiser: "Fitzwilliam ist noch in seinem Zimmer. Ich kann ihm sagen, dass du da bist. Vielleicht kommt er dann ja zu uns herunter. Aber er hat sich sehr verändert. Bitte erschrick nicht!" Sie schaute Lizzie scheu an, als ob sie erwartete, dass diese sie für die Kritik an ihrem Bruder zurechtweisen würde. Doch Lizzie nickte nur bei Georgianas Worten und bat sie dann: "Georgiana, bring mich einfach zu deinem Bruder. Ich denke, es ist besser, ich erkläre ihm, warum ich hier bin. Meinst du nicht auch? Außerdem ist die Überraschung dann umso größer!" Georgiana sah Lizzie etwas ungläubig an. War es denn nicht ungebührlich, wenn Elisabeth Fitzwilliams Schlafzimmer betrat? Aber auf der anderen Seite war sie es gewohnt auf andere zu hören und Miss Bennet war älter und erfahrener als sie.

Also widersprach sie nicht, sondern führte Lizzie zum Zimmer ihres Bruders. Sie betrat es zuerst, nachdem Fitzwilliam auf ihr Klopfen mit einem unwirschen "Herein" geantwortet hatte.

Georgiana schaute sich im Zimmer um. Die Gardinen waren zugezogen, es roch nach Alkohol und auf dem Nachtisch stand eine leere Flasche Brandy. Aber das jämmerlichste Bild bot ihr Bruder. Er lag noch im Bett und blickte sie unfreundlich an. Seine Augen waren eingefallen und von tiefen, dunklen Augenringen umrandet, sein Gesicht war fahl und Georgiana vergaß, was sie ihrem Bruder hatte sagen wollen und starrte ihn entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen an. Sie hatte gewusst, dass es ihm schlecht ging. Sie hatte auch mitbekommen, dass er gestern zuviel getrunken hatte, dass er in der letzten Zeit allgemein zu viel trank. Aber so hatte sie ihn noch nie gesehen, selbst an dem Tag des Unfalls nicht. Da war er traurig und verzweifelt gewesen, aber jetzt wirkte er erbärmlich und vollkommen hoffnungslos, als ob ihm auch das letzte bisschen Selbstachtung geraubt worden wäre.

"Was willst du?" knurrte Darcy Georgiana an. "Ich...," Georgiana bekam angesichts des wütenden Blicks ihres Bruders etwas Angst. "Es ist Besuch für dich da. Soll ich ihn hereinführen." Währenddessen ging sie zum Fenster und zog die Gardinen auseinander. Darcy stöhnte, als das Sonnenlicht ins Zimmer fiel. Er hatte einen heftigen Kater und jeder Lichtstrahl und jedes Geräusch verursachte einen stechenden Schmerz in seiner Schläfe. "Ich will meinen Cousin nicht sehen!" erklärte er. "Es ist nicht Colonel Fitzwilliam." Darcy überlegte gerade, wer ihn sonst besuchen könnte, und stellte fest, dass er, wer immer es auch sei, seine Ruhe haben wollte, und wollte das in diesem Moment auch Georgiana sagen, als es an der Tür klopfte und nur einen Augenblick später Lizzie eintrat.

Darcy blickte sie an und wurde noch blasser als er sowieso schon war. Lizzie stand angewurzelt in der Tür und schaute voller Mitleid und Bestürzung auf ihren Verlobten. Sie wollte an seine Seite stürzen, ihm sagen, dass nun alles gut würde, aber sie bewegte sich nicht vom Fleck und brachte kein Wort über die Lippen. Sie wartete, dass Darcy etwas sagte oder ihr zumindest ein Lächeln schenkte, aber dieser starrte sie nur ernst und mit gerunzelter Stirn an.

Dann wandte er sich auf einmal an Georgiana, die immer noch am Fenster stand und sagte möglichst unberührt, aber mit leicht zitternder Stimme: "Georgiana, würdest du mir bitte erklären, was Miss Bennet hier auf Pemberley macht?" "Ich habe sie eingeladen, Fitzwilliam," kam die verschüchterte Antwort seiner Schwester, die ängstlich auf den Boden blickte. "Du hast sie eingeladen?" polterte Mr. Darcy. "Ist das mein Haus oder deins, dass du hierher einlädst, wen du willst? Ich denke, du nimmst dir ein bisschen zuviel heraus, junge Dame! Was hast du Miss Bennet denn erzählt, dass sie so schnell nach Weihnachten hierher geeilt ist?" Diesmal antwortete nicht Georgiana, sondern Lizzie: "Sie hat mir nur von deinem Unfall berichtet, Fitzwilliam. Sie hat sich eben Sorgen um dich gemacht. Also, schimpf sie nicht noch deswegen." "Das ist kein Grund fremde Leute zu belästigen!" Darcy schrie schon fast und Georgiana fing in der Ecke, wo sie stand an zu zittern, während ihr langsam die Tränen die Wangen herunterliefen.

Lizzie sah Georgianas Not und ihre Wut auf ihren Verlobten wuchs. Wie konnte er nur so stur sein? Anstatt sich zu freuen, dass sie extra wegen ihm nach Derbyshire gereist war, war er wütend auf seine Schwester, weil sie sie eingeladen hatte. "Ich bin keine Fremde, sondern deine Verlobte; Fitzwilliam. Wenn du ein Problem mit mir hast, dann lass uns das ausdiskutieren, aber lass deine Wut nicht an Georgiana aus!" Diesmal hatte Lizzie geschrien. "Wir sind nicht mehr verlobt. Ihr Vater hat unsere Verlobung aufgelöst, Miss Bennet, wenn ich Sie daran erinnern darf!" Dass er sie nicht mit ihrem Vornamen anredete, sondern mit Miss Bennet war schon schlimm genug, aber das "Sie" hatte Lizzie den Rest gegeben. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie bemerkte kaum, wie Georgiana unauffällig an ihr vorbei aus dem Zimmer schlich.

Darcy sah, wie sehr er Lizzie mit seinen Worten verletzt hatte, aber es tat ihm nicht leid, er wollte sie sogar noch mehr verletzen. Er wollte, dass sie so litt, wie er gelitten hatte. Deshalb fuhr er fort: "Da fällt mir übrigens ein, dass Sie mir immer noch nicht meinen Verlobungsring zurückgegeben haben. Hätten Sie ein Problem damit, dies jetzt zu tun? Denn ich sehe nicht ein, dass dieses Familienerbstück an Sie verschwendet werden sollte und meine zukünftige Ehefrau mit einem anderen Ring vorlieb nehmen muss." Dieser Satz traf Lizzie mitten ins Herz und es war ihr unmöglich noch weiter die Tränen zurückzuhalten. Sie zog ohne zu zögern den Ring von ihrem linken Ringfinger und legte ihn auf Mr. Darcys Nachttisch. Dann ging sie langsam zurück zur Tür, wo ein Zimmermädchen erschienen war. "Zeigen Sie Miss Bennet eines der Gästezimmer, Betsy. Sie bleibt eine Nacht hier und fährt morgen wieder zurück nach London. Bitte kümmern Sie sich um alles!" waren Mr. Darcys Worte an das Zimmermädchen. Lizzie versuchte seinen Blick bei diesen Worten zu ergründen, aber seine Augen gaben seine Gefühle nicht preis. "Kommen Sie, Miss Bennet," forderte sie Betsy auf. Sie folgte dem jungen Mädchen, drehte sich aber kurz in der Tür noch einmal zu Mr. Darcy um. "Übrigens Fitzwilliam, ich liebe dich und werde es immer tun." Ihre Stimme zitterte bei diesen Worten stark und ein neuer Schwall Tränen schoss aus ihren Augen und lief über ihre Wangen, ohne dass sie auch nur den Versuch gemacht hätte, ihn aufzuhalten. Schnell folgte Lizzie Betsy aus dem Zimmer, bevor sie die Kontrolle über sich selbst vollständig verlieren konnte. Irgendwie erwartete sie, dass Darcy sie zurückrief, um ihr zu sagen, dass er sie auch liebte, aber er tat es nicht. Betsy lief schweigend vor ihr her und tat so, als hätte sie von dem, was zwischen ihrem Master und dieser Miss Bennet vorgefallen war, nichts mitbekommen. Sie zeigte Lizzie ihr Zimmer und informierte sie: "Miss Bennet, falls Sie noch etwas wünschen, brauchen Sie nur klingeln. Ihr Gepäck hat schon ein Diener gebracht. Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen beim Auspacken." Und als Lizzie daraufhin verneinend den Kopf schüttelte, zog Betsy schnell die Tür hinter sich zu und verschwand. Lizzie konnte nun nicht mehr an sich halten und brach laut schluchzend auf dem Bett zusammen.

Sie hatte noch nie in ihrem Leben einen solchen Schmerz gefühlt, noch nicht einmal, als ihr Vater Mr. Darcy seine Zustimmung zu ihrer Hochzeit verweigert hatte. Es hatte immer noch Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft gegeben, nur jetzt schien alles dahin. Er liebte sie nicht mehr! Diese Worte marterten ihr Hirn und jedes Mal spürte sie diesen stechenden Schmerz in ihrer Brust und glaubte sterben zu müssen, dass sie dies nicht ertragen könnte, dass es nichts mehr gebe, wofür es sich zu leben lohne.

Auch Mr. Darcy fiel es schwer nach dem Gespräch mit Lizzie seine Gedanken auf etwas anderes zu richten. Er hatte geglaubt, dass es seinen Schmerz lindern würde, wenn er Lizzie verletzen würde, aber das Gegenteil war der Fall: Nun fühlte er sich noch schlechter als zuvor und ihre letzten Worte schienen ihn zu verfolgen. "Übrigens Fitzwilliam, ich liebe dich und werde es immer tun." Er wusste nun, dass sie die Wahrheit gesagt hatte, damals wie heute. Er hatte es in ihren Augen gesehen. Aber die Gewissheit, dass sie ihn liebte, machte nichts leichter, sondern alles nur viel schwerer. Er konnte sie nicht heiraten. Ihr Vater würde ihm das nie erlauben und ohne die Erlaubnis ihres Vaters würde er das auch nie wagen. Bisher hatte nur an seinen eigenen Schmerz gedacht, wenn er die Frau, die er liebte, nie heiraten könnte. Nun aber wurde ihm auch der Schmerz Elisabeths angesichts dieser Situation deutlich, dass sie genauso sehr litt wie er. Oh, sie musste ihn so bald wie möglich vergessen! Wenn sie glaubte, dass er sie nicht mehr liebte, - wie sie das nach ihrem Gespräch heute glauben musste - würde sie Derbyshire wieder verlassen und ihn nach einer angemessenen Zeit vergessen. Ja, sie würde leiden, das wusste er, aber nicht so sehr, wie sie leiden würde, wenn sie wusste, dass er sie liebte, aber es keine Möglichkeit für sie beide gab, jemals zu heiraten.

Deshalb würde er sie gehen lassen, so schwer es ihm auch fallen würde. Er klingelte nach einem Diener. Er brauchte einen Brandy, um seinen Plan durchzuziehen. Nüchtern könnte er es nicht ertragen, Lizzie in seinem Haus zu wissen, aber nicht mit ihr reden oder ihr seine Gefühle zu zeigen können.

Fortsetzung folgt....

© 2005 Becci

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